Sie planen den Aufbau einer streng nachhaltigen Versicherungsgesellschaft. Wie sieht Ihr Fahrplan aus?
Meinhold: Um die Zulassung beantragen zu können, benötigen wir einen Kapitalnachweis in Höhe von ungefähr 4,5 Millionen Euro. Hiervon haben wir bereits über eine Million Euro eingesammelt und diese Summe auch bereits nachhaltig investiert. Unser Ziel ist es, über die Mitglieder unserer Ver.de Genossenschaft sowie ausgewählten nachhaltigen Impact-Investorinnen und -Investoren in diesem Jahr das restliche Kapital zu sammeln, um 2024 die Zulassung als Versicherung zu erlangen und als nachhaltiger Anbieter an den Markt zu gehen. Der tatsächliche Zeitpunkt hängt allerdings von der erfolgreichen Finanzierung ab: Hier freuen wir uns sehr, dass im letzten Jahr das Interesse an nachhaltigen Finanzen und auch einer nachhaltigen Versicherung nochmal gestiegen ist. Das motiviert uns, gemeinsam Ver.de an den Markt zu bringen.
Ver.de ist derzeit noch eine Genossenschaft, bietet aber bereits eine Fahrradversicherung an: Wer steht hinter dem Produkt? Oder wurde der Tarif selbst entwickelt?
Meinhold: Ver.de hat sich das Ziel gesetzt, Deutschlands erste nachhaltige Versicherung aufzubauen. Um dieses Ziel zu realisieren, wurden bereits die Ver.de Genossenschaft und die Aktiengesellschaft gegründet. Über die Ver.de Genossenschaft können sich Mitglieder an dem Vorhaben beteiligen. Da eine Genossenschaft nach deutschem Recht leider keine Versicherung betreiben darf, übernimmt die Aktiengesellschaft das tägliche Versicherungsgeschäft. Um trotzdem Mitbestimmung zu ermöglichen, hat die Ver.de Genossenschaft bereits Genussrechte an der ver.de Aktiengesellschaft gezeichnet und soll mittelfristig Hauptaktionär werden. So ist Ver.de Bike ein Produkt der Ver.de Aktiengesellschaft, welches wir in Abstimmung mit der BaFin und unserer Genossenschaft entwickelt haben. Es soll schon heute zeigen, was ein nachhaltiges Produkt alles kann, wie eine Beitragsrückerstattung bei Schadenfreiheit oder ein Upgrade im Schadensfall.
Derzeit haben Sie ja noch keine BaFin-Zulassung als Versicherungsunternehmen. Sind sie aktuell als Assekuradeur tätig?
Meinhold: Ver.de ist eine Versicherung im Aufbau. Das bedeutet, dass wir uns aktuell auf die Kapitalakquise fokussieren, um das notwendige Kapital für die Zulassung als Versicherung zu sammeln. Hierfür haben wir nun unsere erste große Mitglieder-Kampagne gestartet und bereits einige Mitglieder für die Genossenschaft gewinnen können. Diese Botschaft ist uns wichtig: Denn um Ver.de aufzubauen, brauchen wir mutige Personen in unserer Genossenschaft, die den Schritt mit uns gehen. So sind wir aktuell nicht als Assekuradeur tätig, sondern konzentrieren uns voll und ganz auf den Aufbau von Ver.de.
Mittelfristig wollen sie sich in vielen Segmenten der privaten Sachsparte etablieren. Geplant sind neben der Fahrradversicherungen zuerst Hausrat- und Haftpflichtversicherungen. Zudem arbeiten Sie aber auch an Elektronik-, Inhalt-, Wohngebäude- und Unfallschutzversicherungen sowie an Produkten für nachhaltige Branchen wie die Circular Economy oder den erneuerbaren Energie-Sektor. Wie sieht hier der Fahrplan aus?
Meinhold: Hier orientieren wir uns an den Wünschen unserer Genossenschaftsmitglieder und unserer Community. Unsere meistgefragten Produkte sind die Hausrat- und Haftpflichtversicherung und so stehen diese Produkte nach der Zulassung als Versicherung ganz oben auf unserer Liste. Aber auch die Elektronik- und Inhaltversicherung werden wir zeitnah nach der Zulassung anbieten. Für die Circular Economy bieten wir bereits ein kleines Schutzprodukt an – eine Weiterentwicklung unseres Produktes ver.de BIKE, welches auf Wunsch von Kundinnen und Kunden aus der Circular Economy entstanden ist. Diesen Schutz planen wir schnellstmöglich zu einem vollumfänglichen Versicherungsprodukt weiterzuentwickeln, denn hier fehlt es noch an passenden Produkten am Markt.
Was macht Sie sicher, dass ihr Versicherungsmodell erfolgreich sein wird? Zumal in der Sparte ja bereits einige Digitalversicherer versucht haben, sich zu positionieren und der Markt immer noch von großen etablierten Versicherern dominiert wird.
Meinhold: Mit Ver.de setzen wir von Tag 1 einen ganzheitlichen Ansatz um: Wir sind gemeinwohl-bilanziert, genossenschaftlich organisiert, legen unsere wirtschaftlichen Tätigkeiten, unsere Unternehmenskultur und unsere Kapitalanlage transparent auf unserer Webseite offen und investieren ausschließlich nach dem Prinzip des Impact Investings, wofür wir eine eigene Wirkungsmatrix zur Bewertung der Investitionen entwickelt haben. Dieser ganzheitliche Ansatz ist für bestehende Versicherungen – sowohl Digitalversicherungen als auch Digitalversicherern – nur schwer einzuholen. Das liegt einerseits daran, dass wir über die Jahre ein großes Knowhow in Sachen Wirkungsmessung und Impact Investing aufgebaut haben. Und andererseits würde es gerade für große etablierte Versicherungen einen enormen Arbeitsaufwand bedeuten, ihre gesamte Kapitalanlage, ihre Strukturen und ihr Mindset zu verändern – zumal gerade Geldanlagen von Versicherungen häufig lange Laufzeiten haben. Hier haben wir den „von Tag 1“-Vorteil, wie wir ihn nennen. Diesen nachhaltigen Ansatz kombinieren wir mit einem hohen technischen Standard, wie der Nutzung der Blockchain-Technologie für Smart Contracts oder der zukünftigen Ver.de App. So planen wir als nachhaltige Versicherung Digitalversicherern ins Nichts nachzustehen.
Zur Finanzierung: Wie kann ich mich als Kunde beteiligen? Und soll Ver.de mittelfristig in einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VvaG) umgewandelt werden oder werden sie als Genossenschaft im Markt aktiv sein?
Meinhold: Als Kunde oder Kundin kann ich, wenn ich das möchte, Mitglied in der ver.de Genossenschaft werden und so sowohl am wirtschaftlichen Erfolg als auch an den Entscheidungen über unsere Produkte und Investitionen teilhaben. Da eine Genossenschaft in Deutschland leider keine Versicherung betreiben darf, haben wir die Ver.de Aktiengesellschaft gegründet, die für das tägliche Versicherungsgeschäft zuständig ist. Aktuell ist die Ver.de Genossenschaft bereits an der ver.de Aktiengesellschaft beteiligt. Zukünftig soll sie aber weiter wachsen und Hauptaktionärin werden, um so über diesen kleinen Umweg eine genossenschaftliche Versicherung zu ermöglichen. Je mehr Mitglieder die Ver.de-Genossenschaft bekommt, desto mehr Anteile der ver.de Aktiengesellschaft erwirbt sie. Die Möglichkeit einer VvaG hatten wir im Vorfeld geprüft. Allerdings kamen wir zu dem Schluss, dass unsere Community eine Genossenschaft bevorzugt.
Stichwort Vertrieb: Wird der rein digital ausgerichtet sein oder hybrdid also auch über Vermittlerinnen und Vermittler?
Meinhold: Beides. Unser Vertrieb wird einerseits über den klassischen Maklervertrieb erfolgen, der in Deutschland nach wie vor einen großen Teil des Geschäfts ausmacht. Hier stehen wir bereits mit digitalen und klassischen Maklerinnen und Makler aus der nachhaltigen und konventionellen Branche in Kontakt. Andererseits stellen wir uns auch auf den digitalen Vertrieb ein: Hier freuen wir uns vor allem auf unsere Ver.de App, an der wir bereits fleißig arbeiten. Und zu guter Letzt setzen wir auf Kooperationen: im Bereich der Erneuerbaren Energien, der Circular Economy oder mit nachhaltigen Banken. Wir sind überzeugt, dass wir nur in Zusammenarbeit einen nachhaltigen Wandel schaffen und freuen uns, gemeinsame, sinnvolle Produkte mit Partnern und Partnerinnen an den Markt zu bringen.