EXTRA Kapitalanlage – Roundtable Märkte 2025: „Im Moment muss man die Welle reiten“

Foto: Florian Sonntag
Die Diskussionsteilnehmer von links: Emanuel Teuber, Head of Investment Research, Bayerische Landesbank; Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe; Dr. Ulrich Kaffarnik, Kapitalmarktstratege bei DJE Kapital; Dr. Helmut Kaiser, Kapitalmarktstratege bei Apella

Donald Trump wirbelt mit seiner Wirtschaftspolitik reichlich Staub auf und stößt die Handelspartner der USA mit unpopulären Maßnahmen vor den Kopf. Was bedeutet das für Anleger, die sich in den USA, Europa, China und Indien engagieren wollen? Ein Experten-Gespräch, das Mitte Januar auf Schloss Fleesensee stattfand.

Wie ist 2024 gelaufen, wurden Ihre Erwartungen erfüllt? 

Kaffarnik: Der Rentenmarkt hatte mit hoher Volatilität zu kämpfen, schlussendlich gab es aber über alle Segmente leichte Gewinne. Die Corporate Bonds liefen besser als die Staatsanleihen, und die High-Yield-Bonds besser als die Papiere im Investment-Grade-Bereich. Insgesamt ist der Bondmarkt nicht ganz so gut gelaufen wie erwartet. Gold war schlussendlich „up to the roof“ und auch der US-Dollar war okay aufgrund der Wachstumsdynamik in den USA. Zudem gab es noch mal eine deutliche Outperformance in den USA – durch die Glorreichen Sieben –  was auch nicht unbedingt zu erwarten war. Wir sind eher von einer breiteren Rallye ausgegangen. Aber insgesamt war ich mit den Prognosen nicht unzufrieden, um es vorsichtig zu sagen. 

Kaiser: Der Bondmarkt war in der Tat ein bisschen enttäuschend, vor allen Dingen das lange Ende. Ich hatte gedacht, mit dem, was da vorher eingepreist war, würde besser laufen, zumal die Inflation bis – zumindest im vierten Quartal – strukturell auch schon schön gefallen ist. Wir hatten ja auch in Deutschland sogar wieder eine eins vor dem Komma. Da denkt man eigentlich von der Durationsstrategie auch her: Ich muss ein bisschen länger gehen, und das lange Ende müsste eigentlich ganz gut performen. Das hat aber leider nicht funktioniert. Wir haben sogar in den USA jetzt nach der Trump-Wahl dann richtig Druck auf das lange Ende bekommen, trotz der FED-Zinssenkungen. 

Teuber: Die starke Volatilität an den Rentenmärkten haben wir auf jeden Fall auch wahrgenommen. Wir passen ja unsere Prognosen ab und zu mal an, in der Bank. Wir waren gezwungen, das einige Male zu tun. Auch unsere Ausblicke, die wir im letzten Januar rausgegeben haben für Ende des Jahres, sind jetzt eigentlich auch schon wieder fast erreicht. Das lange Ende ist auch schon wieder weiter stark nach oben gegangen, vor allem in den USA. Schauen wir mal, wie das da weitergeht. Auch bei den Aktien: Alles fokussiert sich auf die USA. Bei den Renten haben auch die USA alles mitgezogen, viel auch bei den europäischen Zinsen. Das war durchaus bemerkenswert.

Hellmeyer: Beginnen wir bei dem Unterbau für die Märkte. Geopolitisch wurden meine Erwartungen erfüllt, aber nicht meine Hoffnungen. Bezüglich der Weltwirtschaft wurden die Prognosen voll erfüllt, leider auch bezüglich der Eurozone und noch mehr Deutschlands als Verlierer der Gesamtkonstellation. Die Entwicklung der Aktienmärkte übererfüllte den Erwartungshorizont. Die bis zum Beginn des Zinssenkungszyklus dominante freundliche Entwicklung der Rentenmärkt war antizipiert worden, jedoch nicht der starke Renditeanstieg mit Umsetzung der Senkungspolitik. Die Amplitude des Anstiegs der Goldpreise, nicht jedoch die Tendenz hat mich positiv überrascht, der Verfall des Euro gegenüber dem US-Dollar jedoch nicht, insbesondere nach der Wahl Trumps.

Schauen wir auf die aktuelle Situation. Donald Trump ist neuer US-Präsident. Welche Impulse für die Märkte erwarten Sie dadurch?

Kaffarnik: Wir hatten bereits sehr viele Diskussionen, und ich habe zu jedem gesagt: „Wir reden über etwas, was wir überhaupt nicht kennen.“ Wir kennen keine einzelne konkrete Maßnahme. Wir wissen nicht, wie die Steuersenkungen aussehen, wir wissen nicht, wie die Zollgeschichte, wir wissen nicht, was bei Migration wird. Vielleicht hat er so viel heiße Luft aufgewirbelt, dass es sich danach wieder setzt. Aber alle reden wir über Geschichten. Wir reden über die Interpretation von Ereignissen, die wir nicht kennen.

Kaiser: Klar ist noch einiges unsicher. Aber die Gesamtagenda mit „America first“ steht, und wir haben zumindest einen kleinen Vorteil: Wir hatten schon mal vier Jahre Trump als Präsident auch wenn es natürlich Unterschiede gibt. Er kann voll durchregieren durch diesen Republican Sweep. Das ist aber schon mal wichtig. Er hat zwei Jahre lang quasi einen Persilschein – ein großer Unterschied zu den ersten vier Jahren. Ich vermute mal, dass diese Steuersenkungen kommen werden, von 21 Prozent runter auf 15. Das würde bei den Earnings per Share ein Plus von etwa fünf Prozent bedeuten. Das wird wohl kommen, und wahrscheinlich auch die Verlängerung der Steuersenkungen, die er in der ersten Amtsperiode gemacht hat. Wir wissen aber nicht, wie seine Zoll-Politik aussieht, vor allem verbunden mit der Frage: Kommen jetzt 60 Prozent auf China? 

Teuber: Es wird auf jeden Fall eher Kollektivzölle geben als gezielte Zölle wie in der ersten Legislaturperiode. Ein wichtiger Punkt, der bei Trump auch noch mal wichtig wird, ist die Deregulierung, die er wahrscheinlich erwartungsgemäß durchsetzen wird, insbesondere im Finanzsektor, aber auch bei der Energie. Das wird für einen Boom dort sorgen. Mittelfristig mache ich mir da schon Sorgen, was die Finanzmarktstabilität angeht. Aber das wäre jetzt für das nächste Jahr wahrscheinlich noch zu früh.

Hellmeyer: In den USA und nicht nur dort ist es Zeit für Disruption, weil die bisherige Politik keine Lösungen mehr anbot oder anbietet. Trump steht für Disruption auf allen Ebenen. Selbst wenn nur Teile der Agenda umgesetzt würden, bedeutete es eine massive Leistungsertüchtigung des US-Wirtschafts- und Gesellschaftskörpers. Trump versprüht Aufbruchsstimmung, während Kontinentaleuropa Abbruchstimmung kultiviert. Grundsätzlich werden US-Aktienmärkte von diesem Ansatz unterstützt. Diffiziler ist die Betrachtung des US-Bondmarktes. Hinsichtlich der Zollpolitik, aber auch einer positiven Konjunkturentwicklung ergeben sich erhöhte Inflationsrisiken, die ein nachhaltig niedrigeres Renditeniveu zunächst in den USA verhindern. Der US-Dollar sollte am Devisenmarkt, aber nicht gegenüber den unkorrelierten Anlageklassen Gold und Bitcoin an Boden gewinnen.

Seit November läuft quasi eine Trump-Rallye. Wird diese Bestand haben?

Hellmeyer: Es gibt keine Einbahnstraßen an Märkten. Unter Schwankungen erwarte ich ein freundliches Jahr an den US-Aktienmärkten, weil die USA binnenwirtschaftlich unter Trump viele „Ketten“ sprengen werden, die die Wirtschaft beeinträchtigten. Gleichzeitig werden aber außenwirtschaftlich „Zollketten“ angelegt, die bremsend wirken werden. Sie werden die positiven Impulse voraussichtlich nicht aufwiegen. Der IWF hat gerade die US-BIP-Prognose um 0,5 Prozent auf 2,7 Prozent hochrevidiert. Für mich ist das weitgehend nachvollziehbar.Ergo ist die Trump-Rallye dauerhaft. Davon werden auch die weiteren Trump-Trades pro Krypto und pro US-Dollar profitieren. Sofern die Inflation nicht dauerhaft und nachhaltig über das Niveau von 3,5 Prozent anzieht, ist das mein präferiertes Szenario. Es gilt zudem, bezüg-lich der US-Zollpolitik den Puls zu fühlen, ob dieses Thema zu einem globalen Handelskonflikt ausartet. Ein solcher Konflikt kann das Positivszenario scheitern lassen.

Kaffarnik: Wir kennen die Maßnahmen nicht, aber bei dem, was die Märkte glauben, was passiert, ist schon Vieles eingepreist. Die Trump-Rallye – ich habe sie immer eine Trump-Begrüßungsrallye genannt -, denn wir waren sieben Prozent hoch in der Spitze und sind dann wieder auf fünf Prozent runter. Die Erwartung ist, dass die Politik die Inflationsrate eher Richtung drei Prozent treiben wird. Damit kommt der Rentenmarkt unter Druck. Aktien sollten tendenziell davon profitieren, vor allen Dingen US-Aktien. Er macht ja kein Konjunkturprogramm für Deutschland, sondern er macht es für die USA. Die anderen werden tendenziell darunter leiden. Zu den Rentenmärkten ist anzumerken, dass normalerweise  der kurze Zins  den langen Zins, führt. Wenn also die Zentralbank senkt, geht der lange Zins nach unten und vice versa. Und jetzt in einer Phase, in der man wirklich Zinssenkungen der FED gesehen hat, 100 Basispunkte, plus noch eine gewisse Zinssenkungserwartung da ist, also insgesamt ca. 1,5 Prozentpunkte im Jahresverlauf bis Dezember dieses Jahres, 120 Basispunkte Anstieg am langen Ende, das habe ich in der Form noch nie gesehen.

Kaiser: Wir sehen ein Wachstum von 2,5 Prozent, vielleicht sogar drei Prozent, je nachdem, wie sich die Inflation entwickelt. Das ist so ein bisschen Goldilock und Full Employment. Die Demokraten haben es verbockt, nicht auf der wirtschaftlichen Seite, sondern auf seiten der Kommunikation und der Personen. sage ich jetzt mal, Personenseite. Das Thema: „It’s economy, stupid!“ müssen wir ein bisschen relativieren.

Teuber: Wir erwarten, dass die Zölle netto negative Folgen für die US-Wirtschaft haben werden. Wir erwarten einen leichten Rückgang. Von 2,7 Prozent GDP Growth im letzten Jahr auf etwa 1,9 Prozent in diesem Jahr. Und das wird wahrscheinlich erst spät sichtbar werden, weil Trump die Zölle gestaffelt einführen will. Bis sich das dann auswirkt, wird es eine Weile dauern. Auch wenn einige Unternehmen bereits jetzt damit beginnen, ihre Lagerbestände aufzufüllen. Gleichzeitig sehen wir darin einen Inflationstreiber, wodurch dann auch die FED weniger Zinssenkungssppielraum haben dürfte. 

Kaffarnik: Der Markt preist aktuell eine FED Funds Rate von 3,93 Prozent ein, das heißt, entweder ein oder zwei Zinssenkungen. Wir haben bei dieser Wahl eine Veränderung der Wählerstruktur gesehen. Die Baby Boomer waren erstmals  in der Minderheit, während die New Generation auf das Inflationsthema viel mehr Wert gelegt hat. Deshalb ist es völlig ungewöhnlich, dass die Wahl bei der aktuellen konjunkturellen Konstellation nicht vom Amtsinhaber, sondern von dem Herausforderer gewonnen wurde. Wenn Trump jetzt bei 2,9 Prozent für die Inflationsrate übernimmt und er das Haushaltsdefizit soweit befeuert, dass sie im Dezember bei 3,3 Prozent steht, dann hat er die erste große Schlacht für das Publikum bereits verloren.  Aus diesem Grund kann es sein, dass er eben bei den Maßnahmen nicht voll zuschlägt, weil er das im Kopf hat.  

Kaiser: Das glaube ich auch. Trump ist umgeben von Milliardären, die reicher werden wollen. Wenn Fehler passieren, werden sie es schnell korrigieren. Es macht auf alle Fälle Sinn, Vola-Strategien einzubauen, weil Trumps Vorgehensweise einfach unberechenbar ist. Es gibt gute Fonds und Strategien, die würde ich mit einbauen.

Gerade in den USA ist ein enormer Optimismus zu spüren. Sind die Anleger zu sorglos?

Teuber: Würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Klar, die KGVs sind sehr hoch im historischen Vergleich. Deshalb aber die Aktien außen vor zu lassen, ist keine Option. KGVs sind kein guter Timing-Indikator. Allerdings sind sie ein guter Indikator zu sagen, dass man auf jeden Fall bei dieser Assetklasse in den nächsten Jahren nicht mehr so hohe Renditen erwarten kann wie wir es im letzten Jahr gesehen haben.

Kaffarnik: Wir werden keine 24 Prozent mehr sehen. 

Teuber: Deswegen würden wir sagen, dass man die Magnificent Seven lieber mal rausdiversifiziert. Man sollte die Assetklasse nicht links liegen lassen, aber man sollte auf die Diversifikation achten – nicht nur bezogen auf diese Assetklasse –, sondern eben auch nach Branchen und vor allem nach Ländern, sodass das US-Risiko nicht zu groß wird.  

Kaiser: Im Moment muss man vielleicht ein bisschen die Welle reiten. Damit meine ich jetzt nicht, alles volle Kanne rein und voll Risiko rein. Aber mit den Indices mitlaufen. Die Gründe sind, dass man eine Stimulierung der Wirtschaft erwartet, vor allen Dingen bei Sektoren, bei denen Animal Spirit und M&A-Aktivitäten reinkommen. Wenn man das Credo „America First“ ernst nimmt, dürften die Small und Mid Caps davon profitieren. Dann empfiehlt sich,  aus den globalen Indizes in jene für die USA umzuschichten. Insgesamt glaube ich, dass die USA in diesem Jahr Wachstumslokomotive bleiben, die Technologieführerschaft haben und auch bezogen auf die Unternehmensgewinnen klar in Front liegen. Problematisch sind allenfalls die Konzentration und natürlich die Bewertung. Hier muss jeder selbst entscheiden, von den Portfoliomanagern und von den Gesellschaften und auch von den Maklern, die die Kunden betreuen, wie sie es dann machen. Es gibt durchaus Unternehmen, die mit abgestraft wurden oder nicht im Hype sind, bei denen aber auch der Cashflow gut ist, die gute Qualität haben. 

Hellmeyer: Die Anleger sind nicht zu sorglos. Bewußt oder unbe-wußt setzen sie mit Asset-Allokation in den USA auf das Thema Strukturerneuerung, auf das Thema höherer unternehmeris Freiheit. Für mich ist interessant, dass der NFIB Small Business Optimism Index mit der Wahl Trumps durch die Decke gegangen ist. Er bewegt sich jetzt auf dem höchsten Stand seit Oktober 2018. Meines Erachtens bietet 2025 gute Chancen in den Marktsegmenten, die bisher unterproportional gelaufen sind, ergo etwas weniger MAG7. Ergo bin ich diesbezüglich nahe an der Position bezüglich Diversifikation von Herrn Teuber und Mid- und small-Caps von Herrn Kaiser.

Kaffarnik: Ich sage nur mal was zu den USA. Ich mache es jetzt ganz strukturiert nach unserer FMM-Methode. Die USA sind fundamental extrem teuer, und zwar im Durchschnitt auch die 493 Werte  jenseits der Magnificent Seven. So ist  das Shiller KGV  das Zweithöchste aller Zeiten. Kleiner Einschub: Immer, wenn wir da oben waren, war die nächste große Marktreaktion 20 Prozent nach unten.  Das ist keine Prognose, sondern nur eine Feststellung aufgrund der historischen Daten. Der größte Feind der US-Aktien ist ihr teurer Preis. Das kann man drehen und wenden wie man will. 

Was bedeutet diese Gemengelage für Anleger in Europa?

Kaiser: Wir sind in einer Sandwich-Position, wie bei einem Big Mac und bekommen von allen Seiten noch richtig Druck. Und der Ketchup fließt schon teilweise raus. Wir müssen in Europa wirtschaftlich endlich in Fahrt kommen.

Teuber: Wir hoffen, dass eine neue deutsche Regierung das Wirtschaftsruder wieder herumreißt, so wie in den Achtziger oder den Nullerjahren. Wenn auf diese Weise eine sinnvolle wirtschaftspolitische Agenda vorangetrieben wird, könnte das in Deutschland die Stimmung heben, das Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln und dann vielleicht auch auf Europa abfärben.

Kaffarnik: Das Gute ist allerdings, dass das Meiste bereits eingepreist ist. Das heißt, die große Story ist ja pro Aktien USA, von Europa erwartet niemand etwas. Das ist ein Zustand, der mich schon sehr reizt. Und mein Joker ist Waffenstillstand in der Ukraine im Jahr 2025. Wenn das so käme, dann könnte sich das Narrativ pro USA und contra Europa umkehren. In Europa sind die Investoren derzeit untergewichtet, das gilt auch für Länder außerhalb der Eurozone. Das könnte sich dann ändern. 

Hellmeyer: Ja, Herr Kaffarnik, Europa ist untergewichtet, es gibt nicht unerheblich Shortpositionen. Befriedung des Ukraine-Konflikts wäre ein positiver Katalysator. Ich halte die geographische Beurteilung für wenig Ziel führend. Die in Europa in den Indices gelisteten Unternehmen sind global aufgestellt und verlagern immer mehr Kapazitäten aus Deutschland oder Europa heraus. Das globale Prisma sollte hier zur Anwendung kom-men und das belegt bezüglich der Bewertung positives Potenzial. Die Leistungsertüchtigung der USA unter Trump wird Europa zu Reformen zwingen. Ob wir das Personal haben, dass dazu in der Lage ist, wird sich weisen. Ich mag Klartext: Deutschland braucht eine Reform in einem Volumen von fünf bis sieben Prozent des BIP! Dagegen war die Agenda 2010 Schröders sehr überschaubar!

Schauen wir in Richtung Asien. Was ist denn von China und Indien zu erwarten?

Kaiser: Wir haben die Hoffnung, dass Peking die Stimuli einmal konkretisiert, damit das wirken kann. Am Aktienmark gab es im Herbst eine leichte Erholung am Aktienmarkt, die sich jedoch wieder verflüchtigt hat. Aber die chinesische Regierung hat die fiskalischen Spielräume, um hier etwas zu bewirken. Darüber hinaus gilt es, den Immobilienmarkt zu stabilisieren.

Teuber: In China tut sich die Zentralbank momentan schwer, Staatsanleihen für ihr Anleiheankaufprogramm zu finden, da die ganzen Privatinvestoren gerade alle im Risk-off-Modus sind und ihre Aktienholdings in Staatsanleihen umschichten und den Markt leerfegen. Die Platzierung neuer Staatsanleihen und damit die Finanzierung eines neuen Konjunkturpaketes wäre somit leicht möglich. Loswerden würden sie die Papiere bestimmt. Die Frage ist natürlich, wie gehen sie mit den Zöllen um, die Trump China auferlegen will.

Hellmeyer: Ich sehe China als wesentlichen Kontributor für die Weltwirtschaft mit einem Wachstumsclip zwischen 4,5 bis 5,0 Prozent. Laut dem australischen ASPI-Institute, dass 64 für die Weltwirtschaft bedeutende Wissenschaftsfelder definiert hat, führt China in 57 dieser Felder (Stand 08/2024). Das erinnert an das Deutsche Reich im Sommer 1914. Da führten wir in 90 Prozent der Wissenschaften und deren industrieller Anwendung. Ja, es gibt unverändert Probleme in China, ob Immobilienmarkt, Jugendarbeitslosigkeit und den hybriden Wirtschafts- und Finanzkrieg der USA, aber es sind keine Felder, die unbeherrschbar sind. Ökonomische und finanzielle Substanz ist weiter gegeben. Die Aktienmärkte sind unverändert für entscheidende Marktteilnehmer des Westens kaum oder nicht investierbar, die politischen Risiken werden weiter als hoch eingeschätzt. Ergo machen die Märkte Festlandchina und Hongkong als Beimischung Sinn, abr nicht als profunder Teil der Allokation.

Kaiser: China diversifiziert den Export jetzt schon. Sie gehen ganz klar in Richtung Asien, und in der Freihandelszone in Asien mit Australien wird sehr viel umgeschichtet. Bei Renminbi oder Yuan können im Wechselkurs natürlich einige dieser Zolleffekte wieder abgefangen werden, was sowohl positiv für die Exporte, aber negativ für die Importe ist. Das Vertrauen der internationalen Investoren, hat zuletzt stark gelitten, Stichworte Alibaba und Jack Ma und Co. Insbesondere die Regulierungen müssen gelockert werden, denn das mögen die internationalen Investoren überhaupt nicht. Hinsichtlich des Wachstums sind  4,5 Prozent drin. Derzeit hat China einen Anteil an der Weltproduktion von fast 20 Prozent, und im MSCI World sind sie mit drei Prozent vertreten. Zum Vergleich, die USA haben einen Anteil von 16 Prozent beziehungsweise 22 Prozent.

Kaffarnik: China braucht wirklich einen Trigger in Form von Konjunkturpaketen. Japan hat beispielsweise 250 Prozent Staatsverschuldung, da haben die Chinesen noch einen weiten Weg. Die letzten Zahlen, die gekommen sind: 10 Prozent Exportwachstum, ein Prozent Importwachstum. Daraus folgt: China hängt in den Seilen und exportiert seine Probleme, was zukünftig angesichts der Trump-Politik schwieriger wird. Andererseits: die Sparquote beträgt 30 Prozent in China. Das heißt, es gibt enorme Möglichkeiten für den Konsum, was die chinesischen Aktien verglichen mit dem Rentenmarkt pushen könnte. Alle warten darauf, dass ein Lokführer einsteigt und der Zug losfährt. Wir haben nur einige wenige chinesische Aktien, weil die Signale noch nicht auf Grün stehen, weder auf Seiten der Zentralbank, noch von der kommunistischen Partei her, noch aus dem Markt selbst heraus. 

Und Indien?

Teuber: Indien sehen wir positiv, solides Wachstum, dort läuft eigentlich alles sehr rund – auch auf dem Aktienmarkt. Allerdings erwarten wir keine Outperformance, denn es fehlen noch ein paar Reformen, die das Wachstum weiter pushen würden. Darüber hinaus sind Länder mit Außenhandelsleistungsbilanzdefizit ganz vorteilhaft, die mag Trump. 

Kaffarnik: Indien war über lange Zeit in Dollar gerechnet einer der besten Emerging Markets, auch wenn er immer sehr teuer war. Zwar dürfte das Wirtschaftswachstum  in diesem Jahr dort wieder in der Nähe von sieben Prozent liegen, jedoch müssen auch die Gewinne  der Unternehmen wiederum hoch ausfallen, um die Investoren zufriedenzustellen. Sollte es hier zu Enttäuschungen und damit verbundenen Kursrückgängen kommen, sehe ich das  längerfristig als gute Kaufgelegenheit.

Kaiser: Indien bleibt im Bereich der Schwellenländer sicherlich interessant. Die Wachstumsdynamik und das nach wie vor hohe Bevölkerungswachstum sind positive Aspekte. Auch die zunehmende Bedeutung der Binnennachfrage spricht für Indien, da mögliche Zölle hier eher abgefangen werden könnten. Nachteile sind allerdings wie für den gesamten Schwellenländer komplex der starke US- Dollar und mögliche Kapitalrückflüsse in die USA aus den diskutierten Gründen (America First). Zudem ist Indien sicherlich einer der teureren Aktienmärkte. Insgesamt sehen wir Indien eher neutral und finden aus Bewertungsgründen insbesondere Südkorea und auch einige Asean-Märkte mittelfristig interessanter. Der ganze Komplex ist eher als Beimischung bzw. Nische zu sehen .

Hellmeyer: Indiens Wirtschaft brummt. Unter den größeren Ökonomien im fernöstlichen Raum ist Indien die Nummer eins. Modi hat sehr gute Zustimmungswerte, folglich ist die innere politische Stabilität gegeben. Ineffizienzen, unter anderem Korruption, Glaubensfragen und Infrastruktur stehen einem größeren ökonomischen Erfolg nach wie vor im Wege. Indien hat sich für eine offene Außenpolitik entschieden, das heißt Kooperation mit dem Westen, aber auch mit Russland. Bisher schadet dieser Weg nicht bezüglich westlicher Investoren. Das muss nicht so bleiben. Fakt ist, dass Indiens Aktienmarkt per 2024 eine Performance von rund neun Prozent  ablieferte, das war im Vergleich zum S&P 500 (rund 25%) und dem DAX (circa 19%) überschaubar. Fakt ist, dass der indische Markt hoch bewertet ist.Ich unterstelle eine solide Performance im laufenden Jahr.

Dieser Roundtable ist Teil des EXTRA Kapitalanlage. Alle Artikel des EXTRA finden Sie hier.

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