Die Phoenix Group hat Standard Life im Frühjahr 2018 übernommen. Dann kam der Brexit, im Zuge dessen Sie rund 600.000 Versicherungsverträge von deutschen, österreichischen und irischen Kunden sowie Versicherungsbestände in Höhe von 26 Milliarden Euro nach Irland übertragen haben. Wie haben sich der Eigentümerwechsel, der Brexit und die damit verbundenen Diskussionen und Unsicherheiten auf das Geschäft in Deutschland ausgewirkt? Wie beurteilen Sie die Übernahme nach gut fünfeinhalb Jahren?
Dunne: Wie Sie ganz richtig gesagt haben, gab es in relativ kurzer Zeit viele Veränderungen. Wir sind jetzt ein großes, dem irischen Aufsichtsrecht unterliegendes Unternehmen und einer der größten Lebensversicherer in Irland. Standard Life International ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Phoenix Group Holdings plc und spielt eine wichtige Rolle in der Konzernstruktur. Die Marke Standard Life treibt das Wachstum der Gruppe in all unseren Märkten voran – mit einem klaren Schwerpunkt auf Spar- und Vorsorgelösungen für unsere Kunden. Dabei machen wir in jedem Markt so ziemlich das Gleiche und bedienen die gleiche Art von Kunden mit einem sehr gleichartigen Produktangebot über die gleiche Art von Vermittlervertrieb. Wir haben viel Geld in unsere Produktlösungen und Systeme investiert und wir haben sehr viel in unsere Mitarbeiter investiert. Wir haben unser Geschäft neu positioniert und uns in jedem Markt auf Wachstum ausgerichtet. Außerdem investieren wir in unsere Kerninfrastruktur. In Deutschland werden wir beispielsweise unsere IT- und Verwaltungsinfrastruktur modernisieren, um sie leistungsfähiger zu machen und eine Grundlage für eine stärkere Nachhaltigkeit des Geschäfts zu schaffen. Dadurch können wir unseren Kunden einen besseren Service bieten und Lösungen aus Großbritannien und Irland schneller auf den deutschen Markt bringen. Wir investieren also in das Geschäft, in unsere Infrastruktur und auch in neue Produktlösungen, um in den kommenden Jahren in Deutschland und Österreich weiter wachsen zu können.
Welche Bedeutung hat das deutsche und österreichische Geschäft für Standard Life International?
Dunne: Das europäische Geschäft besteht aus drei Bereichen: Wir bieten Offshore-Anlageprodukte in Großbritannien an. Wir haben unser irisches Inlandsgeschäft und wir haben das deutsche und österreichische Geschäft. Dabei verteilt sich das verwaltete Vermögen in etwa zu je einem Drittel auf die drei Bereiche. Wir haben in Deutschland ein betreutes Vermögen (AuA) von über zwölf Milliarden Euro. Auch wenn das Vermögen recht gleichmäßig verteilt ist, so haben wir in Deutschland dennoch eine viel größere Kundenbasis als in Irland, weil in Irland und beim Offshore-Geschäft die Kunden mehr aus dem vermögenden Segment kommen. Von den über 600.000 Kunden, die wir in unserem europäischen Geschäft haben, sind mehr als 450.000 Kunden unserer deutschen Niederlassung. Die Zahlen machen deutlich, wie wichtig das deutsche Geschäft für Standard Life International ist.
Seit Jahrzehnten legen die deutschen Lebensversicherungskunden großen Wert auf Garantien, wenn es um die Altersvorsorge geht. Das gilt auch für Fondspolicen. Können Sie als Ire diesen Wunsch nach Sicherheit bei der Geldanlage nachvollziehen?
Dunne: Ja, natürlich. In Irland und Großbritannien war es vor 15 Jahren ganz ähnlich. Dort haben wir – ebenso wie in Deutschland – in der Vergangenheit With-Profit-Produkte mit Garantien angeboten. Heute bieten wir solche Produkte auf keinem Markt mehr an. In Großbritannien bietet übrigens kaum ein Versicherer solche Produkte noch an. Wir verstehen aber die Nachfrage der Kunden. Wir sind uns bewusst, dass Garantien in der Auszahlungs- beziehungsweise Rentenphase vermutlich eine größere Rolle spielen. Wir glauben aber, dass Kunden in der Ansparphase mehr Risiken eingehen können: Renten- und Sparprodukte sind auf eine lange Laufzeit ausgelegt. Hier kann man durch langfristige Investitionen in Aktien- oder Multi-Asset-Lösungen bessere Nettorenditen erzielen. Und das ist sehr wichtig, um die Altersvorsorgeziele zu erreichen. Jetzt, wo die Zinssätze steigen, könnten sich Möglichkeiten bieten, darüber noch einmal nachzudenken. Wir sind jedoch unverändert fest davon überzeugt, dass eine fondsgebundene Lösung mit einem diversifizierten Portfolio für viele Kunden der richtige Weg ist, um langfristig Vermögen aufzubauen. In der Rentenphase sehen wir, dass Garantien eine größere Rolle spielen, da sie in dieser wichtigen Phase Gewissheit und Sicherheit bieten. Nicht unbedingt in der Ansparphase, aber auf jeden Fall in der Auszahlungsphase. Darauf liegt auch unser Hauptaugenmerk bei der Entwicklung von künftigen Lösungen.
Die EU-Kommission hat Ende Mai 2023 ihren Entwurf für eine Kleinanlegerstrategie vorgelegt. Seitdem wird in Deutschland viel über ein mögliches Provisionsverbot für Versicherungsmakler bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten spekuliert. Sie sind in Großbritannien, Irland, Deutschland und Österreich aktiv. Wenn man die Länder vergleicht: Wo funktioniert die Altersvorsorge besser? Aus Kundensicht? Aus Maklersicht?
Dunne: Das ist keine einfache Frage. Interessanterweise ist die Situation in jedem der Märkte etwas anders. In Großbritannien sind Provisionen verboten, was aber nicht bedeutet, dass Finanzberater nicht direkt vom Kunden bezahlt werden. Sie erhalten ein Beratungshonorar, das vom Anlagebetrag abgezogen und vom Produktanbieter an den Finanzberater ausgezahlt wird – was eine andere Möglichkeit darstellt, für die Dienstleistung, die sie erbringen, bezahlt zu werden. Und in Irland gibt es immer noch Provisionen, die aber vielleicht etwas transparenter sind. Deutschland ist im Umbruch und wird wahrscheinlich einige Veränderungen erleben, vor allem in Sachen Transparenz. Finanzberater in Großbritannien konzentrieren sich weitgehend auf wohlhabende Kunden. Diese Kunden erhalten eine sehr hochwertige Beratung. Kunden mit mittlerem und niedrigem Einkommen werden dagegen kaum beraten. Sie schließen Produkte ohne Beratung ab oder haben eine betriebliche Altersvorsorge, die in Großbritannien gesetzlich vorgeschrieben ist. Finanzberater haben ihr Angebot verändert. Sie sind jetzt viel stärker auf Beratung ausgerichtet. Das zahlt sich auch für die Kunden aus. Die unabhängigen Berater sind nach wie vor sehr erfolgreich. Ich bin seit 38 Jahren in der Branche. Die Finanzberater in Großbritannien haben diverse gesetzliche Änderungen erlebt und umgesetzt, und sie sind immer noch erfolgreich. Man sollte sich in Deutschland keine allzu großen Sorgen wegen neuer Vorschriften machen. Wer seine Kunden gut berät, hat es nach wie vor verdient, entsprechend dafür vergütet zu werden. Die Art und Weise der Vergütung kann sich im Laufe der Zeit ändern. Das heißt aber nicht, dass man am Ende des Tages weniger erfolgreich ist, denn der Bedarf des Kunden an hochwertiger Beratung ist unverändert vorhanden.
Letzte Frage. Was erwarten Sie für 2024?
Dunne: Insgesamt ist zu hoffen, dass sich die Krisenlagen etwas beruhigen und es weltweit zu ein wenig mehr politischer Stabilität kommt. Mehr Stabilität wünsche ich mir auch für das wirtschaftliche Umfeld. Ich glaube, dass die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht haben und zusammen mit der Inflation langsam wieder nachlassen. Was unser Geschäft anbelangt, so hoffe ich, dass in Deutschland die Entwicklung hin zu fondsgebundenen Lösungen ohne Garantien in den kommenden Jahren weiter anhält und sogar noch deutlich stärker werden wird. Wir haben uns in den letzten Jahren auf dieses Segment konzentriert und ich gehe davon aus, dass wir von dem Trend zu Fondspolicen besonders profitieren werden. Außerdem nutzen wir weiterhin die Fähigkeiten unserer Gruppe, um unser Angebot und unsere Infrastruktur in jedem unserer Märkte zu verbessern. Ich bin optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren weiter wachsen werden, denn wir sehen einen immer größeren Bedarf bei den Kunden für Beratungsleistungen und Produktlösungen, wie wir sie entwickeln.