Unter dem Strich zeichnet sich dabei ab, dass die Notenbank ihre Leitzinsen weiter anheben könnte – der Zeitpunkt aber ungewiss ist und der Zinsgipfel wohl nicht mehr allzu weit entfernt ist. Eine gewohnt ausgewogene Position vertrat vor dem Wochenende der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau. „Die Entscheidungen auf den kommenden Sitzungen werden offen sein und vollständig von der konjunkturellen Entwicklung anhängen“, sagte der Franzose. Ähnlich hatte sich am Donnerstag EZB-Präsidentin Christine Lagarde geäußert, nachdem die Notenbank ihre Leitzinsen zum neunten Mal in Folge auf den höchsten Stand seit 15 Jahren angehoben hatte. Mit Blick auf die nächste Zinssitzung, die nach der Sommerpause im September stattfinden wird, sprach Lagarde von der Möglichkeit einer weiteren Anhebung.
Eine Zinspause sei aber auch denkbar. In die Richtung Lagardes gingen auch Bemerkungen von Litauens Notenbankchef Gediminas Simkus. „Vielleicht wird es im September eine Pause geben“, sagte er am Freitag. „Aber möglicherweise müssen wir dann im Oktober weiter anheben.“ In die gleiche Kerbe schlug EZB-Ratsmitglied Peter Kazimir: „Selbst wenn wir im September eine Pause einlegen würden, wäre es verfrüht, dies automatisch als Ende des Straffungszyklus zu betrachten.“ Den Zinsgipfel – also das vorläufige Ende der Zinsanhebungen, sieht er dennoch „in greifbarer Nähe“. Auch der griechische Notenbankchef Giannis Stournaras sieht den Inflationskampf der EZB auf sein Ende zusteuern. Sollte es im September tatsächlich zu einer Zinsanhebung kommen, wofür er derzeit aber keinen Anlass sieht, wäre dies aus seiner Sicht der letzte Zinsschritt im aktuellen Straffungszyklus. An den Finanzmärkten und unter Bankvolkswirten herrscht derzeit Unsicherheit über den künftigen Kurs der EZB. Bankvolkswirte sind sich uneins, ob die Notenbank überhaupt noch weitere Straffungen in Angriff nimmt.
An den Märkten wird bis zum Jahresende derzeit eine weitere Anhebung erwartet, allerdings ist der Zeitpunkt unklar. Hintergrund der Unsicherheit ist zum einen die tendenziell rückläufige Inflation. Zum anderen trübt sich die Konjunkturlage im Währungsraum zunehmend ein. Vor allem die größte Euro-Volkswirtschaft Deutschland entwickelt sich derzeit schwach – und zieht damit den gesamten Euroraum mit nach unten.