Wir hatten das Thema Überbietungswettbewerb eben schon bei der BU. Den haben Sie auch bei der Grundfähigkeitsversicherung kritisiert. Sehen Sie dort negative Tendenzen?
Franke: Nicht nur in Tendenzen. Die Anbieter sind schon wieder mit dem falschen Fokus unterwegs. Sie wollen mit Überbietungen die Vermittler für sich gewinnen und dabei verkomplizieren sie die Produkte unnötig. Aus der einfach verständlichen Alternative wird zunehmend ein sehr komplexes Produkt. Das kann für Vermittler gefährlich sein, wenn vergessen wird zu dokumentieren, warum manche Grundfähigkeiten im Leistungsfall nicht versichert sind. Ein schlankes Grundfähigkeitsprodukt ist demgegenüber für alle gut nachvollziehbar. Wir versuchen mit dem Rating gegen die schwer zu beherrschende Baustein-Philosophie zu steuern und haben 15 Kerngrundfähigkeiten definiert, die abgedeckt sein sollten.
Damit stellen wir sicher, dass Produkte mit Höchstrating alle wichtigen Grundfähigkeiten abdecken. Bei der BU und der Erwerbsunfähigkeitsversicherung gibt es eine im Wesentlichen einheitliche Kerndefinition, wodurch Fehler bei der Produktauswahl unwahrscheinlich sind. Bei der Grundfähigkeitsversicherung ist das anders. Grundfähigkeiten mit derselben Bezeichnung können je nach Anbieter unterschiedlich definiert sein. Packt man zudem alle Bausteine zusammen, sind die Produkte oft teurer als eine BU, bieten aber weniger Leistung. Das ist unsinnig.
Oft werden daher nicht alle Bausteine vermittelt, weil Kunden mit einem Budget von 50 bis 75 Euro sich nicht alles leisten können. Was passiert dann? Wenn ein Verlust einer Grundfähigkeit eintritt, die in einem nicht vermittelten Baustein versichert gewesen wäre, bleiben die Kunden ohne Leistung und Vermittler können in Schwierigkeiten geraten. Um sich abzusichern, müssten Vermittler alle Bausteine besprechen und im Protokoll festhalten, warum bestimmte Bausteine nicht gewählt wurden. Das verkompliziert die Beratung erheblich.
Wenn Sie eine BU, EU und Grundfähigkeitsversicherung in der Diskussion gegenüberstellen, fällt auf, dass die GFV als Option gehandelt wird, wenn eine BU nicht mehr geht.
Franke: Das ist eine mögliche Sichtweise. Besser wäre es, die drei aktuellen Alternativen parallel vorzustellen. Dann können Kunden mitentscheiden. Oft wird die GF aber nicht richtig erklärt. Warten wir einige Jahre ab und schauen uns das Leistungsverhalten genauer an. In der BU haben wir uns daran gewöhnt, dass 75 bis 80 Prozent der Leistungsfälle anerkannt werden. Das ist ein exzellenter Wert. Bei der EU dürften es ca. 60 bis 65 Prozent der Fälle sein.
Bei der Grundfähigkeitsversicherung fehlen uns die Erfahrungswerte. Es könnten aber spürbar geringere Anerkennungsquoten sein, wenn Kunden nicht sachgerecht beraten wurden. Es macht einen Unterschied, ob beispielsweise ein Fliesenleger nicht mehr länger als 3 Stunden knien kann, was für eine BU ausreichen könnte, oder ob er überhaupt nicht mehr dazu in der Lage ist. Entscheidend ist, wie gut das erklärt wurde. Es ist ein ähnliche Prinzip wie bei der Pflegeversicherung. Nur dass wir statt über Aktivitäten des täglichen Lebens über Aktivitäten des täglichen Arbeitens sprechen.
Aber damit wären wir bei der Erwerbsunfähigkeitsversicherung als Alternative.
Franke: In manchen Fällen ist die Erwerbsunfähigkeitsversicherung die logische Alternative zur BU. Beispielsweise, wenn Psyche abgesichert sein soll, der Preis für eine angemessene BU-Rente aber zu hoch ist. Aber auch hier muss richtig beraten werden. Bei körperlich Tätigen muss man berücksichtigen, dass sie bei Erkrankungen des Bewegungsapparats oft noch kaufmännische Tätigkeiten ausüben können. Damit läge noch keine Erwerbsunfähigkeit vor. Um eine Leistung aus einer EU zu erhalten, muss man außerstande sein, irgendeine Erwerbstätigkeit des allgemeinen
Arbeitsmarkts für mindestens drei Stunden täglich auszuüben. Ich bin ein Befürworter der Grundfähigkeitsversicherung, aber vermute, dass es viele Enttäuschungen geben wird, wenn das Produkt nicht korrekt beraten wird. Vermittler wären oft besser beraten, ihren Kunden die drei heute üblichen Lösungen, BU, EU und GF vorzustellen und die Kunden mitentscheiden zu lassen. Dann dürfte es kaum zu Haftungsproblemen kommen, dafür aber zu mehr Vertragsabschlüssen.
Es gibt immer wieder Kritik an Ihren Analysen. Welche Maßnahmen ergreifen Sie damit Glaubwürdigkeit, Transparenz und Aktualität sichergestellt sind.
Franke: Keiner im Markt arbeitet transparenter als wir. Wir bewerten ungefragt, das heißt, unabhängig davon, ob der Versicherer das möchte oder nicht. Wir beschaffen die Unterlagen und bewerten das Produkt. Jeder Versicherer oder Deckungskonzeptanbieter erhält dann von uns einen Zugang zu seiner Bewertung, über einen Link zu einer Datenbank. Dort kann er sehen, wie wir sein Produkt bewertet haben. Seit 2000 haben wir die Datenbank „fb data“, in der alle von uns analytisch verarbeiteten Informationen eins zu eins hinterlegt sind.
Jeder Versicherer mit einer Lizenz kann genau sehen, wie seine Produkte und die der Wettbewerber nach demselben Schema bewertet werden – vollständige Transparenz, bis hin zu den Fundstellen. Das führt zu ständigen Diskussionen, weil Unternehmen genau vergleichen, wie wir sie im Vergleich zu anderen bewerten. Natürlich kommt es auch vor, dass unsere Einschätzung von der des Versicherers abweicht, was unvermeidbar ist.
Sie untersuchen inzwischen auch die Nachhaltigkeitsentwicklung in Branche. Wie weit sind die Versicherungsgesellschaften dort, wenn wir auf die drei Sparten gucken?
Franke: Auf der Produktseite ist das teilweise noch Diaspora. Aber die Ideen und Angebote nehmen zu. Wir arbeiten daran, diese Punkte klar herauszuarbeiten, damit Vermittler verstehen, was wichtig ist. Spannender ist, was die Unternehmen als solches tun, denn beim Thema Wandel kann die Branche einen echten Beitrag leisten. Deshalb bewerten wir sowohl die Unternehmen als auch ihre Produkte hinsichtlich Nachhaltigkeit. Wir haben jedoch eine andere Sichtweise als der Gesetzgeber bei der Regulatorik. Es ist falsch, politische Aufgaben auf Unternehmen zu übertragen, wie die „Scope 3“-Betrachtung, bei der Unternehmen das Nachhaltigkeitsprofil ihrer Zulieferer und Investments übernehmen müssen.
Ein Beispiel: Entweder brauchen wir Kohlekraftwerke oder nicht. Wenn sie politisch legitim sind, kann man nicht sagen, dass ein Versicherer schlecht handelt, weil er solche Unternehmungen versichert. Genauso bei Waffen: Wenn sie zur Verteidigung nötig sind, ist das ein legitimes Unternehmen. Die Politik muss selbst rote Linien für jedes Unternehmen festlegen. Die Marktteilnehmer müssen sich darauf verlassen können. Das gilt insbesondre auch für Verbraucher, denen ebenfalls Aufgaben der Politik zugeschoben werden. Die Versicherungsbranche, die im Kerngeschäft ein Musterknabe in Sachen Nachhaltigkeit ist und viele nachhaltige Projekte und Initiativen versichert und finanziert, wird über Scope 3 zu schlecht eingestuft.
Wir setzen weiterhin auf Nachhaltigkeit, weil die Branche eine starke Story hat und ihren Beitrag leistet. Wichtig ist aber, dass die Branche aus der Deckung kommt und ihre Rolle im Wandel sichtbar macht.
Sie sagten in einem Gespräch, ESG ist das neue AKS. Was meinen Sie damit?
Franke: AKS war ein Thema, bei dem wir festgestellt haben, dass der Markt zu stark auf die Berufsunfähigkeit fokussiert ist, was zu einer niedrigen Absicherungsquote bei Erwerbstätigen führt. Das Produkt erreicht nicht die notwendige Reichweite, weil es sich in den letzten 20 Jahren hin zu einem Eliteprodukt weiterentwickelt hat. Um das zu ändern, muss das Thema breiter aufgestellt werden. Versicherer können solche Change-Prozesse nicht immer alleine lösen. Da greift das Kartellrecht ein.
Wenn die bestehende Nachfrage aber zu monothematisch ist, stagniert der Fortschritt. Deshalb haben wir eine Kampagne gestartet, um den Fokus zu erweitern, und zumindest die Grundfähigkeitsversicherung hat sich etabliert, was ein guter Schritt ist. Ähnlich ist es im Bereich ESG. Unsere Branche hat eine starke Story und kann einen wertvollen Beitrag leisten, aber viele Vermittler haben keine Lust, das Thema anzusprechen, da es oft kompliziert und regulatorisch überfrachtet erscheint.
Ein Rating ist dabei ein Thema, mit dem wir Stärken und Schwächen transparent machen wollen. Aber auch ansonsten muss erheblich mehr passieren Daher planen wir auch hier eine Kampagne, um das Thema greifbarer und verständlicher zu machen, damit es einfacher in Beratungsgespräche integriert werden kann.
Wie nachhaltig sind inzwischen die Produkte im Markt?
Franke: Im Bereich der Sachversicherung gibt es Möglichkeiten, etwa eine nachhaltigere Sanierung oder Beratung zu unterstützen. Auch ein Aufpreis für nachhaltigen Ersatz von beschädigten Dingen ist sinnvoll. Auch können Vermittler darüber informieren, wie das Haus nachhaltiger gestaltet werden kann. Damit allein rettet man nicht die Welt, aber die Summe diese kleinen Beiträge sollte man nicht unterschätzen. Auf der Kapitallageseite gibt es mehr Potenzial, besonders durch Investitionen in Transformationen und nachhaltige Infrastruktur.
Die Branche ist kein großer CO2-Verursacher – der meiste Papierverbrauch entsteht durch gesetzliche Vorgaben, die digitalisiert werden könnten. Aber durch ihre Kapitalanlagen kann die Branche andere Industrien unterstützen, nachhaltigere Produktionsformen zu finden. Investitionen in Infrastruktur müssen sich natürlich rentieren, aber sie leisten dennoch einen wichtigen Beitrag. Was ich nicht sinnvoll finde, ist das bloße Kaufen von Zertifikaten, um grüner zu erscheinen.
Habe ich da als Kunde vielleicht die falsche Erwartungshaltung beim Thema ESG, wenn ich grüne Produkt erwarte?
Franke: Natürlich kommen wir in Diskussionen darüber, was in der Krankenversicherung als nachhaltig gilt. Zum Beispiel: Sind Vorsorgeuntersuchungen nachhaltig, wenn sie besonders gut bezahlt werden? Das hängt stark davon ab, welche Untersuchungen es sind und ob sie tatsächlich einen Nutzen haben. Manche haben ihre Wirksamkeit noch nicht ausreichend bewiesen und verursachen hauptsächlich Kosten. Das gilt auch für bestimmte Operationen. Was ich als nachhaltig sehen würde, ist der Fokus auf mehr als nur Geldleistungen – zum Beispiel die Bereitstellung von Know-how und Beratungsangeboten. Ein gutes Beispiel ist die Reintegrationsberatung oder Zweitmeinungsportale.
Auch die Unterstützung von Unternehmen in Krisensituationen ist sinnvoll, denn nicht jeder Unternehmer weiß automatisch, wie man strategisch vorgeht. Es gibt also viele Ansätze, die im Sinne der Nachhaltigkeit möglich sind. Allerdings fehlen derzeit klare Standards, um flächendeckend zu definieren, was genau als nachhaltig gilt.
Stichwort Marktdynamik. Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Bewertung von Versicherungen in einem sich schnell verändernden Marktumfeld?
Franke: Für uns sind die Herausforderungen ähnlich wie bei den Versicherern: Je schneller sich die Produktentwicklungszyklen ändern, desto schneller müssen auch wir reagieren. Seit über 20 Jahren nutzen wir technische Unterstützung und arbeiten mit Algorithmen, die oft als KI bezeichnet werden, obwohl es sich meist um Mustererkennung handelt. Diese Technologien helfen, Prozesse zu optimieren und die Zyklen zu verkürzen. Man darf aber eins nicht vergessen.
Viele Dinge, die man technisch machen könnte, können wir in Deutschland eben nicht machen, etwa aus Datenschutzgründen. Und man muss auch sagen: KI funktioniert besonders gut bei großen Datenmengen. Obwohl wir die größte Produktdatenbank haben, sind 100.000 Produkte im Vergleich zu den nötigen Datenströmen für echte KI relativ wenig. Der Versicherungsmarkt ist daher nicht in jeder Hinsicht ideal für umfassende KI-Anwendungen, und rechtliche Vorgaben erschweren den Einsatz weiter.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei Ihnen in den Geschäftsprozessen?
Franke: Bei der Produktanalyse wird bei uns zunächst das Bedingungswerk analysiert, da es meist einen Vorgänger gibt. Neue Produkte sind selten vollständig neu, daher vergleichen wir sie mit ihren Vorgängern. Wir haben eine datenbankbasierte Systematik entwickelt, bei der unser System ein Produkt bewertet und automatisch bekannte Inhalte erkennt. So können sich unsere Analysten auf die wirklich neuen Aspekte konzentrieren.
Wenn Sie sich die Kundenbedürfnisse angucken, wie beeinflussen die eigentlich Ihre Ratings?
Franke: Wir agieren nicht direkt am Kunden, sondern auf der Produktseite, aber unsere Bewertungen sind stets aus Kundensicht gestaltet. Dafür haben wir ein fundiertes Know-how aufgebaut. Wir betrachten zum Beispiel, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Schaden in dem Bereich der jeweiligen Regelung auftritt. Manche Schäden sind selten, aber teuer, wenn sie eintreten; Andere kommen häufiger vor, sind aber kleinsummig, wie eine kaputte Brille. Nach diesem Prinzip berücksichtigen wir die Verbraucherbedürfnisse in unseren Bewertungen, basierend auf Schadenwahrscheinlichkeit und potentieller Schadenhöhe.
Sie haben es eben gesagt, es gibt Schäden, die passieren nicht ganz so häufig, die sind dann aber sehr hoch. Wie beeinflussen die Themen Corona-Pandemie oder Klimawandel ihre Ratings? Oder haben sie keinen Einfluss?
Franke: Es hat Einfluss, wenn sich die Produkte ändern. Da die Aufarbeitung noch im Gange ist, ist es nicht ganz einfach zu bewerten, wie gefährlich die Situation wirklich war. Gehen wir von einer Gefahrerhöhung aus, beeinflusst das natürlich die Produkte, meist durch mehr Ausschlüsse. Das kann dazu führen, dass wir unser Bewertungsschema anpassen müssen. Ein Beispiel sind ABC-Waffen: Anfangs hatten wir einen restriktiven Ansatz, weil kaum ein Versicherer sie ausgeschlossen hat. Als einige Versicherer begannen, Ausschlüsse einzuführen, haben wir das zunächst kritisch betrachtet.
Aber nach Gesprächen, manchmal auch mit dem GDV, haben wir anerkannt, dass es eine veränderte Risikosituation gibt. Wenn wir überzeugt sind, passen wir unser Schema an – auch bei pandemischen Entwicklungen. Unser Ziel ist nicht, ein Ratingverfahren zu schaffen, das zum Konkurs eines Versicherers führt. Manchmal sind Ausschlüsse notwendig und widersprechen nicht automatisch einem guten Rating.
Stichwort Anpassungen. Welchen Einfluss hat Brüssel auf Ihre Arbeit?
Franke: Eine gewaltige! Es betrifft nicht nur das Rating, sondern auch die IT-Dienstleistungen unsere Kollegen von der fb-research GmbH, die Prozesse vereinfachen, indem sie einheitliche Abläufe über alle Anbieter schaffen und Komplexität reduzieren. Dabei muss die gesamte Regulatorik integriert werden. Früher waren Vergleichsprogramme simpel, heute müssen Sie vorab beispielsweise Nachhaltigkeit, Geeignetheit und Risikoeinstufungen berücksichtigen, bevor Produkte verglichen werden können. Das erhöht die Komplexität erheblich.
Sie haben die Zielgruppen Versicherer und Vertrieb. Welche Innovation planen Sie, um den Nutzen Ihrer Ratings für den Vertrieb zu steigern?
Franke: Wir sehen Potenzial im Herausgreifen von wichtigen Teilaspekten. Man könnte argumentieren, dass es sinnvoller ist, das gesamte Produkt zu bewerten, aber bestimmte Themen, wie die Dienstunfähigkeitsklausel in der BU, sind für die Vermittlung besonders wichtig. Diese Einzelaspekte beeinflussen die Gesamtproduktqualität und sollten beachtet werden. Das gilt auch für nachhaltige Aspekte, die wir gezielt auszeichnen. Unternehmen, die einen Fokus darauf legen, sollten eine entsprechende Bewertung erhalten, da solche Details in der Gesamtbewertung oft untergehen. Hier können wir noch mehr Fahrt aufnehmen, da viele vertrieblich relevante Details wichtig sind.
Vor dem Hintergrund der Relevanz. Wie sehen Sie die Zukunft von Versicherungsratings in den nächsten fünf Jahren. Und welche Trends erwarten Sie in der Branche?
Franke: In unseren Ratings werden wir weiterhin Nachhaltigkeit berücksichtigen, wo immer es möglich ist. Wenn Unternehmen nachhaltig handeln, können sie aus Ratingsicht Punkte sammeln, was eine Motivation für sie darstellt. Wir reagieren schnell auf erste Trends: Sobald Versicherer nachhaltige Aspekte einbringen, integrieren wir das in unser Ratingverfahren. Wir setzen keine theoretischen Forderungen, sondern warten auf echte Entwicklungen und machen diese transparent.
Ein weiterer Trend ist, dass wir über die reine Produktbetrachtung hinausgehen und auch Unternehmensprozesse einbeziehen, um auch das Unternehmen hinter dem Produkt zu bewerten. Das tun wir bereits in der Berufsunfähigkeitsversicherung, indem wir auch die Leistungspraxis berücksichtigen. In der Kompositversicherung wird es wichtig sein, Themen wie die Combined Ratio und Preispolitik zu analysieren. Sind die Preise stabil, oder gibt es Dumping? Das sind Fragen, die künftig stärker in unsere Bewertungen einfließen.
Haben Sie den Eindruck, dass dort mit Dumpingpreisen agiert wird?
Franke: Natürlich gibt es Dumpingpreise. Die Insurtech-Phase war kein Glanzstück, denn Unternehmen haben sich Investorengelder geholt und mussten daher nicht im eigentlichen Versicherungsgeschäft profitabel agieren. Dabei haben sie sich auf Plattformen in Ranglisten eingekauft und Produkte so gestaltet, dass sie häufig auf Platz 1 landeten. Dieses Neugeschäft wurde zu künstlichen Prämien gemacht, was den Investor kurzfristig zufriedenstellt, aber langfristig defizitär bleibt. Irgendwann müssen die Preise steigen oder Verträge werden gekündigt. Wir sehen uns in der Verantwortung, auf solche Themen hinzuweisen und sie in unsere Ratings einfließen zu lassen.
Kunden, die jetzt zu Dumpingpreisen abschließen, werden später mit Preissteigerungen oder Kündigungen konfrontiert. Das schadet dem Image der Branche und benachteiligt solide kalkulierende Unternehmen, die gezwungen sind, ihre Tarife sinnvoll zu kalkulieren. Eine unsolide Kalkulation kann nie gut für eine Branche sein, die auf Vertrauen basiert. Das sind, wie ich finde, deutliche Fehlentwicklungen.
Herr Franke, herzlichen Dank für das Gespräch.