EXKLUSIV Wefox vor Insolvenz? „Dauerhaft geschädigt wäre der Sektor nicht“

Philipp Kanschik
Foto: Policen Direkt
Philipp Kanschik

Der neue CEO von Wefox, Mark Hartigan, soll laut britischer Medien Investoren davor gewarnt haben, dass das Insurtech noch vor August in die Insolvenz schlittern könnte. Über die Folgen einer Insolvenz für die Branche sprach Cash. mit Dr. Philipp Kanschik, Geschäftsführer von Policen Direkt.

Was würde die Insolvenz einer Branchengröße wie Wefox grundsätzlich für den Insurtech-Markt bedeuten?

Kanschik: Nicht alle Akteure in der Branche wünschen Veränderung. Die Insolvenz eines großen Insurtechs würde daher insbesondere diejenigen bestärken, die sowieso der Meinung waren, dass die Branche den frischen Wind der Insurtechs nicht benötigt. Dauerhaft geschädigt wäre der Sektor aber nicht, denn der Langfristtrend zu technologiebasierten Geschäftsmodellen bleibt intakt. Auf der Investorenseite wäre zu erwarten, dass gerade die Skepsis gegenüber scheinbar etablierteren Insurtechs größer wird und die Investoren vorsichtiger werden bzw. genauer hinsehen. Im frühphasigen Segment ist hingegen eher nicht mit Auswirkungen zu rechnen.

Ist Wefox ein Einzelfall oder ein Indiz dafür, dass die Insurtech-Branche insgesamt in der Krise steckt?

Kanschik: Es ist nicht hilfreich, von einzelnen Unternehmen auf die gesamte Branche zu schließen. Es gab zuletzt einige Gegenbeispiele von Insurtech-Finanzierungen, die auch im aktuellen Marktumfeld gelungen sind. Von einer Krise sollte man daher nicht sprechen. Fakt ist jedoch, dass die Insurtechs insgesamt hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, die mit der ersten großen Welle von Insurtech-Gründungen vor zehn Jahren aufkamen. Es hat sich gezeigt, dass sich die Versicherungsbranche viel langsamer als andere Branchen verändert. Start-ups, die auf schnelles Wachstum angewiesen sind, haben es deutlich schwerer.


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Die Insurtechs galten als Profiteure der Corona-Pandemie. Hat der Aufschwung nach dem Ende der Pandemie angehalten?

Kanschik: Die Corona-Pandemie war nach der anfänglicher Schockstarre eine Zeit, in der digitale Geschäftsmodelle aller Sektoren geboomt haben, zum Teil auch unverhältnismäßig. Aus heutiger Sicht hat sich diese Entwicklung wieder normalisiert, aber mitnichten zurückgedreht. So haben zum Beispiel viele Kunden in der Coronazeit gelernt, wie man auch ohne persönliche Vor-Ort-Termine seine Versicherungsangelegenheiten mit seinem Berater klären kann. Diese Kunden sind nach Ende der Lockdowns nicht mehr in die Büros der Agenturen und Makler zurückgekehrt. Für Insurtechs verbessert das dauerhaft ihre Aussichten. 

Welche Perspektiven haben Insurtechs in den kommenden Jahren? Verlieren sie ihr Alleinstellungsmerkmal, weil sich auch etablierte Versicherer zunehmend digital aufstellen? 

Kanschik: Die Tendenz geht schon seit längerer Zeit in Richtung Kooperation statt Konfrontation zwischen Insurtechs und etablierten Versicherern, von daher bietet die zunehmende Transformationsgeschwindigkeit der Versicherer für Insurtechs eher Chancen als Risiken. Wie die zukünftigen Perspektiven für den Insurtech-Sektor insgesamt aussehen, entscheidet sich jedoch vor allem beim Thema Künstliche Intelligenz (KI). Es ist noch nicht ausgemacht, ob Insurtechs oder die großen Konzerne stärker von den aktuellen entstehenden Technologien profitieren werden. Es ist sowohl denkbar, dass wir aufgrund von KI in den nächsten Jahren einen großen Insurtech-Hype sehen werden, als auch, dass KI die Insurtechs selbst überflüssig machen wird. Letzteres Szenario würde bedeuten, dass die etablierten Akteure der Branche weite Teile ihrer Transformation eigenständig mithilfe der großen KI-Techkonzerne durchführen und Unterstützung von Insurtechs dafür nicht benötigen, bzw. ihre Geschäftsmodelle gegen Angriffe von Insurtechs erfolgreich verteidigen können.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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