Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, kommentiert die gestrige Entscheidung der EZB, die Zinsen unverändert zu lassen und weitere monetäre Maßnahmen im März zu prüfen.
Erwartungsgemäß hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen unverändert gelassen. Doch diesen Kurs wird sie auf Dauer nicht durchhalten. Wir rechnen damit, dass die europäischen Währungshüter im März, spätestens aber im Mai die Zinsen nochmals deutlich nach unten korrigieren werden.
Klassische Wirtschaftslogik steht Kopf
Die EZB folgt einem falschen Credo: nämlich dass die niedrigen Rohstoffpreise für die Weltwirtschaft schlecht sind. Damit stellt sie die klassische Wirkungslogik auf den Kopf. Bislang galt: Niedrige Energiepreise wirken wie ein Wachstumsprogramm. Denn die Unternehmen können günstiger produzieren und die Verbraucher können das dank gesunkener Benzin- und Heizkosten gesparte Geld in den Konsum stecken. Das kurbelt die Konjunktur an – wozu bräuchte man dann noch Zinssenkungen?
Geldpolitik hilft Inflation nicht auf die Sprünge
Der Inflation werden weitere geldpolitische Schritte angesichts der niedrigen Rohstoffpreise auch nicht auf die Sprünge helfen. Mit genau diesem Ziel war die EZB aber vor einem Jahr angetreten, als sie ihr umfangreiches Anleiheankaufprogramm startete. Grundsätzlich wird die Wirkung einer Medizin mit zunehmender Dosis nicht besser. Und so bleibt trotz der großen Geldflut die Inflation in der Euro-Zone am Boden. Die Preise sind im Dezember 2015 nur um 0,2 Prozent gestiegen. Optimal für die Konjunkturentwicklung gilt ein Wert von knapp zwei Prozent.
Realitätsverweigerer positionieren sich
Zwar ist bekannt, dass die EZB für ihren aktuellen geldpolitischen Kurs viel Gegenwind in den eigenen Reihen bekommt. Doch die Realitätsverweigerer im EZB-Rat werden sich weiter positionieren: Das sind diejenigen, die trotz der aktuellen Situation an den Rohstoffmärkten für weitere geldpolitische Maßnahmen plädieren. Wir rechnen daher spätestens ab dem Frühsommer mit verschärften Minuszinsen. Der Einlagezinssatz dürfte weiter gesenkt und das Anleiheankaufprogramm erhöht werden. Am Ende stellt sich die Frage, was der EZB noch bleibt, wenn wider Erwarten auch das Wachstum in der Eurozone im Jahresverlauf spürbar nachlässt?
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