EXTRA Betriebliche Vorsorge: Das strategische Geschäftsfeld

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Die drei Säulen der Altersvorsorge. Gerade die betriebliche Altersvorsorge soll künftig eine wichtigere Rolle spielen.

Die betriebliche Altersversorgung wird immer mehr zu einem der Eckpfeiler für die deutschen Lebensversicherer. Auch weil immer mehr Arbeitgeber auf der Suche nach Arbeitskräften und im „War for Talents“ auf die Betriebsrente als strategisches Findungs- und Bindungsinstrument setzen.

Mit Gesetzen und ihrer Wirkung ist es immer so eine Sache. Da verbessert die Politik mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) 2018 die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersvorsorge. Doch, das, was als Booster für die Betriebsrente gedacht war, zündete nicht in dem Maße, wie sich ihre Macher das erhofft hatten. Zumindest nicht so, wie erhofft. Sechseinhalb Jahre später, im September 2024, reibt man sich nun die Augen. Denn spricht man mit den bAV-Verantwortlichen der Branche, zeigen die sich inzwischen überzeugt, dass die bAV, die bereits 2023 mit guten Umsatzzahlen aufwartete, im Vertriebsjahr 2024 zu einem strategischen Eckfeiler in der Lebensversicherung werden dürfte. Der Arbeitskräftemangel und der „War for Talents“ werden immer mehr zum Motor für die bAV, betonten unisono die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Cash. Extra Roundtable „Betriebliche Altersvorsorge“. „Trotz des wirtschaftlichen Umfeldes bleibt die betriebliche Altersvorsorge durch staatliche Förderung attraktiv“, sagt Julia Krath, Abteilungsleiterin Angebotsmanagement bei der Ergo Vorsorge. 

Nach Angaben von Robert Dickner, Direktionsbevollmächtigter bAV/Firmenkunden Leben nutzen, trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes, immer mehr Arbeitgeber die bAV, um arbeitgeberfinanzierte Modelle anzubieten. Nach Aussage von Gunnar Boysen, Allianz Standortleiter Maklervertrieb in Hamburg und Berlin erwartet der Marktführer in diesem Jahr ein zweistelliges Wachstum in der bAV. „Für uns die bAV ein strategisches Geschäftsfeld“, sagt Boysen. 

Das klingt erst einmal gut: 15,78 Millionen bAV-Verträge meldete der GDV zum Jahresende 2017, davon 8,11 Millionen Direktversicherungen. Anfang 2018 wurde das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) eingeführt, mit dem klaren Ziel, die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge dank neuer Anreize deutlich auszuweiten. Dazu gehörten die Einführung eines obligatorischen Arbeitgeberzuschuss, eine Geringverdiener-Förderung, die Anhebung des Dotierungsspielraums für versicherungsförmige bAV-Lösungen, eine neue Versorgungsgrenze für die Grundsicherung und Erleichterungen in der Riester-bAV. Sechs Jahre später, Ende 2023, sind es zwar laut GDV mehr Verträge geworden: 16,55 Millionen insgesamt (+4,9 Prozent) und 8,78 Millionen Direktversicherungen (+8,3 Prozent). Doch im Zuge des gleichzeitig erfolgten Beschäftigungsaufbaus hat sich die Verbreitungsquote von ca. 53,5 Prozent in den letzten Jahren kaum verbessert“, heißt es in den Vorbemerkungen zum Gesetzentwurf für ein neues BRSG. Den Entwurf für das 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz hat die Bundesregierung am 18. September 2024 beschlossen. In Kraft treten soll das neue Gesetz voraussichtlich bis Ende Februar 2025. 

Die bAV als zentralen Altersversorgungsbaustein neben der gesetzlichen Rente zu etablieren, das war vor dem Hintergrund einer der zentralen Gedanken, den die Politik mit der Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) zum 1. Januar 2018 verfolgt hatte. „Das BRSG hat grundsätzlich positive Impulse gesetzt, insbesondere bei der Förderung von Geringverdienern. Doch viele Regelungen sind kompliziert und verunsichern kleine Unternehmen, vor allem bei der sozialversicherungsrechtlichen Abrechnung. Das geplante BRSG 2 könnte hier Verbesserungen bringen, etwa durch Opting-out, die Dynamisierung der Einkommensgrenze und eine vereinfachte Anbindung an bestehende Modelle. Langfristig sind stabile und klare Rahmenbedingungen nötig, um Vertrauen zu schaffen und Unternehmen nicht durch ständige Änderungen zu belasten“, sagt etwa Allianz-Mann Boysen. 

Jochen Prost, Bereichsleiter Vertriebsunterstützung bAV bei der Alte Leipziger Lebensversicherung kritisiert, dass sich die Politik oft auf große Unternehmen fokussiere. „Während bei denen die bAV bereits etabliert ist, fehlen für kleinere Unternehmen noch praktikable Lösungen“, erklärt Prost. So sei etwa der verpflichtende Arbeitgeberzuschuss kam sehr spät ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden und das führte zu rechtlichen Unsicherheiten. Zudem wünscht sich der Experte auch mehr Klarheit beim Thema Opting-out. „Im BRSG 1 war es nur auf tarifvertraglicher Ebene möglich, während BRSG 2 es nun per Betriebsvereinbarung erlauben soll. Eine generelle Einführung wäre für kleine Unternehmen sinnvoll“, fordert Prost. 

Trotz der Kritikpunkte zeigt sich Michael Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) optimistisch, dass das BRSG 2 zu einem weiteren Schub in der betrieblichen Altersvorsorge sorgen dürfte. „Eine Überarbeitung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes war dringend nötig, um die zweite Säule der Altersversorgung zu stärken“, sagt Heinz. Schließlich sorgte nur rund die Hälfte der Arbeitnehmer über eine bAV fürs Alter vor. „Insbesondere sehen wir die Erhöhung und Koppelung der Geringverdiener-Förderung an die Lohnentwicklung positiv. So wird die Einkommensobergrenze für den Förderbetrag auf 2.718 Euro monatlich angehoben und sie soll unabhängig davon gelten, ob Beschäftigte in Voll- oder Teilzeit arbeiteten. Das könnte dazu führen, dass die bAV zukünftig stärker für die Altersvorsorge genutzt wird und verhindert, dass Arbeitnehmer durch reguläre Gehaltserhöhungen aus der Förderung herausfallen“, hofft Heinz. 

Wie notwendig eine weitere Stärkung der bAV als weiteres finanzielles Standbein für die Rente ist, zeigte eine Anfrage der Linken beim Bundesarbeitsministerium. Demnach erhalten Seniorinnen und Senioren 1.543 Euro Rente monatlich in Deutschland, im Schnitt. Wenn sie 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Dabei gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern. So erhalten Männer im Schnitt 1.637 Euro, Frauen hingegen nur 1.323 Euro. Zwar betont die Deutsche Rentenversicherung, dass die Daten nur die von der Rentenversicherung ausgezahlten Netto-Altersrenten zeigen würde und im Einzelfall vielen Menschen im Alter ein höherer Betrag zum Leben zur Verfügung stehe, weil oft zusätzliche Ansprüche über eine Beamtenversorgung, eine private Altersvorsorge oder Zahlungen aus einer berufsständischen Versicherung erworben wurden. Was die Daten aber deutlich machen: Vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten reichen 1.543 Euro allein für ein auskömmliches Leben im Alter längst nicht mehr aus.

Das wissen auch die Deutschen, wie eine Umfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge aus Dezember 2023 zeigt. Demnach gehen knapp drei Viertel der Befragten davon aus, dass sie im Rentenalter ihren Lebensstandard werden senken müssen. Nur 22 Prozent erwarten einen gleichbleibenden Lebensstandard. Und gerade einmal sieben Prozent rechnen mit mehr Geld im Alter. Die erwarteten Einschränkungen führen aber nur bei einem Drittel zu einer zusätzlichen Altersvorsorge. So schätzen 36 Prozent der Befragten ein, dass sie nicht ausreichend vorgesorgt haben, wollen aber aus diesem Grund in den nächsten zwölf Monaten weitere Rücklagen fürs Alter anlegen. 29 Prozent sehen ihre Altersvorsorge als ausreichend an. Ein Drittel weiß heute schon, dass im Alter das Geld nicht reichen wird, plant aber in den kommenden zwölf Monaten keine weitere Vorsorge. Die Umfrage macht deutlich: Wenn Altersarmut verhindert werden soll und die Menschen privat kein Geld für die eigentlich notwendige Altersvorsorge in die Hand nehmen wollen, bleibt nur der Umweg über den Arbeitgeber.

Dieser Artikel ist Teil des EXTRA Betriebliche Vorsorge. Alle Artikel des EXTRA finden Sie hier.

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