Expatriates in Kriegs- und Krisenregionen: Was Unternehmen wissen sollten

Foto: BDAE
Omer Dotou, Leiter der BDAE-Unternehmensberatung

Geopolitische Risiken haben sich in den vergangenen Jahren als die größten Gefahren für Expatriates erwiesen. Die Coronapandemie hatte diese zunächst in den Hintergrund treten lassen. Doch mit dem Ukraine-Russland-Krieg sind sie präsenter denn je. Firmen und Institutionen mit Personal in sicherheitsvolatilen Regionen sollten sich mit den Gefahren aktiv auseinandersetzen und ihr Sicherheitskonzept überprüfen. Dazu gehört auch die Expat-Krankenversicherung. Darauf weist die BDAE Gruppe hin.

Nach Angaben der BDAE-Gruppe häuften sich bereits seit Anfang des Jahres bei der Unternehmensberatung der Gesellschaft anfragen, inwieweit es ratsam sei, gegenwärtig Mitarbeitende in der Ukraine und/oder Russland einzusetzen.

„Bereits seit 2014 gilt die Ukraine als Krisengebiet und deshalb haben Unternehmen, die Personaleinsätze in diesem Land planten, eine gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern, die sie vor Ort einsetzen“, sagt Omer Dotou, Leiter der BDAE-Unternehmensberatung.

Gesteigerte Fürsorgepflicht für Expats in Krisenregionen

Laut §618 BGB seien Arbeitgeber dazu verpflichtet „Dienstleistungen, die unter ihrer Anordnung oder ihrer Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leib und Leben geschützt ist…“ Damit einher gehe laut Douto auch eine Informationspflicht. Heißt: Bei Einsätzen in kritischen Regionen muss der Arbeitgeber seine entsandten Arbeitnehmenden im Vorfeld bestmöglich aufklären und auf Gefahren hinweisen. Diese Informationspflicht gelte sowohl im Vorfeld der Entsendung als auch fortlaufend und regelmäßig während des Auslandsaufenthalts, so Dotou.

Notfallkonzept essenziell bei Personaleinsätzen in volatilen Regionen

Im Fall der Ukraine bekam diese Verpflichtung besondere Bedeutung, als die Gefahr in Zusammenhang mit der Russland-Krise zunahm. Die Informationen müssen dabei vollständig sein, so dass Mitarbeitende nicht selbst recherchieren müssen, sie müssen bereits vor der Abreise zur Verfügung gestellt werden, angemessen und aktuell sein und die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes wiedergeben.

„Spätestens am 11./12. Februar – als sowohl die Bundesregierung als auch die US-amerikanische Regierung ihre Bürgerinnen und Bürger dazu aufrief, die Ukraine zu verlassen – hätten auch Unternehmen ihre Expats aus dem Land holen müssen“, so Dotou weiter.

Unternehmen mit Personaleinsätzen in Krisenregionen sollten außerdem grundsätzlich ein Notfallkonzept im Vorfeld erarbeitet haben, das skizziert, wie und unter welchen Umständen Expats schnell zurückgeholt werden können. Um dieses Konzept und die entsprechenden Notfallpläne im Ernstfall auch umsetzen zu können, sollten Spezialisten einbezogen werden, die hierbei behilflich sein können, insbesondere sofern ein Arbeitgeber das Krisenmanagement nicht allein abbilden kann.

Auf passives und aktives Kriegsrisiko im Versicherungsschutz achten

Besonderes Augenmerk sollten entsendende Firmen auch auf die Expat-Absicherung legen. Tatsächlich schließen einige Anbieter von Auslandskrankenversicherungen das sogenannte passive Kriegsrisiko aus. Das bedeutet, dass Versicherer bei Erkrankungen oder Verletzungen, die aufgrund von Kriegsereignissen entstanden sind, nicht mehr leisten. „Seit vielen Jahren weisen wir darauf hin, dass passives Kriegsrisiko bei Auslandskrankenversicherungen für Expats stets im Versicherungsschutz enthalten sein sollte“, sagt BDAE-Produktentwicklerin Larissa Stuhlmacher.

Larissa Stuhlmacher, BDAE

Üblich sei es hingegen, dass aktive Kriegsrisiko vom Versicherungsschutz auszuschließen. Hierbei gilt grundsätzlich, dass bei einem aktiven Kriegsrisiko keine Leistungspflicht besteht, bei passivem Kriegsrisiko jedoch schon. Wer also beispielsweise in der Ukraine oder In Russland aktiv zur Waffe greift oder sich offiziellen Anordnungen zum Schutz der eigenen Sicherheit widersetzt, begibt sich in ein aktives Kriegsrisiko.

Wer jedoch ohne eigene Kampfhandlungen zu Schaden kommt, genießt weiterhin Versicherungsschutz. „Ob Expats trotz der Gefährdungslage vor Ort ausreisen oder nicht, hat dabei grundsätzlich keinen Einfluss auf die Leistungspflicht im Versicherungsfall – mit Ausnahme des aktiven Kriegsrisikos“, so Stuhlmacher weiter.

Medizinische Assistance im Kriegsfall nur eingeschränkt möglich

Ein wichtiger Bestandteil vieler Auslandskrankenversicherungen sind dabei auch die medizinischen Assistance-Leistungen, die unter anderem sicherstellen, dass Personen bei Krankheit oder nach einem Unfall nach Hause oder in ein Krankenhaus transportiert werden, um eine angemessene medizinische Versorgung zu erhalten. Kommt es zu massiven zivilen Unruhen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen oder einem Krieg, können Krankentransporte nur unter erschwerten Bedingungen realisiert werden.

Dies hatte bereits die Coronapandemie gezeigt, als Assistance-Dienstleister wegen der geschlossenen Grenzen nur mit Hilfe von Botschaften und Regierungsmitgliedern Flüge organisieren konnten. Im Fall eines in der Ukraine erkrankten Expats kann jedoch faktisch aufgrund des Flugverbots und Kriegszustandes eine solche Leistung nicht erbracht werden. Ähnliches gilt aktuell für ausländisches Personal in Russland.

Der Ukraine-Russland-Krieg zeigt vor allem eines: Unternehmen, die Mitarbeitende im Ausland einsetzen – egal wo – sollten geopolitische Risiken grundsätzlich und bei jedem Auslandseinsatz mit einkalkulieren und sich bei ersten Warnzeichen sowohl mit dem Versicherungsschutz ihrer Expats als auch mit ihren Notfallplänen auseinandersetzen.

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