Wie verändert Nachhaltigkeit denn den Finanzierungsprozess aus Ihrer Sicht?
Hein: Es wird mehr in den Vordergrund rücken, welche nachhaltigen Features in den Häusern eingebaut sind. Im Neubau sind wir da schon sehr weit, der Bereich der Bestandsimmobilien wird nachziehen. Bei Finanzierungen wird es künftig eine viel größere Rolle spielen, welche Energieeffizienz ein Haus hat.
Es wird auch zu verstärkten Investitionen in die Häuser führen. Da bin ich ziemlich sicher. Beispielsweise plant die KfW neue Programme zu Mitte des Jahres. Auch da sind wir wieder beim Thema Mindset. Es wird darum gehen, das Thema Nachhaltigkeit in den Köpfen der Käufer und Hausbesitzer zu verankern. Das ist sehr wichtig, schließlich sind die Häuser in Deutschland aktuell für rund 25 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.
Das Thema Nachhaltigkeit wird in die Beratungen der Banken in irgendeiner Form Einzug halten, um Kunden die vielen Möglichkeiten aufzuzeigen. Aber am Ende steht natürlich immer die eine Frage: Was muss ich investieren, und was spart es mir? Es ist also nicht nur ein emotionales Thema, sondern auch ein simples Rechenexempel, was sich aber auch gut darstellen lässt.
Herr Lichner, haben Sie Ihre Partner schon auf das Thema Nachhaltigkeit vorbereitet?
Lichner: Wir sind auf einem guten Weg. Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr spannend und trifft den Zeitgeist. Damit lassen sich insbesondere junge Menschen sehr gut ansprechen. Allerdings muss die Industrie noch nachziehen, um den Green Deal der Europäischen Union auch mit Leben füllen zu können. Schließlich gibt es bislang nicht viele Dienstleister, die in der Lage sind, den Bestand zeitnah entsprechend zu sanieren, um letztendlich alle Auflagen zu erfüllen.
Um das Thema Nachhaltigkeit werden noch einmal ganz neue Geschäftsmodelle entstehen. Da ist viel Musik drin, auch weil die staatliche Förderung sehr attraktiv sein kann. Und ich sehe natürlich auch, dass viele unserer Bankpartner jetzt auf das Thema reagieren.
Kümpel: Aktuell subventionieren wir den Abschluss nachhaltiger KfW-Programme zum Thema energieeffizient bauen, kaufen und modernisieren mit einem reduzierten Sollzins auf unseren Darlehensanteil. Dieser Bereich ist im letzten Jahr um 6,5 Prozent gewachsen, das entspricht rund 200 Millionen Euro. Die jungen Bauherren erwarten dieses Thema als Selbstverständlichkeit von uns – es ist sozusagen das neue Normal.
Darüber hinaus geht es bei der grünen Baufinanzierung nicht nur um die geförderte Immobilie, sondern auch um den Produktionsprozess der Baufinanzierung. Hier arbeiten wir mit Hochdruck an der komplett papierlosen Baufinanzierung. Auch das wird für Kunden und natürlich auch für unsere Finanzierungspartner immer wichtiger.
Früher hat der Finanzierungsprozess viel Zeit und Papier gekostet. Heute geht alles sehr schnell und effizient über die Cloud und ist aus diesem Grund ressourcenschonend.
Wie sieht es im Bereich der Bestandsimmobilien mit dem Thema Nachhaltigkeit aus?
Schrobback: Wir merken es weniger bei den Bestandsimmobilien, sondern verstärkt natürlich bei unseren Sanierungsprojekten. In der Branche ist das Thema ESG schon lange angekommen und wird auch schon lange diskutiert und teilweise umgesetzt.
Bei den Vertriebspartnern und auch bei unseren Endkunden ist es in der Tat noch nicht so im Fokus. In der Assetklasse „Bestandswohnimmobilien“ beschäftigen wir uns, wenn, dann nur im Zuge der Modernisierung und Revitalisierung der Wohnanlagen damit. In der Tat kommen vermehrt aber Anfragen von Bankpartnern.
Wenn wir zum Beispiel im Denkmalbereich in die Sanierung gehen, haben wir inzwischen oft bei unseren bauträgerfinanzierenden Partnern vermehrt Anfragen nach ESG-Konformität. Dort geht es nicht nur um die Thematiken der Sanierungen und der Materialien, sondern es wird auch nach einer Firmen-Guideline hinsichtlich Social Governance gefragt.
Engel: Interessant ist, dass ganz viel über ESG diskutiert wird, aber niemand so recht weiß, was darunter eigentlich zu verstehen ist. Die Taxonomie-Verordnung der EU, die in diesem Jahr in Kraft tritt, mag da Erhellendes bieten.
Für die Zukunft denke ich, ist beim Thema ESG sehr viel zu holen, sowohl auf der emotionalen Ebene, als auch auf der ökonomischen. Man muss sich frühzeitig damit beschäftigen. Deswegen setzen wir zukünftig auf eine Due Diligence im ESG-Bereich und werten die Häuser auch im Bestand vorher ein. Hierzu wird ein Protokoll erstellt, um aufzuzeigen, was gemacht werden kann, um ESG-konform zu handeln. In Zukunft wird das ein sehr großer Markt sein, der auf uns alle wartet.
Apropos niemand versteht so recht, was ESG eigentlich ist: Braucht der Markt am Ende einen allgemeingültigen ESG-Standard, an dem sich alle Teilnehmer orientieren sollten?
Schrobback: Ja, denn momentan ist es noch ein sehr breit gefächertes Feld, auf dem es noch keine einheitliche, klar standardisierte Definition gibt. Noch kann jeder Marktteilnehmer selbst definieren, was für ihn ESG-Konformität ist. Aus Gründen eines fairen Wettbewerbs sollte der Gesetzgeber tätig werden.
Hein: Ein gesetzlicher Rahmen ist als Basis sicher wünschenswert, darüber hinaus bedarf es aber einer gewissen Selbstverpflichtung aller Beteiligten. Und dass das Thema, wie Herr Schrobback sagt, bei den Bankpartnern angekommen ist, ist schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung. Im Bereich Wholesale Banking, also in der Firmenfinanzierung schauen wir diesbezüglich schon sehr genau hin.
Dabei lehnen wir durchaus auch Finanzierungen ab, wenn der Partner, mit dem wir dort in Verhandlungen stehen, sich nicht erkennbar in Richtung einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes bewegt. Diese Entwicklung wird zunehmen, weil der Druck einfach größer wird. Deshalb sage ich, gesetzlicher Rahmen ja, aber er darf nicht zu eng gesetzt werden, da andernfalls die Flexibilität und auch die Kreativität darunter leiden.
Lichner: Ich finde, es muss auch authentisch sein. Wenn das Thema Nachhaltigkeit nur künstlich von außen über das Unternehmen gestülpt wir, ohne, dass es dort tatsächlich gelebt wird, merken das die Kunden. Dann nähern wir uns der Problematik des Greenwashing.
Es geht vielmehr darum, das zu tun, was in Sachen ESG auch zum eigenen Unternehmen passt. Wir haben beispielsweise verantwortliches Handeln in unseren Erfolgsfaktoren definiert. Das passt zu uns und hat einen gewissen Abstrahleffekt. Andere Aktionen wären weniger glaubwürdig.
Kümpel: Als Teil der Deutschen Bank, die eine Reihe von Policies in Sachen ESG hat, merken wir durchaus den wachsenden Einfluss der Nachhaltigkeit auf unser Denken und Handeln. Um ressourcenschonendes Handeln zu verinnerlichen, bedarf es gerade zu Beginn eines solch komplexen Prozesses auch gewisser Leitplanken. Etwas mehr Guidance ist da sicherlich von Vorteil. Aber Sie haben recht, es darf nicht aufgesetzt sein.
Engel: Die eben erwähnte EU-Taxonomie-Verordnung und auch die künftige Notwendigkeit, regelmäßig ein ESG-Reporting zu erstellen, sind sicher hilfreich, um einen Marktstandard zu erlangen. Bislang sind viele Mittelständler noch nicht für ESG bereit. Aber ihre Partner werden zunehmend eine ESG-Konformität einfordern, so dass auch in diesem Bereich ein rasches Umdenken eintreten wird.