Der Startschuss fiel am 10. Januar 2024: An diesem Tag trat die Novelle der EU-Verordnung über European Long Term Investment Funds (ELTIF) in Kraft, also langfristige Investmentfonds nach EU-Recht. Ganz neu sind solche Fonds indes nicht. ELTIFs gibt es bereits seit 2015. Wirklich Fuß fassen jedoch konnte das Vehikel in Deutschland – mit Ausnahme eines Fonds von Commerzreal – im breiteren Privatkundengeschäft jedoch lange nicht. Grund: Restriktive Vorschriften zu Mindestbeteiligung und -vermögen der Anleger sowie zu möglichen Assetklassen und zur Risikomischung.
Das hat sich nun grundlegend geändert. Bei der neuen Generation, die auch als „ELTIF 2.0“ bekannt ist, sind die Restriktionen in Bezug auf den Anlegerkreis entfallen und grundsätzlich Investitionen in nahezu alle Arten von Sachwerten sowie Private Equity und Darlehenskonzepte („Dept“) erlaubt. Ausgenommen sind lediglich Assets, die keine laufenden Erträge erwirtschaften, also beispielsweise Gold und andere Edelmetalle oder auch Kunstwerke. Anders als geschlossene alternative Investmentfonds (AIFs) darf ein ELTIF 2.0 zudem die Möglichkeit der Anteilsrückgabe vorsehen. Solche Konzepte ähneln dann offenen Immobilienfonds mit anderen Assetklassen. Am häufigsten als mögliche Investments werden Infrastruktur einschließlich Erneuerbare Energien Anlagen, Stromspeicher, Ladesäulen und ähnliches sowie Private Equity genannt. Doch auch weitere Assets sowie Sachwert-Mischkonzepte aller Art sind erlaubt.
Ein ELTIF 2.0 bietet also vielfältige Möglichkeiten für neue Konzepte. Dabei ist ELTIF gar keine eigenständige Rechtsform, sondern kann wie ein zusätzlicher Mantel um bestehende beziehungsweise bekannte Vehikel gelegt werden, auch um offene oder geschlossene AIFs. Für die Abwicklung kann das zweite Kleidungsstück ebenfalls von Vorteil sein: Ein ELTIF-Anteil ist ein Investmentvehikel und kann – anders als die oft sperrigen Publikums-AIFs – einfach in das Depot des Anlegers eingebucht werden (wobei dies in der Praxis wohl doch nicht ganz so simpel ist, wie es in der Theorie klang).
So oder so: Damit ergeben sich Chancen sowohl für die bisherige Sachwertbranche als auch für Investmentgesellschaften aus dem Bereich der offenen Fonds. Die einen können nun ihre AIFs mit einem ELTIF ummanteln, damit unter anderem depotfähig machen und gegebenenfalls sogar eine Rückgabeoption einbauen. Die anderen haben die Möglichkeit, ihre Konzepte für Privatanleger auf völlig neue Assets außerhalb der Börse auszuweiten.
Daneben elektrisieren die Vertriebsmöglichkeiten nicht wenige Anbieter. Für internationale Investmentgesellschaften steht im Vordergrund, dass mit einer einzigen Zulassung für einen ELTIF irgendwo in der EU der Vertrieb in allen Mitgliedstaaten erlaubt ist. Für die überwiegend mittelständischen Anbieter von Publikums-AIFs ist auch verlockend, über das depotfähige Vehikel vielleicht endlich wieder den Fuß in die Tür von Banken zu bekommen. Wenn es gelingt, eine Rückgabeoption zu integrieren, kann ein ELTIF 2.0 zudem auch durch Finanzdienstleister mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Absatz 1 Nummer 1 vermittelt werden. Darüber verfügen weitaus mehr Vermittler als über die Nummer 2, die für geschlossene Publikums-AIFs notwendig ist.
Entsprechend groß waren im vergangenen Herbst die Erwartungen an den Startschuss für ELTIF 2.0. Sowohl von Investmentgersellschaften als auch von Sachwertanbietern wurde eine Vielzahl an Planungen bekannt und nicht wenige Vertriebe scharrten mit den Hufen. So sorgte BCA-Vorstand Dr. Frank Ulbricht auf der Messe DKM mit einem Vortrag zum Thema „ELTIFs für Alle?“ für Aufsehen. Die Antwort könnte indes lauten: „Sachwerte für Alle!“.
Zum Stichtag allerdings passierte zunächst wenig. Sowohl die Konzeption als auch die Aufsetzung der Vertriebsprozesse nahm – soweit zu hören war – vielfach mehr Zeit in Anspruch als ursprünglich erwartet. Inzwischen jedoch kommen nach und nach ELTIF 2.0 auf den Markt oder liegen zur Genehmigung bei den Aufsichtsbehörden.
Dass mit dem Startschuss am 10. Januar nicht alle gleich losgerannt sind, dürfte zum einen damit zusammenhängen, dass wie so oft auch in diesem Fall der Teufel im Detail steckt. Zum anderen kommen einmal mehr die EU-Institutionen mit den Ausführungsvorschriften nicht hinterher. So veröffentlichte die EU-Wertpapieraufsicht ESMA erst kurz vor knapp, am 19. Dezember 2023, den Entwurf für technische Regulierungsstandards (RTS) zur ELTIF-Verordnung.
Darin geht es unter anderem um die Darstellung von Kosten sowie die Rücknahmepolitik des ELTIF. Nicht ganz unwesentliche Punkte für die Fondskonzeption also, die zunächst abzuarbeiten waren. Die Sache ist zudem noch nicht endgültig: Im März wurde bekannt, dass die EU-Kommission noch Änderungswünsche an den RTS hat. Gravierende Veränderungen werden zwar nicht mehr erwartet, aber die Ungewissheit dürfte eine Reihe von Anbietern zunächst abschrecken.
Stattdessen preschte zunächst die deutsche BaFin vor. Sie veröffentlichte Anfang Februar 2024 einen Katalog mit häufig gestellten Fragen (FAQ) zur ELTIF-Verordnung – einschließlich Antworten, versteht sich. Dazu zählt die Bestätigung, dass auch 34f-Finanzdienstleister ELTIFs vermitteln dürfen. Je nachdem, ob es sich um ein offenes oder ein geschlossenes Konzept handelt, mit Nummer 1 oder 2.
Wermutstropfen: Für die Auflage eines ELTIF mit Rückgabeoptionen ist nach den BaFin-FAQ die Zulassung der KVG für offene Fonds erforderlich. Darüber verfügen die meisten Anbieter geschlossener AIFs nicht. Sie müssten also ihre Zulassung erweitern oder eine Service-KVG einschalten, wobei kurzfristige Rückgabeoptionen bei der Investition in langfristige Sachwerte ohnehin nicht immer unproblematisch sind (offene Immobilienfonds können ein Lied davon singen). Insgesamt jedoch hat die Branche die Antworten der BaFin auf die (selbst gestellten) Fragen überwiegend positiv aufgenommen.
„Die Antworten sind teilweise überraschend liberal und ermöglichen interessante Strukturen, die man vor der Veröffentlichung der FAQs vielleicht nicht für zulässig gehalten hätte“, sagte etwa Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Gunter Reiff, Geschäftsführer der WRG Finvesta Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Da die ELTIF-Verordnung keine Vorgaben für die rechtliche Struktur eines Fonds mache, müssen die Rechtsformen dem nationalen Recht entnommen werden, wozu es im deutschen KAGB zahlreiche Einschränkungen gebe, erklärte Reiff. „Diese Einschränkungen sollen überraschenderweise nicht für ELTIFs gelten“, betonte er. Dies bedeute insbesondere, dass ein Publikums-ELTIF auch als geschlossenes Sondervermögen gestaltet werden kann. „Damit wird ein lang gehegter Wunsch der Branche Wirklichkeit“, so Reiff.
Hintergrund der großzügigen Auslegung der Vorschriften ist wahrscheinlich auch, dass die BaFin verhindern möchte, dass weiterhin fast alle ELTIFs über Luxemburg zugelassen werden und der Finanzplatz Frankfurt das Nachsehen hat. Durchaus mit Erfolg.
So ist der Private-Equity-Spezialist RWB nach den Worten von Nico Auel, Geschäftsführer der RWB Partners GmbH, der erste Anbieter, der einen ELTIF über die BaFin in Deutschland herausbringen wird und befindet sich aktuell in den finalen Abstimmungen mit der Aufsicht. Die beiden anderen Teilnehmer des Roundtables im Rahmen dieses Cash.-Extras – Klaus Weber, Geschäftsführer der Patrizia Grundinvest sowie Marc Tavakolian, Head of Investor Relations der Oddo BHF Private Assets – haben hingegen jeweils Luxemburg als Standort für ihren ersten ELTIF 2.0 gewählt.
Die Gründe dafür, die Konzepte der jeweiligen Fonds, das Für und Wider von kurzfristigen Rückgabeoptionen bei langfristigen Sachwerten, die Diskussiuon über die Risikoklassen sowie viele weitere Themen rund um ELTIF 2.0 lesen Sie in dem EXTRA ELTIF 2.0, von dem dieser Artikel ein Teil ist. Zu allen Artikeln des EXTRA geht es hier.