Die Verbraucherzentrale Hamburg rät Studierenden davon ab, auf dem Universitätsgelände angebotene Verträge über Geldanlage- und Versicherungsprodukte abzuschließen. Aus Sicht der Verbraucherschützer gehen diese Produkte in der Regel am Bedarf der Studierenden vorbei, sind unflexibel, intransparent, erwirtschaften wenig Rendite und kosten unverhältnismäßig hohe Abschluss- und Verwaltungsgebühren. Gerade zu Semesterbeginn, aber auch während der gesamten Vorlesungszeit, seien Promotionsstände oder Seminarangebote von Finanzdienstleistern allgegenwärtig auf dem Universitätsgelände. Ziel der Unternehmen sei es, Studierende mit nützlichen Geschenken oder kostenlosen Weiterbildungen so früh wie möglich als potenzielle Kundengruppe zu erschließen. „Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die Vertriebsmitarbeitenden gezielt Studierende ansprechen und sie mit kostenlosen Seminaren zum Abfassen der Thesis, Bewerbungstraining oder der Anwendung gängiger Software locken“, so Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Ist der Kontakt dann einmal hergestellt und das Vertrauen gewonnen, versuchen die Vertriebler ihre Altersvorsorge- und Versicherungsprodukte an die Studierenden zu verkaufen.“
Die Verbraucherschützer kritisieren zudem die Praxis der Vertriebe, Ratsuchenden in den Versicherungsverträgen häufig eine viel zu hohe Dynamisierung der Beitragszahlungen unterzuschieben. Die jährliche Beitragserhöhung löse automatisch auch in Zukunft neue, stattliche Provisionszahlungen der Versicherer an die Finanzvertriebe aus. Die dadurch verursachten Abschlusskosten bewirken laut Verbraucherzentrale Hamburg, dass derartige Verträge sogar auf Sicht von über zehn Jahren noch Minusrenditen verursachen können.
Das Standard-Produkt, das Studierenden am häufigsten auf dem Campus angeboten werde, sei die Basisrente – auch bekannt als „Rürup-Rente“. Gerne werde diese als Kombination aus Altersvorsorge mit Risikoabsicherung wie einer Berufsunfähigkeitsversicherung verkauft. „Derartige Kombiprodukte maximieren aber nur die Provision der Vermittler. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es dagegen wichtig, die Risikoabsicherung und den Kapitalaufbau voneinander zu trennen. Das Leben und die Erwerbsverläufe sind nicht planbar, schon gar nicht über Jahre und Jahrzehnte“, so Klug. „Ein Rürup-Vertrag bindet Vermögen jahrelang auch in Situationen, in denen man sich vielleicht einen flexibleren Umgang mit seinem Geld wünscht, beispielsweise für die Immobilienfinanzierung, eine berufliche Umorientierung oder eigene Kinder.“
Ein Rürup-Vertrag sei nicht kündbar, das Geld werde am Ende der Ansparphase ausschließlich als monatliche Rente ausgezahlt. Aufgrund der dabei herangezogenen Kalkulationsgrundlagen der Versicherer müssten die Sparenden oft 95 Jahre und älter werden, bis sie ihre Einzahlungen in Form von Renten zurückerhalten haben. Eine Auszahlung des angesparten Kapitals als Gesamtbetrag sei bei Rürup-Verträgen nicht möglich. Das zentrale Vertriebsargument der Steuervorteile wiegt aus Sicht der Verbraucherschützer die mit dem Produkt verbundenen Nachteile nicht auf, zumal die Rente versteuert werden müsse.
Die Kritik der Verbraucherzentrale richtet sich in erster Linie gegen Vertriebe, die an Hochschulen aktiv sind. Die Verbraucherschützer haben sich einen Beispielfall des Wieslocher Finanzvertriebs MLP vorgenommen, der auf Akademikerinnen und Akademiker spezialisiert ist. Gegenüber Cash. weist das Unternehmen die Kritik der Verbraucherschützer zurück – sie sei, sowohl was Kopplungsprodukte als auch Produktkosten angeht, bereits von renommierten Wissenschaftlern widerlegt worden, teilt MLP mit und verweist auf Studien des Ifa Ulm und des Fraunhofer-Instituts.
Sachlich richtig sei vielmehr Folgendes, schreibt MLP – das Statement geben wir an dieser Stelle ungekürzt wieder:
1. Kosten von Basisrenten („Rürup-Renten“) werden vor Vertragsabschluss im Produktinformationsblatt offengelegt; dies ist gesetzlich vorgeschrieben. Kosten nur auf die Beitragshöhe zu beziehen, wie es die Verbraucherzentrale macht, ergibt keinen Sinn, weil damit die Leistung (Rendite) komplett ausgeblendet wird. Darauf verweist unter anderem das Fraunhofer-Institut in seiner Studie. Vielmehr wird damit ein Zerrbild gezeichnet.
2. Die Verbraucherzentrale hat das betreffende Produkt nicht offengelegt, dabei dürfte es sich jedoch um eine Lösung mit reduziertem Anfangsbeitrag handeln, der natürlich als solcher in den Vertragsunterlagen der Versicherer transparent dargelegt wird – und standardmäßig auch in einem Beratungsgespräch bei uns thematisiert wird. Denn es handelt sich um eine besondere Leistung des Versicherers, der gerade Studierenden, also Personen mit einem oftmals geringen Budget, einen frühzeitigen Risikoschutz gegen Berufsunfähigkeit (BU) ermöglicht. Eine Erhöhung des Beitrags dann zum Berufsstart auf knapp 100 Euro pro Monat ist absolut marktüblich. Noch dazu ist eine solche Beitragshöhe nach unseren langjährigen Beratungserfahrungen für einen akademischen Berufsanfänger in unserer Kundengruppe finanziell gut leistbar.
3. Eine Dynamisierung um zehn Prozent p. a. stellt gerade für unsere meist akademischen Kundinnen und Kunden eine wertvolle Option dar, den eigenen BU-Schutz schnell deutlich zu erhöhen, zum Beispiel bei Karriereschritten – und dies ohne eine erneute Gesundheitsprüfung. Vor der Erhöhung wird er vom Versicherer bezüglich der anstehenden Dynamisierung angeschrieben. Dann kann er diese annehmen oder ihr widersprechen. Eine Ablehnung ist bei den meisten der durch uns vermittelten Lösungen unserer Produktpartner jedes Jahr ohne Verlust der Dynamik-Option möglich; bei anderen Produktpartnern ist dies in der Regel zweimal in Folge möglich, ohne dass das Recht auf die Dynamisierung für den Versicherten erlischt. Nutzt der Versicherte seine zehnprozentige Dynamisierung zum Beispiel nur jedes dritte Jahr, ergibt sich daraus eine Erhöhung des BU-Schutzes, die in etwa der Inflationsentwicklung entspricht. In den vergangenen Jahren war die Inflation sogar deutlich höher.
4. Kopplungsprodukte sind weniger flexibel, dafür aber in quantitativer Hinsicht getrennten Lösungen mitunter deutlich überlegen – das zeigt das renommierte Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaft (ifa) in seiner Studie. Komplett außen vor gelassen hat die Verbraucherzentrale in ihrem Beispielfall auch, dass viele Kopplungsprodukte dem Versicherten eine weitere wichtige Leistung bieten: Der Versicherer übernimmt im Berufsunfähigkeitsfall auch die zukünftigen Beiträge zum Ansparen in der Basisrente, noch dazu mit einer jährlichen zehnprozentigen Dynamik, wenn diese vereinbart war. Ansonsten könnte der Versicherte beim Eintritt in den Ruhestand (Auslaufen seiner BU-Rente) nur auf seine gesetzliche Rente zurückgreifen. Bei einem frühen BU-Fall fiele diese mangels Einzahlungen sehr gering aus.
5. Vor dem Hintergrund des in Punkt 1 und 3 Dargelegten sind die von der Verbraucherzentrale Hamburg einfach hochgerechneten Abschluss- und Vertriebskosten wirklichkeitsfremd.
6. Die Flexibilität einer Basisrente („Rürup-Rente“) ist durch den Gesetzgeber ganz bewusst eingeschränkt worden, damit die Leistung – ähnlich wie die gesetzliche Rente – tatsächlich der Altersversorgung des Versicherten in Form einer Rente zugutekommt. In der MLP-Kundengruppe stellt die Basisrente (oft gekoppelt an eine BU-Rente) lediglich einen Baustein in einem breit aufgestellten Altersvorsorge-Portfolio dar, zu dem unter anderem auch flexible Lösungen wie Fonds- oder ETF-Sparpläne etc. gehören.
7. MLP erbringt keine Finanzberatung und keine daraus abgeleitete Produktvermittlung in den Räumlichkeiten von Hochschulen, sondern in unseren eigenen Geschäftsstellen. Wie andere Unternehmen auch machen wir an Hochschulen auf uns aufmerksam, vor allem im Recruiting. Die Gewinnung von Kunden erfolgt primär über digitale Kanäle.
Ob MLP mit dieser ausführlichen Gegenrede zu den Studierenden durchdringen wird, bleibt abzuwarten. Die Verbraucherzentrale Hamburg jedenfalls hat bereits eine bundesweite Informationskampagne gestartet. Man wolle aufklären über die Maschen der Finanzdienstleister, wie man sich dagegen wappnet und was man tun kann, wenn man bereits einen Vertrag unterschrieben hat, teilen die Verbraucherschützer mit. Gefördert wird die Kampagne übrigens vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Es könnte schwierig werden, dagegenzuhalten.