In ihrer Sitzung vom vergangenen Donnerstag beließ die Europäische Zentralbank den Leitzins ein weiteres Mal unverändert. Der Finanzdienstleister Dr. Klein untersucht, wie sich der Kurs der EZB auf die Baufinanzierungszinsen in Deutschland auswirkt und welche Anzeichen es für einen baldigen ersten Zinsschritt gibt.
In der Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 25. Januar habe Mario Draghi, Chef der Zentralbank seinen gewohnten Duktus verändert: Sein Resümee der wirtschaftlichen Situation sei positiver ausgefallen als bisher.
Konkrete Neuerungen gab es nicht, auch wenn im Vorfeld immer wieder über den Zeitpunkt erster Zinserhöhungen spekuliert worden war.
„Ich bin der Überzeugung, dass Draghi in diesem Jahr noch keinen Zinsschritt unternehmen wird“, kommentiert Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG. „Vielmehr wird er seine Strategie fortsetzen, die er seit Beginn seiner Amtszeit eingeschlagen hat: behutsame Veränderungen und deren begleitende Kommunikation.“
Das Anleihekaufprogramm läuft noch bis September. Wenn es ohne eine Nachfolgermaßnahme ausläuft und die wirtschaftliche Konsolidierung stabil ist, könnte die EZB – wie angekündigt – ihrer amerikanischen Schwester folgen und die Zinsen 2019 leicht erhöhen. „Auch dann wird Draghi ganz der kalkulierende Stratege bleiben, den wir kennen, und eine Erhöhung nur in minimalen Schritten initiieren“, so Neumann weiter.
Wie reagieren die Baufinanzierungszinsen?
Wer die Baufinanzierungszinsen in den letzten Wochen des alten Jahres beobachtet hat, der hatte laut Dr. Klein bisweilen den Eindruck, er würde ein Standbild betrachten.
„Nach achtwöchiger Konstanz haben wir Mitte Januar einen leichten Zinsanstieg um gut zehn Basispunkte gesehen“, fasst Neumann die jüngste Entwicklung zusammen. Der aktuelle Bestzins für Baufinanzierungen mit zehnjähriger Zinsbindung liege bei 1,05 Prozent.
„Im Laufe dieses Jahres halte ich es für wahrscheinlich, dass die Zinsen für Baudarlehen leicht anziehen. Hier könnte sich die Erwartungshaltung der Märkte niederschlagen: Sie spekulieren auf den Ausstieg der EZB aus der expansiven Geldpolitik und auch auf einen ersten Zinsschritt in 2019. Zusätzlichen Einfluss auf den Zinsmarkt könnte die öffentliche Debatte um Draghis Nachfolge haben“, gibt Neumann zu bedenken.
Was beeinflusst die Strategie der EZB?
Jüngst wurde die Jahresinflation in Deutschland bekannt gegeben: 2017 betrug sie 1,8 Prozent und ist somit drei Mal so hoch wie im Vorjahr und damit nahe an der von der EZB proklamierten Zielmarke von zwei Prozent. Diese bezieht sich jedoch auf die Kerninflation, also die Steigerung der Verbraucherpreise ohne Energiekosten und Nahrungsmittel.
Ohne diese Preistreiber lag die Teuerung in Deutschland bei 1,4 Prozent. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hierzulande lassen sich nicht eins zu eins auf ganz Europa übertragen, so Dr. Klein. Die Kerninflation im gesamten Euro-Währungsraum falle mit 0,9 Prozent deutlich geringer aus.
Auch die deutschen Löhne liegen laut Dr. Klein seit dem ersten Quartal 2014 stetig über denen des Vorjahres, wohingegen in Italien und Spanien die Löhne im letzten Jahr zurückgegangen seien.
Ein ähnliches Bild zeige sich bei der Arbeitslosenquote: Deutschland verzeichnete im November 2017 eine Quote von 5,3 Prozent, im EU-Durchschnitt lag sie bei 7,3 Prozent – und in Spanien und Italien mit 16,7 und elf Prozent deutlich darüber.
„Die EZB bewertet die Entwicklungen in Gesamteuropa und diese zeigen, dass wir noch kein langfristiges, stabiles Wirtschaftswachstum in allen EU-Staaten verzeichnen können. Insofern ist der Handlungsdruck auf die EZB, die Zinsen schnell zu erhöhen, noch immer überschaubar“, bilanziert Neumann. (bk)
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