Exklusiv-Interview mit Wolfgang Grupp: „Ich weiß, dass ich mein Geld selbst verdienen muss“

Wolfgang Grupp
Foto: Christoph Mittermüller
Wolfgang Grupp im Gespräch

Auf der Hauptstadtmesse der Fonds Finanz sprach Cash. mit Wolfgang Grupp, langjähriger Chef des Textilunternehmens Trigema, über den Nachwuchskräftemangel in der deutschen Wirtschaft, sein Anlageverhalten und die bisherige Bilanz der Ampel-Koalition.

Herr Grupp, der deutsche Finanzvertrieb hat große Nachwuchssorgen, der durchschnittliche Finanzvermittler ist deutlich über 50. Wie gewinnt man aus Ihrer Sicht am erfolgreichsten Nachwuchskräfte, was muss man als Arbeitgeber heutzutage bieten?

Grupp: Nachwuchsprobleme haben wir in der Textilbranche auch, die gehen nicht an uns vorbei. Bei uns ist es wahrscheinlich sogar noch schlimmer: Im Finanzvertrieb sitzt man ja die meiste Zeit am Schreibtisch oder im Auto, in der Textilbranche dagegen muss man in der Färberei stehen, man muss Nähmaschinen bedienen, das ist alles sehr schwierig. Wir würden heute sofort 100 Leute einstellen, wenn wir sie nur bekommen würden. Grundsätzlich glaube ich, dass die Werte, die ein Unternehmen in der Vergangenheit gelebt hat, bei der erfolgreichen Gewinnung von Nachwuchskräften mitbestimmend sind – zum Beispiel garantierte Arbeitsplätze, keine Entlassungen.

Sie haben zu Jahresbeginn die Firmenleitung an Ihre Kinder übergeben. Wie schwer ist es Ihnen persönlich gefallen, loszulassen?

Grupp: Ich habe Ende letzten Jahres entschieden, dass ich das Unternehmen übergeben werde. Das hat niemand von mir verlangt, ich wollte das machen. Ich bin im April 82 Jahre alt geworden und werde ja nicht jünger. Jetzt sind fast zehn Monate vergangen, und ich bereue die Entscheidung nicht. Das musste sein, man muss sein Unternehmen irgendwann übergeben. Es ist aber nicht ganz so einfach, weil man weiß, dass es jetzt nur noch eines gibt: abwarten, bis man morgens nicht mehr aufstehen kann. Es kommt nichts mehr, irgendwo ist jetzt bei mir Ende. Ich merke, dass ich körperlich langsamer werde, ich schlafe länger und werde früher müde. Aber das ist normal, das ist das Leben. Ich will auch keine 100 Jahre alt werden, denn das Leben ist dann nicht mehr lebenswert – wenn man sieht, was da draußen alles los ist. Meine Kinder haben jetzt die Verantwortung, und ich bin ab und zu sogar ganz froh, dass ich nicht mehr zu allem gefragt werde.

Die Zukunft des Finanzvertriebs wird vom digitalen Fortschritt bestimmt. Wie wichtig ist dieser Faktor eigentlich in der Textilbranche?

Grupp: Der digitale Wandel ist für uns sehr wichtig, mittlerweile machen wir 40 Prozent unseres Umsatzes online. Dort kann man ja alles viel besser finden, sehen und festhalten. Ich persönlich mache das aber nicht, das kommt dann im nächsten Leben. Einen Computer habe ich gar nicht, E-Mails verschicke ich nur übers Sekretariat. Bei mir wird alles noch ausgedruckt. Ich lese auch keine Zeitung digital. Ich will die Zeitung morgens am Frühstückstisch in der Hand halten.


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Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) in Ihrem Unternehmen?

Grupp: Da sind wir heiß drauf. Wir haben schon vor Jahren eine Firma, die im Bereich Automation forscht, mit einer über sechsstelligen Summe unterstützt. Wir brauchen Automation – und die KI, da bin ich sicher, wird einiges dazu beitragen können. In der Autoproduktion fungieren die Mitarbeiter heute ja nur noch als Aufsicht, ob alles funktioniert. Ich hoffe, dass wir in der Textilbranche endlich auch dahin kommen, denn bei uns müssen die Mitarbeiter noch alles selbst machen.

Der Schimpanse Charly in Ihrer TV-Werbung ist ja mittlerweile auch KI-generiert, oder?

Grupp: Der wird schon seit einigen Jahren digital erzeugt. Der Anlass war, dass mir Tierquälerei vorgeworfen wurde, weil der Schimpanse für die Aufnahmen im TV-Studio sitzen musste. Also haben wir ihn durch eine digitale Version ersetzt. Aber grundsätzlich gilt: Der Affe bleibt!

Wie nehmen Sie die deutsche Finanzdienstleistungsbranche als Außenstehender wahr?

Grupp: Ich nehme die Branche wahr, aber ich mache dort nichts. Bis vor fünf Jahren, als die Zinsen ins Minus gingen, hatte ich überhaupt keine Geldanlagen. Ich hatte Festgelder mit einer Verzinsung von drei bis vier Prozent bei der Volksbank, das reichte. Das war sicherer, als das Geld jemandem zu geben, der heute eine tolle Rendite verspricht und morgen alles niederreißt. Ich weiß, dass ich mein Geld selbst verdienen muss. Wenn jemand mit mir Anlagen machen will, will er damit nicht mich reich machen, sondern sich selbst. Mein Geld sind die stillen Reserven für Trigema, falls es mal wirtschaftliche Schwierigkeiten gibt.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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