Expat-Versicherer April im Interview: „Das Prämienvolumen mindestens verdoppeln“

Foto: April
Matthias Hentschke: „Als Assekuradeur haben wir das richtige Modell, um flexibler auf Marktänderungen einzugehen.“

Der französische Expat-Versicherer April International hat große Pläne für den deutschen Markt und eine deutsche Dependance in Köln gegründet. Ein Gespräch mit Matthias Hentschke, April-Vertriebsdirektor in Deutschland über das Versicherungsmodell, die Wachstumspläne, die Herausforderungen des Expat-Geschäfts und warum wir Deutschen beim Thema Krankenversicherung und Digitalisierung etwas anders ticken als unsere französischen Nachbarn.

Herr Hentschke, wer ist April und wo liegen die Wurzeln?
Hentschke: Gegründet wurde die Gesellschaft Ende der 80er Jahre in Lyon und ist seitdem mit einem Sitz in Paris, in weiteren Hauptstädten und 18 Ländern von Kanada bis Singapur weltweit gewachsen. Man könnte April hierzulande mit einem Assekuradeur vergleichen. Allerdings makeln wir sowohl in Richtung Kunden als auch Risikoträger, verbinden also Kunden und Risikoträger. April ist in einer der Marktführer in Europa in dem Segment mit einem Jahresumsatz von fast 600 Millionen Euro und arbeitet beinahe ausschließlich über die Maklerschiene mit einem weltweiten Vertriebsnetz von rund 20.000 Maklern. Mit dem neuen Shareholder, der Investmentgesellschaft KKR, wollen wir ein europäischer Champion auf internationaler Bühne werden.

Seit dem November 2022 gibt eine Dependance in Köln. Wie sehen die Pläne für den deutschen Markt aus?
Hentschke: Wir sind zwar seit November 2022 in Köln, aber nicht neu im deutschen Markt. Insofern starten wir nicht bei null. Bereits in den vergangenen Jahren haben wir gesehen, dass der Bedarf an unseren Produkten und Serviceangeboten da ist. Also hatten wir bereits in Paris ein kleines deutschsprachiges Team aufgebaut, das von dort aus in den deutschen Markt hineinarbeitet. Wir arbeiten definitiv mit schwarzen Zahlen, hatten schon 2022 unsere Kundenzahlen fast verdoppelt und planen für Deutschland langfristig mit zweistelligen Wachstumsraten. Aktuell bauen wir das Büro in Köln aus und stocken das Team auf, hauptsächlich in den Bereichen Maklersupport und Services. Wir flanschen Deutschland an das zentrale französische Team an. Als Frontend, das den deutschen Markt mit internationalen Produkten bedient. Zudem soll Köln die Teams in Frankreich beim Underwriting unterstützen.

Die Wachstumspläne klingen ambitioniert, zumal der deutsche Markt hochkompetitiv ist und die Kunden preissensitiv. Wie wollen Sie sich angesichts bekannter Wettbewerber hier im Markt positionieren?
Hentschke: Warum geht Tesla nach Deutschland? Wer hier besteht, besteht locker weltweit. Wir haben unsere weltweite Expansionsstrategie insofern angepasst, als dass wir hier erstmals eine Gesellschaft aufbauen, die auf den Plattformen der französischen Mutter aufsetzt. Wir wollen zusätzlich zu den Akquisitionen, die wir in den anderen Ländern betreiben, hier mehr in den Selbstaufbau gehen. Hierzulande sind die Menschen bereit, gutes Geld für gute Leistung zu zahlen. Aber nur dann, wenn sie etwas dafür bekommen. Insofern ist die Preissensitivität nicht daran gebunden, dass sie nichts ausgeben wollen. Da sehen wir uns als Newcomer in einer guten Position. Individualisierung und Technologie sind Themen, die wir uns bereits seit einigen Jahren auf die Fahnen geschrieben haben. Das sind Trends, die im Versicherungsbereich immer wichtiger werden. Aber im Nischenmarkt noch gar nicht so richtig besetzt sind. Wir als Assekuradeur haben das richtige Modell, um flexibler auf die Marktänderungen einzugehen.

Funktioniert das Expat-Geschäft in Frankreich anders als in Deutschland?
Hentschke: Ja. In Frankreich gibt es eine gesetzliche Auslandskrankenversicherung, die CFE. Das bedeutet, dass Franzosen, wenn sie ins Ausland gehen, mit Abstrichen gesetzlich versichert bleiben. Es gibt dann eine Zusatzversicherung, die auf der gesetzlichen Krankenversicherung aufbaut. Das ist ein System, was wir in Deutschland gar nicht haben. Während es in Deutschland eine hohe Vollkasko-Mentalität auch in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, sieht es in Frankreich anders aus. 85 Prozent der Leute sind hierzulande gesetzlich versichert. Auch diejenigen, die ins Ausland gehen. Diese Personen müssen erst einmal lernen, was es bedeutet, privat versichert zu sein. Der Unterschied hierzulande ist die Loyalität der Kunden. Viele kritisieren ihre Versicherung, aber wechseln sie nicht. In Frankreich ist die Volatilität deutlich größer. Doch der Anteil der emanzipierten Kunden steigt hierzulande. Auch weil die Leute nicht nur über den Versicherungsmakler beeinflusst werden, sondern immer stärker über Foren oder soziale Medien. Was wir zudem feststellen, ist, dass die Digitalisierung im Versicherungswesen in Frankreich deutlich fortgeschrittener ist. Hierzulande werden immer noch sehr viele Anträge über Papier abgewickelt. In Frankreich werden rund 80 Prozent der Policen über Makler digital abgeschlossen, hierzulande sind es keine 40. Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den Märkten.

Sie sind Versicherungsmakler und bieten Kreditversicherungen, internationale Krankenversicherungen, Sach- und Unfall-Nischenversicherungen sowie Vermögensverwaltung für Unternehmen, Selbstständige und Privatpersonen. Wo liegt der Schwerpunkt des Geschäfts?
Hentschke: In Frankreich ist die Gruppe ein Großhandelsmakler und bietet dort Personen-, Kranken-, Lebens-, Unfallversicherung ebenso wie die Vermögensverwaltung an. Es ist eine Mischpalette mit dem Sinn, dem Kunden einen ganzheitlichen Service zu bieten. In der internationalen Krankenversicherung mit der Tochtergesellschaft April International, mit der wir uns nun auch auf den deutschen Markt konzentrieren, bieten wir hauptsächlich Krankenversicherung für Expats an. Aber man kann in dem modularen System auch Lebens- und Unfallversicherung oder auch Privathaftpflicht- und Rechtsschutzversicherungen bei Bedarf zu wählen. Letztlich sind wir ein One-Stop-Shop, bei der Kunde sich das aussucht, was er benötigt.

Wo liegen die Herausforderungen im Expat-Geschäft?
Hentschke: Aus dem Verkäufermarkt wird ein Käufermarkt. Wir sehen, dass der Kunde immer individuellere Anforderungen an die Produkte hat. Er will nicht mehr nur von der Stange kaufen. Ein 30-jähriger Single, der ins Ausland geht, hat ganz andere Anforderungen an eine Versicherung als eine Familie mit zwei Kindern. Da geht es um Sicherheit und Absicherung. Oder die Digitalnomaden: Diese Gruppe hat eine ganz andere Toleranzgrenze, wann sie zum Arzt geht, als ein deutscher Frührentner in Spanien. Das sind Herausforderungen, denen wir durch ein modulares Setup begegnen. Wir können aus 700 Kombinationsmöglichkeiten über ein digitales Tool den Kunden genau das zusammenstellen, was sie benötigen. Wir versuchen den Markt über den individualisierten, technologiebasierten Ansatz zu besetzen. Wir bieten einen reinen Onlineabschluss – von der Angebotsberechnung, über die Gesundheitsfragen bis hin zur Policierung. Das ist deshalb interessant, weil wir die ganzen Prozesse darauf ausgerichtet haben, in Schnittstellen über das Online-Tool automatisiert weiter zu versichern. Ich bin in Deutschland privat krankenversichert. Und reiche über meine App die Rechnung ein. Am nächsten Tag bekomme ich eine Mail, dass meine Rechnung innerhalb der kommenden vier Wochen bearbeitet wird. Das ist ein gutes Beispiel, weil es ein schlechtes Beispiel ist. Man sieht, dass mit der Digitalisierung etwas nicht funktioniert. Die Geschwindigkeit, die man anfangs hatte, geht komplett in den internen Prozessen verloren. Wir versuchen die Informationen schnell digital zu verarbeiten, um dann auch schnell im Kundenservice zu sein, um dann die Versorgung im Ernstfall Schritt für Schritt von der Telemedizin bis zur Behandlung zu sichern.

Wer ist Produktlieferant und wer Risikoträger für die Produkte?
Hentschke: Wir entwickeln unsere Produkte selbst. Wir machen das Underwriting, den Vertrags- und Leistungsservice und auch die Assistance. Wir steuern auch die Renewals und das Aktuariat. Risikoträger im Krankenversicherungsgeschäft ist die GAN, eine Tochtergesellschaft der Groupama Gambier. Das ist ein international tätiger französischer Versicherungskonzern mit rund 16 Milliarden Euro Umsatz 2022, zwölf Millionen Kunden und 30.000 Mitarbeiter und ein Schwergewicht in Frankreich. Darüber hinaus arbeiten wir projektbezogen mit anderen Playern, den meisten Versicherern in Europa und Deutschland zusammen. Im Bereich Lebens- und Sachversicherungen ist die Chubb unserer Partner. Das sind verlässliche Partner, die wir als Risikoträger haben.

Welche Ziele peilen Sie für 2023 an?
Hentschke: Unser Ziel ist es, einer der führenden Player im Krankenversicherungsmarkt zu sein. Dafür sind wir angetreten. Und wir denken, dass wir bis Jahresende unser Prämienvolumen mindestens verdoppeln werden. Durch die personellen Verstärkungen werden wir nun auch sehr intensiv in den Markt hineingehen können. Zudem haben wir die Daten für Deutschland sehr genau analysiert und festgestellt, dass wir in Deutschland ein anderes Schadenverhalten haben. Die Deutschen sind anders unterwegs, haben andere Zielländer. Vor dem Hintergrund können wir unsere Produkte maßgeschneidert und preislich attraktiv anbieten. Das dürfte uns einen weiteren Schub verleihen.

Das Interview führte Jörg Droste, Redakteur und Ressortleiter Versicherungen bei Cash.

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