Exklusiv-Interview mit RWS und WWF: „Den eigenen ökologischen Handabdruck vergrößern“

Jörg Christian Hickmann
Foto: RWS
Jörg Christian Hickmann

Auf der RWS-Jahresherbsttagung in Hannover sprach Cash. mit RWS-Vorstandschef Jörg Christian Hickmann und Vanessa Bolmer, Senior Advisor Sustainable Finance beim WWF Deutschland, über ihre Zusammenarbeit und Ermüdungserscheinungen beim Thema Nachhaltigkeit.

Seit Januar 2022 verstärkt der WWF Deutschland den Anlageausschuss des „RWS-Aktienfonds Nachhaltig“. Was sind die Schwerpunkte in Ihrer Kooperation?

Hickmann: Wir haben immer Transformation im Fokus. Sie hat den größten Impact, weil sich die gesamte Wirtschaft nachhaltig entwickeln muss. Bei Unternehmen, die jetzt noch „grau“ sind und „grün“ werden wollen, ist die große Schwierigkeit, dass man von denen zwar viel erzählt bekommt, aber nicht weiß, ob sie wirklich auf dem richtigen Weg sind und woran man das messen kann. Das Wesentliche an der Kooperation mit dem WWF Deutschland ist, dass sie wissenschaftsbasiert abläuft. Dann sind die Messpunkte für alle fein, auch für den Fondsmanager.

Bolmer: Ein Schwerpunkt liegt darauf, die Machbarkeit bestimmter Dinge auszuprobieren. Wir stellen uns immer die Frage: Wie kann man Unternehmen bei der Transformation begleiten? Und wie kann man das Thema Nachhaltigkeit und Transformation mit möglichst hohem Anspruch vernünftig, wissenschaftlich fundiert und gut begründet umsetzen? Unser Mehrwert aus der Zusammenarbeit ist, dass wir lernen, wo es noch Hürden gibt – zum Beispiel im regulatorischen Rahmen – und wo man ansetzen muss, um diese Hürden zu überwinden und damit die Transformation weiter voranzutreiben. 


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Gibt es Pläne, die Zusammenarbeit weiter auszubauen?

Hickmann: Wir sind ständig im Austausch, um weitere Impulse zu bekommen. Das hilft uns enorm, auch für unser eigenes Unternehmen. Das ist für mich eine Frage der Glaubwürdigkeit. Ich kann nicht zum Thema Nachhaltigkeit beraten und gleichzeitig kümmert es mich selbst nicht. Wir stellen unsere Immobilie, in der sich unser Unternehmenssitz befindet, energetisch vernünftig auf, das machen wir gemeinsam mit dem WWF und dem „Bündnis Klimaneutral in der Region Hannover“. Und wir achten darauf, dass unsere Vertriebspartner – die ja selbständige Handelsvertreter sind – das auch in ihren Büros umsetzen, damit sie vor ihren Kunden glaubwürdig bleiben. Beim Thema Baufinanzierung zum Beispiel müssen sie das Thema energetische Sanierung vernünftig auf die Kundenseite transportieren.

Vanessa Bolmer (Foto: WWF)

Haben Sie den Eindruck, dass das Thema Klimaschutz angesichts multipler Krisen in der Welt gerade auf dem Rückzug ist?

Bolmer: Klimaschutz ist nicht unwiderruflich auf dem Rückzug. Viel zu oft und an viel zu vielen Orten spüren wir inzwischen die Klimakrise. Die Auswirkungen beschränken sich nicht mehr nur auf den Süden der Welt, sondern sind auch hier bei uns im Alltag angekommen. Aber: Im Moment überlagern andere Themen, was ich zum Teil auch nachvollziehen kann. Ich erlebe, dass die Menschen beim Thema Klimaschutz relativ müde und abwehrend sind. Dabei zeigen sich zwei Muster: Zum einen die Diskussion um vermeintlichen Verzicht, zum anderen schlicht Bequemlichkeit. In der Tat haben wir bisher über unsere Verhältnisse gelebt. Die Ressourcen der Erde sind endlich, gleichzeitig haben wir uns an einen gewissen Wohlstand gewöhnt. Doch dieser Wohlstand ist vor allem durch die Klimakrise bedroht. Wenn wir diese Zusammenhänge verinnerlichen, dass wir diesen Wohlstand nur erhalten können, wenn wir langfristig etwas anders machen, dann wird auch das Thema Klimaschutz wieder neuen Schwung bekommen.

Hickmann: Bei Vertriebspartnern erleben wir teilweise Ermüdungserscheinungen beim Thema Nachhaltigkeit. Dennoch versuchen wir, weiter dafür zu sensibilisieren, zum Beispiel mit unserem Nachhaltigkeits-Tag im August, bei dem unter anderem Organisationen wie Brot für die Welt, Vier Pfoten und die WWF Jugend dabei waren. Wir müssen am Thema Nachhaltigkeit dranbleiben. Es hilft uns, dass wir den Kunden jetzt die Frage stellen müssen, ob sie nachhaltig anlegen wollen oder nicht. Im persönlichen Gespräch kann man viel bewirken. Denn letztlich geht es nicht um Verzicht, sondern darum, den eigenen ökologischen Handabdruck zu vergrößern.

Ist die Finanzbranche in Sachen Klimaschutz insgesamt noch zu zurückhaltend?

Bolmer: Ich beobachte, dass die Branche nach außen hin zurückhaltend ist, weil es viele Skandale und Fehler gegeben hat. Deshalb tut man sich manchmal schwer, Dinge klar und deutlich nach außen zu kommunizieren. Vom Willen her ist die Branche eigentlich weniger zurückhaltend. Es gibt viele Leute, die an Veränderungen arbeiten und nach Wegen suchen, diese auch umzusetzen – in dem regulatorischen Rahmen, in dem wir uns bewegen.

Das Gespräch führte Kim Brodtmann, Cash.

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