Experten-Talk Baufinanzierung: „Es ist spannend, wie das New Normal funktioniert“

Sie haben es gerade gehört. Es lief sensationell, letztes Jahr bei den Baufinanzierern und den Finanzierungspartnern. Ist das Geschäft auch bei Ihnen angekommen, Herr Schrobback?

Schrobback: Ja, es ist bei uns angekommen. Und umgekehrt ist es natürlich durch unsere Vertriebspartner und durch unseren Inhouse-Vertrieb zu den Banken gekommen. Also ich kann meinen Vorrednern hinsichtlich des Baufinanzierungsgeschäftes nur zustimmen. Es lief dahingehend auch bei uns im letzten Jahr sensationell.

Wir haben im Vergleich zu 2019 einen Wachstumsschub von über 22 Prozent erzielt – trotz Corona, trotz Lockdown und trotz zweimonatigem Nullumsatz. Beim ersten Lockdown hatten wir die Problematik, dass erst mal alles neu war und teilweise die Vermittler und Vertriebe ihre Homeoffice- und Digitalisierungsprojekte völlig überstürzt vorangetrieben haben. Wir selbst waren personell stark beeinträchtigt durch Quarantäne, durch Reisebeschränkungen, durch Kontaktsperren, durch kranke Mitarbeiter, durch Kunden, die aus Angst vor direkten Kontakten die Beratungstermine verschoben oder abgesagt haben.

Die Unsicherheit bei den Kapitalanlegern in Bezug auf die Zukunft, besonders bezüglich möglicher Kurz- oder Arbeitslosigkeit – war im Frühjahr 2020 schon ein großes Thema. Damit hatten wir und auch viele Vertriebspartner anfänglich stark zu kämpfen. Das hat sich allerdings ab Sommer, etwa ab Juli, komplett ins Gegenteil verwandelt. Der Juli war sogar der stärkste Umsatzmonat der gesamten Unternehmenshistorie.

Engel: Im letzten Jahr habe ich trotz Corona einen Umsatz von über 100 Millionen Euro prognostiziert. Aus heutiger Sicht eine sehr konservative Vorhersage. Schließlich liegt unser Unternehmensumsatz bei 117 Millionen Euro, welches ein Plus von über 50 Prozent gegenüber 2019 darstellt. Darüber hinaus gab es bei uns eine weitere Entwicklung, die ebenso erstaunt. Bezogen auf die Mitarbeiteranzahl haben wir unser Team um 75 Prozent verstärken können – und dies während Corona.

Obwohl ich eigentlich von einer Stagnierung des Geschäfts ausgegangen war, wurde während dieses Zeitraums bei uns der meiste Umsatz getätigt. Und auch der Januar 2021 war bereits 30 Prozent besser im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Erfahrungen der Kollegen aus der Baufinanzierung kann ich absolut teilen. Offensichtlich saßen viele Menschen zu Hause und konnten sich das erste Mal richtig Gedanken über Investmentprodukte machen.

Vermutlich ist die Immobilie dabei immer mehr in den Fokus geraten, weil sich viele die Frage gestellt haben: Was wäre gewesen, wenn ich drei abbezahlte Immobilien als Kapitalanlage gehabt hätte? Dann hätten sie über ein passives Einkommen verfügt, wodurch etwaige Abschläge beim eigenen Gehalt bestimmt weitaus weniger dramatisch gewesen wären.

Was waren denn die überragenden Trends in 2020 im Bereich Wohnimmobilien aus Ihrer Sicht?

Engel: Man muss sicherlich unterscheiden zwischen Neubau und Bestand. Während das Geschäft im Neubausegment eher schleppend verlief, brummte das Bestandsgeschäft, in dem auch wir tätig sind. Wir haben von den Folgen des Lockdowns so gut wie nichts gespürt. Ich denke, dass viele Menschen für eine Bestandsimmobilie sensibilisiert wurden, da sie bereits ab Kauf einer solchen einen sofortigen Cashflow in Form von Mieteinahmen generieren.

Diese Entwicklung kam nur deshalb zustande, weil das Investment in Wohnimmobilien während Corona so stark in den Fokus gerückt ist. Das gilt auch für Investoren aus dem Gewerbebereich, die sich nun Wohnimmobilien zugewandt haben. Die weiter steigenden Kaufpreise in Pandemiezeiten sind ein deutliches Zeichen dafür.

Schrobback: Ich kann das ebenfalls bestätigen, die fremdvermietete Bestandswohnimmobilie hat ganz klar in 2020 die stärkste positive Entwicklung gezeigt und sich für private Käufer zum „Trend“ im Wohnimmobiliensegment entwickelt.

Wir haben deutlich die Bewegung hin zur Assetklasse Wohnen registriert. Die Presse hat dabei ihr Übriges dazu getan. In der Tat sind viele Investorengelder aus den Assetklassen Light Industrial, Gewerbe und Büro umgeschwenkt und ins Wohnimmobiliensegment gewechselt. Wir haben diese Verschiebung eher bei unseren Endkunden deutlich gemerkt.

Es gab eine große Zahl von privaten Kapitalanlegern, die sehr viel mehr kleinere Bestandsimmobilien als Denkmalimmobilien nachgefragt haben. Die Gewichtung ist daher bei uns im letzten Jahr gekippt, von mehr Denkmal- zu mehr Bestandsimmobilien. Diese Entwicklung hält an und deshalb müssen wir mit den Produkten natürlich jetzt im Ankauf auch nachlegen.

Aktuelle Studien sagen, dass ungefähr ein Drittel der Menschen bei einer weiterhin möglichen Nutzung von Homeoffice überlegen, in die Peripherie oder auf das Land zu ziehen. Ist das eine Tendenz, die Sie auch sehen beziehungsweise möglicherweise bereits im Geschäft spüren?

Hein: Wir spüren es tatsächlich noch nicht. Aber ich würde auch schon prognostizieren, dass dieser Trend noch stärker zu spüren sein wird. Kürzlich gab es auch eine Umfrage von Deutschlands führendem Hybrid-Immobilienmakler McMakler unter Maklern.

Die Meinung dazu ist derzeit noch gespalten. Die einen sagen, die Nachfrage wird eher in die Peripherie gehen, die anderen erwarten dies nicht. Ich glaube schon, dass es passieren wird, weil aus dem Blickwinkel von Eltern mit Kindern heraus, mehr Möglichkeiten auf dem Land bestehen, auch mal aus dem Haus zu gehen oder den Garten zu nutzen und die Eltern parallel auch über das Homeoffice den Kontakt zum jeweiligen Arbeitgeber halten können. Aus Arbeitgebersicht ermöglicht Homeoffice, neue Mitarbeitergruppen anzusprechen, etwa aus dem Bereich IT und dies auch überregional und nicht nur im unmittelbaren Umfeld des Unternehmens.

Das eröffnet unter Umständen ganz neue Märkte. Und es wird spannend sein zu sehen, wie das im New Normal funktioniert.

Kümpel: Corona hat etwas ins Rollen gebracht, was zuvor bereits als zartes Pflänzchen erkennbar war. Es wird wohl künftig kaum einen Bürostandort mehr geben, der zu 100 Prozent ausgelastet sein wird. Der Trend weg vom klassischen Büroalltag hin zu einer flexiblen Nutzung von Büroarbeit und Homeoffice wird sich verstärken.

Voraussetzung ist natürlich, dass es eine gute Wohn- und IT-Infrastruktur am Stadtrand oder im ländlichen Umland gibt. Ein gutes Beispiel im Berliner Raum ist Wittenberg. Durch eine gute ICE-Anbindung ist man in knapp 30 Minuten am Berliner Hauptbahnhof. Besonders für Menschen, die aus den alten Bundesländern pendeln, ist Wittenberg angesichts des angespannten Immobilienmarktes in Berlin nun als Wohnort interessant. Diese Entwicklung war vor drei, vier, fünf Jahren noch nicht absehbar.

Engel: Auf Dauer wird ein Hybridmodell aus Office und Homeoffice attraktiv sein. Es gibt Menschen, die können oder wollen nicht zu Hause arbeiten. Und es gibt ganz viele, die gerne von zuhause arbeiten würden. Entsprechend muss man sich als Anbieter beider Varianten positionieren. Denn viele Menschen werden natürlich schauen, dass sie noch ein zusätzliches Zimmer/Arbeitszimmer haben, um für alle Fälle gerüstet zu sein.

André Lichner, Prohyp: „Viele Menschen haben sich verstärkt damit beschäftigt, wie sie eigentlich wohnen möchten und als Folge mitunter einen Finanzierungsantrag gestellt. Der Wert eines eigenen Zuhauses ist ihnen bewusster geworden, weil sie schlichtweg mehr Zeit zu Hause verbracht haben.“ Foto: Prohyp

Lichner: Wir beobachten, dass sich Wohnwünsche zum Teil verändern. Dass sich also einige Immobilieninteressenten mit Blick auf neue Homeoffice-Lösungen zum Beispiel vorstellen können, weiter entfernt vom Arbeitsplatz in der City zu wohnen als ursprünglich geplant und dafür mehr Platz zu haben. Die völlige Unabhängigkeit vom Wohnort zum Arbeitsplatz ist in mehr Berufen als früher keine Utopie mehr.

Was wir ebenfalls gemerkt haben: Viele Menschen haben sich verstärkt damit beschäftigt, wie sie eigentlich wohnen möchten und als Folge mitunter einen Finanzierungsantrag gestellt. Der Wert eines eigenen Zuhauses ist ihnen bewusster geworden, weil sie schlichtweg mehr Zeit zu Hause verbracht haben.

Also werden wir eine Sonderkonjunktur für den Wohnimmobilienmarkt durch Homeoffice erleben?

Schrobback: Ja und Nein, es wird natürlich Vieles flexibler und räumlich unabhängiger werden. Der Büroalltag wird aus meiner Sicht durch das Homeoffice aber niemals vollständig ersetzt werden können. Gegenwärtig ist es einfach eine Lösung, die aufgrund der Rahmenbedingungen durch Corona bestimmt wird.

Aber ich bin fest davon überzeugt, dass viele Menschen besonders den sozialen, direkten Kontakt und den persönlichen Umgang und Austausch mit Kollegen schätzen, durch den eine Firma oftmals erst funktioniert. Ich bin überzeugt, dass die Homeoffice-Nutzung tendenziell eher wieder zurückgehen wird, sobald wir den Höhepunkt der Pandemie einmal hinter uns haben und die Fallzahlen dauerhaft sinken.

Hein: Der Meinung bin ich auch. Künftig gilt es, das eine zu machen, aber das andere nicht zu lassen. Wenn der Arbeitgeber mehr Homeoffice oder mobiles Arbeiten anbietet, muss er auch Gelegenheiten schaffen, dass die Teams sich austauschen und sich persönlich treffen können. Eine 100-Prozent-Homeoffice- oder Mobiles-Arbeiten-Quote ist für mich unrealistisch. Aber der Anteil wird definitiv zunehmen.

Engel: Vielleicht abschließend noch ein Aspekt, der auch nicht zu unterschätzen ist: Besonders bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wir haben im letzten Jahr in dieser Hinsicht stark aufgestockt – wird es nicht ohne Büropräsenz gehen.

Kommen wir zum Thema Eigentumsbildung und dem Stichwort Eigentumsquote. Bei letzterer ist Deutschland beinahe Schlusslicht im europäischen Vergleich. Ein schwieriges Thema hierzulande offensichtlich. Sehen sie mittel- oder auch nur langfristig eine Trendwende?

Lichner: Ich denke, es ist auch eine Mentalitätsfrage. Die Deutschen sind nicht unbedingt ein Volk der Sachwerte-Liebhaber. Aktien, Immobilien etc., das ist nicht unbedingt als mögliche Kapitalanlage bzw. Altersabsicherung in allen Köpfen verankert.

Ich habe eine Zeit lang im Ausland gelebt, wo es völlig anders läuft. Man startet mit einer kleinen Immobilie und steigt dann die property ladder, die Immobilienleiter, immer weiter hinauf. Das Kaufen und Verkaufen von Objekten ist dort viel verbreiteter. Als beispielsweise Freunde aus London nach München zogen, war es für sie selbstverständlich, gleich eine Immobilie zu kaufen. Meine Frau und ich dagegen haben etwas länger gebraucht, bis wir gekauft haben. Es war für uns zunächst nicht im Mindset.

Zudem sind die Hürden für den Eigentumserwerb in Deutschland hoch, etwa in Form der Nebenkosten. Auch ist die Bürokratie mitunter mühsam. Es macht nicht wirklich Spaß, schnell Eigentum zu erwerben und wieder zu verkaufen. Es sind also zum einen ökonomische Gründe, die eine Rolle spielen, aber es hat auch viel mit der Einstellung zu tun.

Hein: Das stimmt sicherlich ein Stück weit. Dennoch glaube ich, dass das Angebot viel zu gering ist. Wenn wir uns Nachfrage und Angebot ansehen, dann ist die Nachfrage um ein Vielfaches höher als das Angebot. Wir könnten im Ranking der Eigentumsquote schneller nach vorne kommen, wenn mehr Angebot da wäre.

Aber es gibt diesbezüglich leider mehrere Flaschenhälse. Selbst, wenn dann das Angebot und auch die Baugenehmigung da sind, ist das Objekt noch lange nicht gebaut. Es braucht ein Bauunternehmen und Handwerker, die verfügbar sind. Das ist heute ein sehr schwieriges Unterfangen. Das führt dazu, dass viele Bauvorhaben trotz Baugenehmigungen noch gar nicht umgesetzt wurden. Neben dem Thema Mindset kommen da noch viele andere Faktoren zusammen.

Schrobback: Das sehe ich ähnlich. Wir kommen immer wieder auf die gleichen Ursachen zurück und die exakt gleiche Situation wie beispielsweise bei der Mietpreisbremse oder dem Mietendeckel. Alles ist nur die Bekämpfung von Symptomen. Der Grund für die Problematik liegt viel tiefer, nämlich und einzig und allein, wie Herr Hein schon sagte, in dem viel zu geringen Wohnungsangebot in den Städten. Nur durch mehr Wohnungsbau würde sich die Lage entspannen, und Themen wie Gentrifizierung oder steigende Mieten wären dann obsolet.

Aber der Markt wird immer nur mit Verboten und Restriktionen überzogen. Neuer Höhepunkt in diesem politischen Kasperletheater ist jetzt das Baulandmobilisierungsgesetz mit dem darin enthaltenen Umwandlungs- und Aufteilungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen. Mal wieder geht das an der Lösung des Problems völlig vorbei. Gibt es dann doch einmal mehr Wohnungsbau, wird dieser torpediert, weil die Genehmigungsprozesse zu lange dauern.

Kümpel: Gerade im mittleren Preissegment sind Angebote für Normalverdiener und Familien enorm wichtig. Hier muss die Neubauquote deutlich wachsen. Es gibt ja durchaus ausreichend Beispiele für die Möglichkeit, mittels Regulatorik bei Neubauprojekten einen gewissen Anteil geförderten Wohnraum aufzusetzen – auch in Ballungsgebieten.

Aber lassen Sie mich noch zwei Sätze zum Thema Mindset sagen. Ich glaube, dass sich da schon einiges geändert hat. In aktuellen Umfragen wünscht sich jeder zweite unter 40-jährige eine eigene Immobilie, teilweise trifft das sogar für unter 30-jährige zu. Das ist neu.

Man müsste jetzt diesen Wunsch fördern, indem man an der Baugenehmigungsquote oder an der Neubauquote dreht und gerade für jüngere Menschen Angebote macht, die sie sich auch leisten können. Ich bin sicher, dann würde sich bei der Eigentumsquote einiges bewegen.

Sebastian Engel, Alpha Real Estate: „Mittlerweile ist Immobilienbesitz sexy. Das sieht man auch in den sozialen Medien, sei es Facebook oder Instagram oder jetzt auch Clubhouse: So viele Menschen beschäftigen sich mit dem Thema Immobilien und hören dabei anderen zu.“ Foto: Alpha Real Estate

Engel: Herr Kümpel, ich kann das auch nur bestätigen. Gerade die Unterdreißigjährigen sind heutzutage vom Mindset her ganz anders aufgestellt. Mittlerweile ist Immobilienbesitz sexy. Das sieht man auch in den sozialen Medien, sei es Facebook oder Instagram oder jetzt auch Clubhouse: So viele Menschen beschäftigen sich mit dem Thema Immobilien und hören dabei anderen zu.

Einer unserer Vermittler beispielsweise gibt Ratgeberseminare, auf denen ich als Gastreferent ab und zu mitsprechen darf. Dabei geht es nicht nur darum, unsere Produkte zu vermarkten, sondern primär auch um die Frage zu beantworten, wie man intelligent in Immobilien investiert, und auf was man alles achten sollte. Die Menschen wollen sich alle schlaumachen, weil sie von ihren Eltern mitbekommen haben, wie wichtig es ist, in irgendeiner Form Immobilienbesitz zu haben.

Es gibt langsam Fortschritte, aber in meinen Augen wird an das Thema Immobilien immer noch viel zu spät gedacht. Es ist viel wichtiger, in die eigene Immobilie zu investieren, als zum Beispiel eine Lebensversicherung abzuschließen. Aber ich erfreue mich über eine gewisse Eigendynamik. Es gibt mittlerweile viele junge Menschen in der Altersstufe bis 30, 35 Jahre, die auf jeden Fall investieren wollen.

Kümpel: Eine ähnliche Entwicklung haben wir übrigens auch beim Alter unsere Darlehensnehmer. Es gibt eine deutliche Zunahme bei den Jüngeren. Ich glaube tatsächlich, das Mindset lässt sich in unsere Richtung verändern. Ein Thema, dass dabei künftig eine besonders große Rolle spielen wird, ist die Nachhaltigkeit, sowohl in Form der grünen Baufinanzierung als auch beim ökologischen Bauen selbst. Hier gibt es großes Potenzial, gerade die jüngere Generation für das Thema Immobilienbesitz zu begeistern.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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