Exklusiv-Interview zur Bitcoin-Krise: „Eine US-Zinssenkung könnte das Blatt für die Märkte wenden“

Steffen Bassler
Foto: SwissOne Capital
Steffen Bassler

Der Bitcoin verliert kräftig an Boden. Wie bewertet Steffen Bassler, CEO des Schweizer Krypto-Vermögensverwalters SwissOne Capital, die Entwicklung?

Der Bitcoin hat über das vergangene Wochenende etwa 10.000 Dollar an Wert verloren. Einen vergleichbar starken Kurseinbruch gab es zuletzt im Juni 2022. Was sind die Gründe für diesen Negativlauf?

Bassler: Grund dafür ist hauptsächlich die weltweite „Risk-Off“-Stimmung, also der Abverkauf vergleichsweise risikoreicher Assets. Ausgelöst wurde dieser Effekt durch die Fed-Sitzung letzte Woche mit der Ungewissheit über den Zeitpunkt und die Höhe der US-Zinserhöhung. Gleichzeitig sorgen die Zinserhöhung der japanischen Zentralbank von 0 auf 0,25 Prozent letzte Woche und die sich steigernden geopolitischen Spannungen zwischen Israel und dem Iran für starke Unsicherheit am Markt. Diese Ereignisse hatten in den vergangenen Tagen erhebliche Auswirkungen auf Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte, wobei Bitcoin um mehr als 20 Prozent und zeitweise unter die Marke von 50.000 US-Dollar fiel. Für den Rest des Marktes sah es ebenfalls nicht rosig aus: Die übrigen Kryptowährungen fielen zwischen 15 und 30 Prozent. Der Hauptgrund dafür, dass sich der Kryptomarkt im Vergleich zu den traditionellen Finanzmärkten in viel größeren Schritten bewegt, liegt an der hohen Hebelwirkung und/oder den Derivaten, wodurch größere Marktbewegungen Trader zur Schließung ihrer Positionen zwingen. Das kann dann zu einem Überverkauf oder einer Überreaktion des Marktes führen.

Was bedeutet diese Entwicklung für Krypto-ETFs? Sollten Anleger lieber die Finger davon lassen?

Bassler: Im Zuge der Zulassung von Ethereum-ETFs sehen wir, dass die derzeitige noch vorhandene Wissenslücke bei traditionellen Finanzinvestoren kleiner wird. Die Zulassung des Ethereum-ETF sowie des Bitcoin-ETF Anfang des Jahres rücken diese aufstrebende Anlageklasse in den Fokus von Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern, was zu einem steigenden Reifegrad der Anlageklasse führt. Der Bitcoin-ETF ist weiterhin enorm erfolgreich: Das kombinierte verwaltete Vermögen aller Bitcoin-ETFs hat 60 Milliarden Dollar erreicht. Bemerkenswerterweise haben die Bitcoin-ETFs in nur sechs Monaten 27 Prozent des Gesamtvermögens der physisch besicherten Gold-ETFs angehäuft, das sich auf 215 Milliarden Dollar beläuft. Der iShares Bitcoin Trust verzeichnete seit Jahresbeginn mehr Zuflüsse als der Invesco QQQ ETF und rangiert bei den jährlichen Zuflüssen auf Platz 4 unter den US-amerikanischen ETFs.


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Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat versprochen, die USA zur „Bitcoin-Supermacht“ zu machen, wenn er nach der Wahl ins Weiße Haus zurückkehren sollte. Setzt die Branche auf einen Wahlsieg von Trump im November?

Bassler: Schauen wir uns die Fakten an: Trump ist der erste US-Präsident, der Bitcoin und andere Kryptowährungen für Wahlkampfspenden akzeptiert. Trumps Wahlkampfpolitik ist sehr spezifisch: Er unterstützt die Selbstverwahrung von digitalen Vermögenswerten, lehnt digitale Währungen von Zentralbanken ab und will das Bitcoin-Mining in die USA verlagern. Dies sind feste und konkrete Vorschläge und Zusagen zugunsten von Bitcoin und Kryptowährungen. Wäre seine Rhetorik eher allgemein als spezifisch, dann würden wir seine Aussage eher in der Ecke „Wahlkampstrategie“ verorten. Diese spezifischen Empfehlungen zeigen jedoch, dass er sich viel mehr Gedanken über die Auswirkungen der Technologie auf das Land und die Industrie gemacht hat und diese auch versteht. Daher sehen wir Trump derzeit eher in der Ecke der „wahren Befürworter“. Wir beobachten immer wieder, dass Bitcoin und die dahinterstehende Technologie eine gewisse Wirkung auf viele Politiker und Skeptiker haben. Zunächst gibt es einen klaren Widerstand, wenn man nur ein oberflächliches Verständnis des Vermögenswertes und seiner Technologie hat. Sobald man sich jedoch eingehender mit dem Thema befasst und Nachforschungen angestellt hat, die den Einzelnen natürlich dazu zwingen, Vergleiche mit dem derzeitigen globalen Zentralbanksystem anzustellen, wurden in den letzten zehn Jahren viele Skeptiker zu Befürwortern. Auch wenn die Umfragen und Daten darauf hindeuten, dass die meisten Menschen Kryptowährungen weder nutzen noch besitzen – 7 Prozent der erwachsenen Amerikaner nutzten oder besaßen im Jahr 2023 Kryptowährungen (laut Federal Reserve), 28 Prozent der Republikaner besitzen oder hatten einmal Kryptowährungen gekauft (laut der Krypto-Investmentfirma Paradigm), 52 Millionen Amerikaner besitzen Kryptowährungen (laut der Krypto-Börse Coinbase) – sind sie dennoch Teil von Trumps Wiederwahlstrategie. Jüngste Daten zeigen, dass Krypto bei den Wählern in den „Swing Senate“-Staaten weit oben auf der Agenda steht und dass eine kryptofreundliche Haltung für politische Entscheidungsträger und Kandidaten positiv ist. Hiervon kann Trump profitieren.

Der Handel mit Kryptowährungen bleibt extrem schwankungsanfällig. Lässt sich derzeit abschätzen, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht?

Bassler: Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass sich diese globalen „Risk-Off“-Ereignisse schnell auflösen werden. Es ist eher davon auszugehen, dass die Marktvolatilität den Rest des Augusts anhalten wird oder zumindest so lange, bis der Markt in der zweiten Augusthälfte mehr Klarheit über die US-Geldpolitik erhält. Derzeit rechnen Anleger mit einer US-Zinssenkung im September und einer 50/50-Chance auf eine Senkung im August, die das Blatt für die Märkte wenden könnte. Bitcoin- und Kryptomärkte könnten von einer Lockerung der Geldpolitik enorm profitieren. Es ist gut möglich, dass der Markt sich derzeit ein letztes Mal ausschüttelt, bevor Bitcoin sein derzeitiges Allzeithoch von knapp 73.000 US-Dollar wieder ins Visier nimmt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Bitcoin nach einer Bewegung nach unten Anleger bei einem darauffolgenden explosiven Kursanstieg an der Seitenlinie zurücklässt.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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