„Vieles spricht dafür, dass sich der Wohnungsbau jetzt stabilisieren könnte.“ Das sagte kein geringerer als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Mitte März auf einer Veranstaltung des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB). Nanu? Liegt der Wohnungsbau nicht am Boden? Ist die Zahl der Baugenehmigungen nicht gerade auf den niedrigsten Stand seit 2012 gefallen? Sind die Fertigstellungen nicht im steilen Sinkflug, das Ifo-Geschäftsklima im Wohnungsbau nicht auf einem Allzeittief und das Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr nicht in weiter Ferne?
Doch. Aber Scholz ficht das nicht an. Schließlich ist der Kanzler bekannt dafür, die positiven Seiten seiner Politik und der Lage in den Vordergrund zu rücken und Kritik möglichst beiseite zu schieben. „Zuversichtlich sein“ sagen die einen, „Schönreden“ die anderen, „Realitätsverlust“ die dritten. Wie auch immer: Ganz unrecht hat er nicht (zumal ohnehin alles mögliche passieren „könnte“). „Die Inflation ist deutlich gesunken und mit ihr sinken auch die Bauzinsen“, wird der Kanzler zitiert. „Die Baupreise könnten nach Jahren der Steigerung in diesem Jahr endlich wieder sinken“, so Scholz. Die Baumaterialien seien, „nicht alle, aber viele“, günstiger geworden.
Das sieht auch der ZDB so. Der Verband rechnet mit einem Preisrückgang für Bauleistungen im Vergleich zu 2023 von zwei Prozent – nicht viel in Relation zur Kostenexplosion seit Frühjahr 2022, aber immerhin. Trotzdem bleibt Bauen teuer, auch wegen der hohen Umwelt- und Energieauflagen für neue Gebäude. Das wird auch die Preise für Neubauwohnungen hoch halten und die Zahl neuer Projekte begrenzen. So ist trotz der Ende März vom Bundesrat endlich final beschlossenen Sonderabschreibung für den Wohnungsneubau kaum zu erwarten, dass die Fertigstellungen nun plötzlich explodieren.
Im Gegenteil: Auch zum Jahresanfang ist die Zahl der Baugenehmigungen weiter zurückgegangen. Für Januar 2024 registrierte das Statistische Bundesamt mit Genehmigungen für 16.800 neue Wohnungen in Deutschland einen Rückgang um 23,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und sogar um 43,4 Prozent gegenüber Januar 2022.
Wohnraum bleibt also knapp und der teure Neubau wird wohl auch den Preisrückgang im Bestand begrenzen, wobei dort ein weiterer Faktor von Bedeutung ist: Der energetische Zustand des Gebäudes und vor allem die Heizung. Das umstrittene „Heizungsgesetz“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), das zum Jahreswechsel in Kraft getreten ist, verunsichert Eigentümer wie Käufer. Obwohl es am Ende entschärft wurde, sind Häuser und Wohnungen mit veralteter Heiztechnik nur schwer zu verkaufen. Profi-Investoren, die Risiken und Kosten einschätzen können, sind im Vorteil. Zumal wenn sie ganze Mehrfamilienhäuser und nicht nur einzelne Wohnungen kaufen, können sie gegebenenfalls Preisabschläge deutlich über das übliche Maß hinaus durchsetzen.
Diese sind ohnehin beträchtlich. Das Statistische Bundesamt ermittelte für 2023 einen Rückgang der Preise für Wohnimmobilien um durchschnittlich 8,4 Prozent gegenüber 2022. Zusammen mit der Preiskorrektur, die schon ab dem dritten Quartal 2022 gegenüber dem jeweiligen Vorquartal eingesetzt hatte, summiert sich das Minus auf 12,7 Prozent seit Mitte 2022. Gleichzeitig ist die Inflationsrate in die Höhe geschossen: 2022 und 2023 belief sich die Geldentwertung auf insgesamt 14,2 Prozent. In der Summe sind die Preise für Wohnimmobilien demnach seit dem Höhepunkt der Preisrallye im Frühjahr 2022 real um mehr als 25 Prozent gesunken.
Trotzdem betonte Prof. Dr. Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Mitte März auf einer Tagung der Bit Treuhand: „Es ist keine Immobilienblase geplatzt“. Das Platzen einer Blase sei dadurch gekennzeichnet, dass nach einem starken Preisanstieg und den ersten Abwärtstendenzen alle Investoren gleichzeitig verkaufen wollen, weil sie damit rechnen, dass es nur noch schlechter wird, erklärte er. Damit verstärken sie wiederum den Abwärtstrend.
Dies sei jedoch nicht passiert, sondern das Gegenteil. „Der Markt ist einfroren“, so Voigtländer. Nach dem steilen Zinsanstieg passten die Preisvorstellungen und vielfach auch die finanziellen Möglichkeiten der Käufer nicht mehr mit den Verkäufern zusammen. Statt sie panisch zu verkaufen, haben die meisten Eigentümer ihre Immobilien jedoch einfach behalten.
So ist die Zahl der verkauften Neubauwohnungen zum Beispiel in München im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 um 75 Prozent zurückgegangen, in Frankfurt gar um 90 Prozent, berichtete Voigtländer. In Köln ist der Geldumsatz aus dem Neubau-Erstverkauf um 74 Prozent eingebrochen. Auch im Bestand sei das Transaktionsvolumen deutlich zurückgegangen. Die Preise für Wohnungen haben sich im vierten Quartal 2023 aber bereits stabilisiert, so Voigtländer. „Ich rechne fest damit, dass sie im Laufe dieses Jahres wieder steigen werden, wenn auch langsam“, prognostizierte er.
Weitgehend eingefroren war 2023 auch der Transaktionsmarkt für Bürogebäude. Nach einem Marktbericht der Immobilienberatung BNP Paribas Real Estate betrug das Investmentvolumen für Büroimmobilien in Deutschland nur knapp sechs Milliarden Euro – ein Minus gegenüber 2022 von nicht weniger als rund 73 Prozent.
In den sieben Top-Städten sind die „Spitzenrenditen“ – gemeint ist damit das Verhältnis von Jahresmiete zu Kaufpreis bei erstklassigen Objekten – seit 2021 aus dem Bereich um 2,7 Prozent in die Region um 4,3 Prozent gestiegen. Das entspricht einem Rückgang der Kaufpreise vom rund 37-fachen etwa auf das 23-fache der Jahresmiete oder – bei unveränderter Miete – einem exorbitanten Wertverlust der Immobilie in der Größenordnung von 35 bis 40 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Und das für Spitzenobjekte. Auch wenn der reduzierte Faktor im Einzelfall teilweise durch die üblicherweise indexierten Mietverträge und entsprechende Mieterhöhungen auf Basis der hohen Inflationsrate ausgeglichen werden kann, dürfte das Resultat in den meisten Fällen ein überaus derber Rückschlag sein.
Neben den erhöhten Zinsen haben Büroflächen mit dem Home-Office-Trend und der schwachen allgemeinen Konjunktur zu kämpfen. Doch „es mehren sich die positiven Signale, die für eine wieder steigende Investmentaktivität sprechen“, so BNP Paribas. Dazu zähle unter anderem die „weitestgehend abgeschlossene Preisfindungsphase“. Bei Einzelhandelsobjekten ist dieses Stadium anscheinend noch nicht erreicht. Obwohl auch in diesem Segment die Renditen schon seit 2021 kräftig in die Höhe geschossen (die Preise also gesunken) sind, schreibt die Immobilienberatung Savills in ihrem Marktbericht für 2023: „Dass es zuletzt immer noch abgebrochene Transaktionen aufgrund unterschiedlicher Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern gab, ist Ausdruck davon, dass die Preiskorrektur noch nicht abgeschlossen ist“.
Für Immobilien-Investoren wie Gordon Grundler (Primus Valor), Alexander Hupe (My House) und Alexander Klein (Verifort Capital), Teilnehmer des Roundtables im Rahmen dieses Cash.-EXTRAs, haben sich die Einkaufskonditionen also ganz erheblich verbessert, auch wenn die Fremdkapitalkosten beträchtlich gestiegen sind. Aus dem Private-Equity-Markt berichtet Nico Auel (RWB) ebenfalls von spürbaren Preiskorrekturen und einer im vergangenen Jahr reduzierten Transaktionsaktivität, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie im Immobilienmarkt. Auch dieser Assetklasse haben sich die Konditionen für neue Investitionen demnach zuletzt aber deutlich verbessert und die Aktivität nimmt wieder zu.
Das Gebot der Stunde lautet also: Jetzt die Chance nutzen und antizyklisch investieren, solange der Markt am Boden ist. Das fällt vielen Privatanlegern nicht leicht, aber sie sollten vielleicht nicht zu lange warten. Denn die schwärzeste Phase hat die Branche wohl schon hinter sich und nicht nur Kanzler Scholz kommt zu dem Schluss, dass sich die Rahmenbedingungen zumindest bei Wohnimmobilien etwas aufgehellt haben. Die Wahrscheinlichkeit für eine Bodenbildung und einen baldigen Turnaround ist bei Wohnungen jedenfalls erheblich größer als für einen weiteren Absturz. Bei den anderen Assetklassen, die nicht so stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen, dürfte das nicht viel anders sein.
Dieser Artikel ist Teil des EXTRA Immobilien & Sachwertanlagen. Das gesamte EXTRA finden Sie hier.