Wie hat sich das Geschäft von Mylife entwickelt?
Arndt: Wir haben – wie viele andere auch – von einem sehr guten Jahresstart 2022 profitiert und nahtlos an das erfolgreiche 4. Quartal 2021 angeknüpft. Ab dem 2. Quartal haben die Diskussionen um den Angriffskrieg in der Ukraine, die gestiegenen Energiekosten und die Inflation hohen Einfluss auf das Sparverhalten der Kunden genommen und die Nachfrage hat etwas nachgelassen. Dabei gab es aber keinerlei Abfluss bei den Geldern. Gleichwohl nehmen die laufenden Beitragsverpflichtungen für die Zukunft ab. So werden zum Beispiel statt 500 Euro nur noch 200 bis 300 Euro bespart. Und der Rest wird für die erhöhte Gasrechnung zurückgelegt. Der Vorteil bei unseren Nettoprodukten ist, dass sie je nach persönlicher Situation, wie bei einem Depot täglich den regelmäßigen Anlagebetrag ändern und Geld einzahlen oder sich auszahlen lassen können. Durch die fehlenden Abschlusskosten ist hier vieles einfacher. Im Marktvergleich zahlt sich dieser Vorteil weiter aus, sodass wir auch für 2023 sehr gute Geschäftszahlen ausweisen können. Je nach Kennzahl bewegen wir uns in etwa auf Vorjahresniveau. Wenn ich mir anschaue, dass der Markt leicht im Minus liegt, ist das aus meiner Sicht ein wirklich gutes Ergebnis.
Merken Sie in der Situation, dass Sicherheit eine Rolle spielt?
Arndt: Wir sehen die Rückkehr der Sparzinsen und trotzdem ist kein Run auf Festgelder zu beobachten. Die Kunden schauen aber, wie sie die Wertzuwächse sichern können. Also intelligent umschichten, damit Erreichtes nicht verloren geht. Wir haben hier den Vorteil, dass wir das 24/7 anbieten können. Und nicht, wie herkömmliche Fondsversicherer, nur einmal oder zweimal im Monat. Wenn sie heute in einen Geldmarktfonds wechseln wollen, ist das quasi morgen erledigt. Und da spüren wir, dass in den Verträgen die Flexibilität genutzt wird. Damit die Guthaben stabil bleiben. Das nutzt dem Kunden, der ein hohes Altersvorsorgevermögen anstrebt. Gleichzeitig profitiert der Vermittler, weil er von der Entwicklung des Anlagevolumens profitiert, da er ein laufendes anteilsbezogenes Honorar bezieht. Und letztendlich sind auch unsere Verwaltungskosteneinnahmen höher, weil wir sie ebenfalls überwiegend Kundenvolumen-bezogen erhalten.
Wie hoch sind ihre anteilsbezogenen Kosten?
Arndt: Wir verlangen je nach Produkt zwischen 0,20 bis 0,45 Prozent des vorhandenen Guthabens. Das ist unsere Einnahme. Deswegen sind wir natürlich auch daran interessiert, dass das Guthaben stabil bleibt und wächst – genau wie der Kunde und Vermittler. Die Interessen von Vermittler, Versicherer und Kunde sind also komplett gleichgerichtet. Alle wollen, dass viel Geld in den Topf kommt und dort auch bleibt.
Und wie sieht ihr typischer Kundenkreis aus?
Arndt: Wir sind eher im sogenannten Private Banking-Segment zuhause. Die durchschnittlichen Einmalbeiträge bei uns sind teils sechsstellig. Diese Größenordnung ist bei Lebensversicherern hierzulande eher unüblich. Wir haben in den laufenden Beiträgen ebenfalls eher etwas höhere Beiträge als der Marktschnitt. Was wir aber feststellen: Die Kundengruppe 35- bis 40-Plus, die beginnt, ein Haus zu bauen, eine Familie zu gründen, nimmt stark zu. Das ist letztlich der Kundenkreis, der an Altersvorsorge oder Geldanlage denkt. Zudem gibt es die 50-Plus-Gruppe, die noch für das Alter vorsorgen bzw. für die Rente anlegen möchte. Und dann die Erben- und Schenken-Gruppe, die überlegt, wie sich das Geld an die nächste Generation übertragen lässt. Darüber hinaus stellen wir aber auch fest, dass wir zunehmend junge Kunden haben. Diese kommen, oftmals über die Eltern geleitet, zu uns.
Ich würde sehr gerne auf den Eigentümerwechsel kommen. Die BaFin hat Ende 2022 grünes Licht für die Übernahme durch die Ideal Versicherungsgruppe gegeben. Welche Veränderungen ergeben sich für Sie?
Arndt: Für uns als Mylife-Gruppe hat es den Vorteil, dass wir autark bleiben. Und wir bringen das ein, was das Angebot der Ideal-Gruppe ergänzt: Fondsgebundenes Sparen und Anlegen im Netto-Segment. Hinzu kommt unsere versicherungsbasierte Fondsplattform. Insofern passt das vom strategischen Fit her. Damit sind wir sehr diversifiziert aufgestellt. Zudem gibt es einen langfristigen Plan, wie wir zusammenarbeiten wollen. Und dazu gehört, dass Göttingen die Basis von Mylife bleibt. Allerdings gibt es viele Synergien, etwa bei der Umsetzung der steigenden regulatorischen Anforderungen. Was Berlin betrifft: Für uns ist der Standort hochinteressant und wir könnten uns durchaus vorstellen, dort eine Dependance aufzubauen.
Bislang bietet nur die Ideal Leben eine Pflegeabsicherung an. Planen Sie, eventuell Pflegeversicherungen in das Angebot mit aufzunehmen und sich damit neue Kundenkreise zu erschließen?
Arndt: Das macht sehr viel Sinn. Letztlich sind es ja die gleichen Kunden, die angesprochen werden. Derjenige, der an Erben und Schenken denkt, denkt auch über Pflegebedürftigkeit und die Folgen für sein Vermögen nach. Hinzu kommt: Die Kinder und Erbenden haben auch ein Interesse, dass der Vater oder Großvater im Pflegefall finanziell abgesichert ist. Zudem ist der Bankkanal für uns von Interesse. Die Ideal ist bei mehreren Banken und Sparkassen erfolgreich vertreten. In den Markt wollen wir hinein. Die Herausforderung ist, in die Kooperation hineinzukommen. Insofern war die Entscheidung der Ideal Gruppe für uns ein Sechser im Lotto.
Würden die Produkte dann weiter unter Mylife laufen oder würden die gelabelt?
Arndt: Wir als Mylife bieten Mylife-Produkte an wie „myLife Invest“. Wir haben aber unsere Plattform so gebaut, dass sie mandantenfähig ist, falls andere Marktteilnehmer schnell in den Markt und ein flexibles Nettogeschäft anbieten wollen. Die Ideal macht uns das vor und ist erfolgreich im White-Labeling unterwegs. Wir lernen hier voneinander und wir sind Partner auf Augenhöhe.
Das Thema Nachhaltigkeit ist seit dem 2. August 2022 Pflicht in der Beratung und wird seit 1. Januar 2023 definitiv abgefragt. Wie entwickelt sich dort die Nachfrage?
Arndt: Die Berater, die auf Honorarbasis arbeiten und Netto verkaufen können, sind auch die Berater, die auf der Höhe der Zeit sind. Die sind mit dem Thema vertraut. Wir haben mehr als 3.000 ESG-Fonds im Angebot und wir sehen bei den jungen Menschen ein starkes Interesse. Dagegen schauen die älteren Kunden stark auf die Rendite. Und leider ist es so, dass seit dem 24. Februar 2022 die kurzfristige Performance höchst unterschiedlich ausfiel. Das tut kurzfristig dem Thema nicht gut. Die Entscheidung für eine Vorsorge ist letztlich aber langfristig. Und da gehören nachhaltige Fonds zu einem diversifizierten Portfolio dazu. Das schöne ist, dass man bei einem Versicherungsportfolio die Fondsanlage im Rahmen der Lebensversicherung abgeltungssteuerfrei tauschen und damit auf die Marktgegebenheiten entsprechend reagieren kann. Was wir feststellen ist, dass es durch die Regulatorik sehr komplex geworden ist. Ein Beispiel, die Transparenzverordnung: Man hat alles hineingeschrieben und steht meines Erachtens nun vor einem Problem. Mit den vielen Informationen verlieren die Kunden den Überblick. Es muss verständlicher werden. Etwa eine Farbampel wie bei Lebensmitteln oder Buchstaben bei Elektrogeräten. Da sollte es hingehen. Wenn man es so weiter macht, werden viele Menschen gar nicht investieren oder ein ungutes Gefühl haben, weil es für sie undurchsichtig wirkt.
Viele Vermittler machen dennoch immer noch einen Bogen um das Thema. Wie gehen Sie hier vor, um den Vermittler an Bord zu holen?
Arndt: Wir schulen das Thema kontinuierlich. Unsere Schwestergesellschaft Honorarkonzept hat die Informationen hierzu im Internet sehr gut aufbereitet. Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Vermittler, die mit uns zusammenarbeiten, kein neues Thema. In der Klientel, in der wir uns bewegen, war es schon immer ein Thema. Was wir aber feststellen ist, dass es langsam anläuft. Und die aktuelle Situation überschattet alles. Im vergangenen Jahr war oftmals bei Rüstungs- und Öl-Investments mehr Performance zu holen als mit Umwelt-Investments. Das tut kurzfristig dem Thema nicht gut. Die typische Kundenfrage ist, was passiert, wenn es wieder einen solchen Krieg gibt. Was sagt man dann? Zur Wahrheit gehört auch, dass es nicht ein 100 Prozent grünes oder soziales Investment gibt. Die Entscheidung kann letztlich nur der Kunde zusammen mit dem Vermittler treffen. Deswegen glauben wir, dass die persönliche Beratung bei einem solchen Thema durch nichts zu ersetzen ist. Im aktuellen Fondsangebot von Mylife haben wir über 8.000 Fonds. Und nach der jetzigen Definition sind davon über 3.000 ESG-Fonds. Also, entweder Artikel 8- oder 9-Fonds. Wir gehen sehr stark davon aus, dass sich in zwei oder drei Monaten die Zahl der Artikel 8- oder 9-Fonds verändern wird. Die aktuellen Diskussionen, dass Atomkraft oder Gas nun doch als nachhaltige Energiequellen anerkannt werden oder doch nicht, tut dem Thema nicht gut und verunsichert die Menschen.
Stichwort Honorarberatung und Nettopolicen. Die Zurückhaltung der Kunden ist hier nach wie vor groß. Wann kommt der Durchbruch?
Arndt: Ehrlich gesagt ist es mir egal, wann es einen Durchbruch gibt, denn für uns ist er schon längst da. Wir wachsen in den letzten Jahren mit rund 30 Prozent, nur in 2022 werden wir wohl marktbedingt lediglich auf Höhe des exzellenten Vorjahrs landen. Versicherern, die viele Jahre ausschließlich auf die Provisionsbasis gesetzt haben, fällt die Umsetzung der Idee der Honorarberatung schwer. Das haben bereits einige versucht und sind mehr oder minder erfolglos. Bei der Honorarberatung muss der Kunde die Leistung des Vermittlers kaufen. Wir stellen den Vermittler und seine Kompetenz in den Vordergrund. Der Makler nutzt die Konzepte der Honorarkonzept, er nutzt die Mylife-Produkte. Wir halten uns dabei im Hintergrund. Für den Ansatz müssen Sie die Vermittler haben, die das können. Aber nichtsdestotrotz hat die Provisionsberatung selbstverständlich ihre Berechtigung. Das Nettogeschäft, wie wir es machen, mit einem vorgezogenen und/oder einem NAV-bezogenen Honorar, ist für den Vermittler, der das versteht, das Einkommensmodell der Zukunft. Er braucht irgendwann kaum Neugeschäft mehr, denn er kann aus den Beständen sehr gut leben. Dafür muss er sich aber jeden Monat um seinen Kunden kümmern. Wir generieren 30 Prozent unserer Einmalbeiträge aus den Zuzahlungen zufriedener Bestandskunden.
Glauben Sie, dass sich die Honorarberatung stärker im Markt etablieren wird?
Arndt: Wir sind nur im fondsgebundenen Markt vertreten und sind dort unter den Top 20. Wir haben einen Marktanteil von etwa 1,4 Prozent bei den Fondspolicen-Anbietern. Und im Gesamtmarkt aller Lebensversicherer sind wir auf Platz 47 nach vorne gerutscht. Die Mylife hat weit weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als unsere Mitbewerber, dafür sind wir aber sehr digital. Da sind wir ein wenig der Frontrunner. Was wir sehen: Das Thema Honorar sorgt nicht nur in der Lebensversicherung für Interesse, sondern auch in der Sachversicherung. Ich bin fest davon überzeugt, dass in dem Segment unser Marktanteil weiterwachsen wird. Wenn andere dort aufspringen, wird der Nettomarkt größer. Wir kennen ganz viele hybride Maklerinnen und Makler als Partner im Markt. Bei der Honorarberatung denkt man immer an die 200 34h-Honorarberater, die es gibt. Von den 46.000 Maklern und Maklerinnen, die es draußen verkaufen können, segeln etwa 2.000 unter unserer Flagge. Wenn einer nur zehn Prozent seines Umsatzes mit unseren Nettoprodukten macht, ist das etwas, von dem wir gut leben können.
Der Ukraine-Krieg ist eine Zäsur. Wir sehen parallel eine galoppierende Inflation, rasend steigende Energiekosten. Welchen Einfluss hat das auf die Altersvorsorge und das Sparverhalten?
Arndt: Wir sehen, dass der Sparwille für die Zukunft ein kleinerer ist, weil man nicht weiß, wie die Ausgaben in der Zukunft sein werden. Was wir noch nicht, andere aber schon feststellen ist, dass auch an die Guthaben heran gegangen wird. Bei uns können die Kunden an ihre Gelder heran. Wir hatten dies schon bei Corona. Diejenigen, die in Kurzarbeit gegangen sind, konnten ihre Raten reduzieren und aus dem Vorsorgevermögen Geld entnehmen – wenn es denn sein musste – und später wieder einzahlen. Wir haben dort positive Erfahrungen gemacht. Aber wir sehen die immensen Kosten für die Gaspreiserhöhungen. Allein das sind viele Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr. Es wird in Deutschland mit einen Wohlstandsverlust einhergehen. Ich bin mir aber auch sicher, dass der Vermögensaufbau nach wie vor seinen Stellenwert haben wird. Ich bin sogar der Meinung, dass er danach einen höheren haben wird, als vorher. Weil man Konsumverzicht lernt. Wir haben bislang in einer Überflussgesellschaft gelebt. Vielleicht führt es zu einem stärkeren Bewusstsein, insbesondere bei jüngeren Leuten.
Dennoch. In Smartphones, Netflix oder Sky wird nach wie vor sehr viel Geld investiert. Trotz Krise.
Arndt: Das ist etwas, was ich nicht verstehe. Ich denke aber, dass hier ein Umdenken stattfinden wird. Wenn am Ende des Monats das Geld weg ist, werden sich die Menschen überlegen, wo man sparen kann. Und wenn man sich dann vorstellt, wie es im Alter wohl ist, dann kommt man zum Schluss, dass man etwas tun muss. Am Ende führt bei diesem Thema kein Weg an Aktien vorbei. Unsere Hoffnung ist, dass die Menschen das Geld in flexible fondsgebundene Produkte investieren.
Sie hoffen, dass die Einsicht der Menschen wächst, mehr für die private Altersvorsorge zu tun. Andererseits wächst gerade in der Krise fast immer der Ruf nach dem starken Staat, der für eine sichere Rente sorgt. Das sitzt in den Köpfen der Menschen.
Arndt: Sie haben es gerade so schön gesagt. Der starke Staat. Aber ist das stark, was wir erleben? Denken Sie an die Diskussionen über Gaspreisumlage und Gaspreisdeckel oder an die Ministerpräsidentenkonferenz in Corona-Zeiten. Das wirkt panisch und von den Ereignissen überrollt. Würden Sie demjenigen, der so entscheidet, ihre Altersvorsorge anvertrauen? Ich nicht. So schlimm diese Krise ist, der Vorteil ist, dass sie zum Umdenken führt und die Leute auch über Nachhaltigkeit nachdenken. Wenn jeder bei sich spart, wird er selbst ein wenig nachhaltiger. Man muss keinen Fonds kaufen, um nachhaltig zu werden.
Das Interview führte Cash.-Redakteur und Ressortleiter Versicherungen, Jörg Droste