Exklusiv-Interview mit Oliver Schoeller und Andreas Eurich: „Die Resonanz bestätigt, dass der Ansatz der richtige ist“

Mittlerweile sind Sie in der Due Dilligence. Wann wird die 2024 abgeschlossen sein?

Eurich: Unser Zeitplan ist sehr ambitioniert, weil dieses Vorhaben klar auf den Markt fokussiert ist. Wir hoffen, dass wir die Due Dilligence und die Bewertung der beiden Unternehmen im ersten Quartal 2024 abschließen können. Dann wissen wir, ob das zusammenpasst, was wir von außen gesehen haben. Oder ob es Themen gibt, die wir miteinander weiter besprechen müssen. Und dann wollen wir möglichst schnell Fakten schaffen.

Schoeller: Gleichzeitig initialisieren wir die aufsichtsrechtlichen Genehmigungsprozesse. Das erfordert natürlich vor allem eine tiefe Interaktion mit der BaFin. Bis zu einem formalen Closing kann es also noch etwas dauern.

Und bis wann soll die Fusion über die Bühne gehen?

Eurich: Ideal wäre, wenn wir Richtung drittes Quartal 2024 den ersten Schritt gehen könnten. Das ist natürlich ambitioniert vor dem Hintergrund der aufsichtsrechtlichen Genehmigungen und der Dialoge, die wir führen müssen. Wir müssen abwarten, wie schnell das geht.

Allerdings mahlen die Mühlen der BaFin und des Kartellamtes oft gemächlicher, als man es sich wünscht.

Schoeller: Das teile ich nicht. Das sind komplexe Entscheidungen, die wir zu treffen haben und gemeinsam mit der BaFin sondieren. Deswegen ist es genau, wie Andreas Eurich sagt: Wir müssen abwarten, was uns die Regulatorik am Ende vorgibt.

Eurich: Die Barmenia und die Gothaer sind Versicherungsvereine und daher vor allem ihren Mitgliedern verpflichtet. Die BaFin wird dort genau hinschauen. Was bringt dieser Prozess für die Mitglieder mit sich? Insbesondere wird sie die Frage stellen: Schlummern da möglicherweise Risiken, auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten? Wir sind auf den Dialog gut vorbereitet und werden den jetzt auch aufnehmen.

Die Barmenia ist sehr stark im PKV-Geschäft, die Gothaer dominiert im Sachgeschäft, gerade im Gewerbebereich, aber auch im Leben-Segment. Bislang haben wir beide Unternehmen als eigenständige Marken wahrgenommen.

Eurich: Die Aufstellung ist so, dass sich die Schablonen perfekt ineinanderfügen. Die Barmenia fokussiert eher auf das Privatkundengeschäft. Die Gothaer hat ein sehr starkes Standbein im Gewerbereich, das wir nur teilweise bedienen können. Da bietet dieser Zusammenschluss viele neue Perspektiven. Ich betone das noch einmal: Für den Vertrieb werden wir als Anbieter deutlich attraktiver, weil wir gemeinsam eine viel größere Bandbreite abdecken können. Wenn wir das geschickt miteinander verzahnen, schaffen wir echte Mehrwerte.

Schoeller: Natürlich ist die Barmenia ein ausgesprochen starker Krankenversicherer und wir sind ein ausgesprochen starker Komposit-Versicherer. In der Lebensversicherung muss man der Barmenia ein großes Kompliment machen für einen sehr starken Lebensversicherungsvertrieb. Die Neugeschäftszahlen der Barmenia sind beeindruckend. Beim Vertrieb verbinden wir unsere beiden Ausschließlichkeitsorganisationen zu einer der größten Ausschließlichkeiten in der deutschen Assekuranz.

Oliver Schoeller, Vorstandsvorsitzender der Gothaer

Wobei es durchaus Unterschiede in der Altersstruktur gibt

Schoeller: Die Barmenia hat einen sehr jungen Vertrieb, der sehr neugeschäftsstark ist. Wir sind sehr stark im Bestand und haben eine hohe Bestandsdurchdringung. Eine elementare Gemeinsamkeit ist, dass wir beide sehr überzeugte, sehr kundenorientierte Gegenseitigkeitsversicherer sind. Mit einer ganz klaren Idee, für wen wir arbeiten. Das sind unsere Kundinnen und Kunden. Die Frage nach Kundenbegeisterung ist das Maß unseres Markterfolgs. Hinzu kommt, dass wir beide sehr mitarbeitendenorientiert sind.

Das heißt?

Schoeller: Wir sehen die Menschen als unseren wichtigsten Wert. Bei der Barmenia und der Gothaer ist das Unternehmertum im Unternehmen Teil der DNA. Wir haben viele Menschen, die das jeweilige Unternehmen als Unternehmerinnen und Unternehmer nach vorne bringen wollen. Gleichzeitig spielt in beiden Unternehmen das menschliche Miteinander, also die Kraft der Gemeinschaft, eine entscheidende Rolle. Das bedeutet: Sowohl unser Blick auf das, was Werte erzeugt, als auch mit Blick auf die Menschlichkeit untereinander haben wir eine sehr ähnliche kulturelle Basis. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Zusammenschlusses. Wir haben die kulturellen Aspekte sehr ausführlich miteinander besprochen. Und wir sind zuversichtlich, dass die Menschen gut zusammenpassen.

Eurich: Was dieser Zusammenschluss mit sich bringen wird, ist eine deutlich höhere Resilienz. Weil die einzelnen Geschäftssegmente unterschiedlichen Einflüssen unterliegen. Das können große Schadenereignisse sein, das können regulatorische Eingriffe in die Vergütung sein. Stichwort Provisionen. Das wirkt auf die Geschäftssegmente unterschiedlich, sodass die neue entstehende Gruppe eine höhere Resilienz gegen solche Ereignisse hat. Weil wird das gemeinsam einfach besser managen können.

Wir haben derzeit geopolitisch einiges zu verstoffwechseln: Ukraine-Krieg, Wirtschaftskrise, Inflation. Und jetzt kommt möglicherweise noch der Nahost-Konflikt hinzu. Was hat das für Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf?

Eurich: Glücklicherweise wenig. Was das Neugeschäft anbelangt, sind wir nach wie vor gut unterwegs. Was man spürt, ist das gestiegene Zinsniveau, weil dadurch Alternativanlagen wieder attraktiver werden. Im klassischen Einmalbeitragsgeschäft spüren wir das zwar. Doch können wir einen größeren Teil durch das Geschäft gegen laufenden Beitrag kompensieren. Auch die Nachfrage nach Gesundheitsprodukten ist weiter hoch. Das gestiegene Preisniveau werden wir perspektivisch an die Kunden weitergeben müssen. Wir sehen erste Anpassungen etwa im Bereich Kfz und Wohngebäude.

Wir sprechen von Anpassungen, teilweise im zweistelligen Prozentbereich?

Eurich: Das ist leider unvermeidlich. Interessanterweise beeinflusst es aber  unser Neugeschäft in den Bereichen, wo wir stark sind, kaum. Das entwickelt sich unverändert gut.

Schoeller: Auch bei der Gothaer haben wir ein außerordentlich starkes Vertriebsjahr. Wir wachsen im Neugeschäft in allen Segmenten prozentual zweistellig. Die Brutto-Profitabilität ist gut, die Lebensversicherung zeigt sich mit Blick auf Stornoraten und Beitragsfeststellungen sehr robust. Auch die bAV und im Speziellen noch mal die bKV verbuchen enormes Wachstum. Die Inflation haben wir – mit Blick auf den Sachversicherer – gut abfedern können, so dass unsere Brutto-Combined auf Basis unserer Erwartungen liegt. Notwendige Anpassungen konnten wir gut im Markt durchsetzen. In Summe sind unsere beiden Unternehmen in bester Verfassung. Größere Sorgen machen wir uns um den Rückversicherungsmarkt. Die Preise sind massiv gestiegen und die Kapazitäten haben sich deutlich verknappt. Ich habe den Eindruck, dass der partnerschaftliche Gedanke beim Thema Rückversicherung verschwunden ist.

Die Rückversicherer fordern von den Erstversicherern deutlicher Prämienanpassungen, als wir sie jetzt am Markt sehen.

Eurich: Sie müssen ja auch nicht mit den Kunden direkt verhandeln.

Schoeller: Ich kann ehrlicherweise den Rückversicherern nur raten, es nicht zu überziehen. Sonst kommen alternative Modelle auf den Markt und das kann den Rückversicherern nicht recht sein.

Seite 3: „Wer bekommt was“ ist dabei nicht die Leitfrage

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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