Update: EZB lockert Zinsschraube weiter

Hintergrund des Zinssenkungskonzepts der Bank, 3D-Rendering
Foto: PantherMedia/meshcube
EZB senkt Leitzins erneut

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen um weitere 0,25 Prozentpunkte gesenkt.

Zum dritten Mal in diesem Jahr, nach Juni (0,25 Prozent) und September (0,25 Prozent), hat die EZB den Leitzins heute erneut um einen Viertelprozentpunkt abgesenkt – auf nunmehr 3,25 Prozent. Damit reagiert die Notenbank auf die abflauende Inflation im Euroraum.

Der Zinssatz, zu dem sich Banken Geld bei der Notenbank besorgen können, sinkt ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 3,4 Prozent, wie die EZB nach einer auswärtigen Sitzung in Slowenien mitteilte. Es ist das dritte Mal, dass die Notenbank in diesem Jahr die Zinsen senkt. Hinweise auf weitere Zinsschritte im Jahresverlauf vermied die EZB. Man werde weiter datenabhängig entscheiden, hieß es.
Kredite etwa für den Hausbau könnten günstiger werden

Sinkende Leitzinsen stützen zeitverzögert die Konjunktur und sind daher eine gute Nachricht für die schwache deutsche Wirtschaft. Unternehmen können bei günstigeren Krediten leichter investieren und Verbraucher sich billiger verschulden – etwa beim Hausbau. Sparer hingegen müssen mit niedrigeren Zinsen bei ihrer Bank rechnen und geringere Renditen etwa bei Lebensversicherungen in Kauf nehmen.
Mit der Zinssenkung habe die EZB den Konjunktursorgen im Euroraum stärker Rechnung getragen, sagte Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Er warnte umgehend vor Illusionen: „Leitzinssenkungen werden die hartnäckige, weil strukturelle Wachstumsschwäche nicht beseitigen. Stattdessen braucht gerade Deutschland entschlossene wirtschaftspolitische Weichenstellungen“, sagte Herkenhoff.

Erfolge im Kampf gegen die Inflation

Ökonomen hatten die Zinssenkung der EZB erwartet, denn die Inflation im Euroraum sinkt: Im September fiel die Teuerungsrate dem Statistikamt Eurostat zufolge auf 1,7 Prozent. Das war noch weniger als in einer ersten Schätzung errechnet und deutlich niedriger als im August (2,2 Prozent). Die Inflation lag damit erstmals seit Mitte 2021 unter der Zielmarke von zwei Prozent, die die EZB mittelfristig im Euroraum anstrebt. Vor allem billigere Energie drückte die Teuerungsrate und sorgte auch in Deutschland für einen deutlichen Rückgang der Inflation.

Zugleich macht die schwache Konjunktur in der Eurozone der EZB Sorgen. Sie erwartet nur ein Mini-Wachstum von 0,8 Prozent im laufenden Jahr – etwas weniger als im Sommer vorhergesagt. Dabei wirkt die schwache Wirtschaft in Deutschland wie ein Bremsklotz. Erst in den Folgejahren soll sich die Konjunktur im Währungsraum erholen, so die Notenbank.

„Wir können die Wachstumsabschwächung nicht ignorieren“, hatte EZB-Direktorin Isabel Schnabel jüngst gesagt. Ein nachhaltiger Rückgang der Inflation zum Ziel von zwei Prozent werde „in angemessener Zeit wahrscheinlicher“. Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, der sonst eher für einen vorsichtigen Kurs der EZB plädierte, hatte sich zuletzt offen für Diskussionen über eine Zinssenkung gezeigt.

Restrisiken bleiben

Trotz der Fortschritte im Kampf gegen die Inflation sehen Ökonomen die EZB noch nicht am Ziel: Denn die Kerninflation ohne schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel hält sich im Euroraum zäh. Sie sank im September nur leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent. Die EZB erwartet zudem, dass die Inflation zum Jahresende wieder etwas anzieht.

Stimmen aus der Finanzbranche zur Zinssenkung:

Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer von Oddo BHF SE: „Die Zinssenkung der EZB um 0,25 Prozentpunkte ist gerechtfertigt, auch in dieser Höhe. Der Zins für die Einlagefazilität, mit dem die EZB die Geldpolitik steuert, liegt nun bei 3,25 Prozent. Trotz dieser weiteren Rücknahme der Leitzinsen ist die Geldpolitik der EZB auch weiterhin restriktiv. Der Satz für die Einlagefazilität liegt weiterhin über dem neutralen Zinssatz, zu dem die Geldpolitik weder expansiv noch restriktiv auf die Wirtschaft wirkt. Deshalb werden diesem Zinsschritt voraussichtlich weitere folgen. Diese Zinssenkung ist besonders durch den Rückgang der Inflation gerechtfertigt. Im September lag die jährliche Inflationsrate im Euroraum bei 1,8 Prozent, nach 2,2 Prozent im August und 4,3 Prozent im September 2023. Eine größere Zinssenkung hätte Risiken mit sich gebracht, da die Kerninflation im Euroraum weiterhin bei 2,7 Prozent und damit über dem mittelfristigen Inflationsziel der EZB von 2,0 Prozent liegt.

Die Inflationsrisiken, die weiterhin auf der Wirtschaft lasten, sollten nicht unterschätzt werden. Besonders die Energiepreise sind schwer zu prognostizieren und bergen angesichts der zahlreichen geopolitischen Risiken Unwägbarkeiten für die Geldpolitik. Aus diesen Gründen halte ich den datengetriebenen Kurs der EZB für richtig. Mit dieser Zinssenkung ist die EZB nun schon zum zweiten Mal in diesem Zinszyklus der amerikanischen Notenbank Fed zuvorgekommen. Auch in Zukunft sollte die EZB schneller agieren als die Fed, da die Wirtschaftsdynamik in den USA höher bleibt als im Euroraum“.

Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV): „Die EZB schafft mit ihrer Entscheidung mehr Raum für dringend notwendige Investitionen in die technologische und nachhaltige Anpassung unserer Wirtschaft. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums und Deutschlands. Mehrere kleinere Schritte, dafür zeitlich näher beieinander, passen jedoch zum datenabhängigen Vorgehen der EZB. Deshalb sind einige weitere Schritte wahrscheinlich. Der Wille dazu scheint bei der EZB jedenfalls vorhanden zu sein. Nicht zuletzt deshalb, weil es international einen entsprechenden Zinstrend gibt. Voraussetzung für weitere Zinssenkungen sei, dass das Inflationsziel näherkomme. Für die Gesamtrate stimme der Trend, einzelne Bereiche müssten aber weiterhin gut beobachtet werden. Die Dienstleistungspreise stiegen immer noch mit fast ungebremster Dynamik. Wenn zudem bei den Energiepreisen die Basiseffekte auslaufen, birgt das Potenzial für Enttäuschungen. Deshalb ist es unabdingbar, weiter an der Lösung der Energiefrage zu arbeiten. Das bedeutet, für die sichere Verfügbarkeit und bezahlbare Kosten zu sorgen.“

Dr. Michael Heise, Chefökonom des Family Office HQ Trust

„Der heutige Zinssenkungsschritt der EZB war erwartet worden und ist angesichts der schwachen Konjunkturdaten und der rückläufigen Inflation seit der Septembersitzung vertretbar. Der Zinsschritt wird der schwachen Nachfragentwicklung im Euroraum zumindest einen kleinen Impuls geben und kann als eine vorbeugende Maßnahme gegen Rezessionsrisiken gesehen werden. Ob ein weiterer Zinssenkungsschritt im Dezember folgt, ist allerdings fraglich, denn er hängt entscheidend von den eingehenden Inflationsdaten ab. Der Rückgang der Preissteigerungen im September war vor allem geringeren Energiepreisen zu verdanken. Sollte die Gesamtinflation im November und Dezember wieder ansteigen, was vielfach erwartet wird, wird die EZB die Auswirkungen ihrer bisherigen Maßnahmen erst einmal abwarten. Eine Festlegung auf weitere Zinssenkungen wäre nicht zu empfehlen, da sich Dienstleistungen weiterhin stark verteuern und es bislang keine klaren Anzeichen für deutlich nachlassende Lohnsteigerungen im Euroraum gibt. Mit der Rücknahme des Einlagensatzes wird sich die Verzinsung der Bankeinlagen für die Privathaushalte weiter reduzieren. Ohne deutliche Vorankündigung weiterer Leitzinssenkungen dürfte der Effekt allerdings moderat sein.“

Oliver Kohnen, Geschäftsführer der Baufi24 Baufinanzierung GmbH: „Die Europäische Zentralbank (EZB) hat heute erneut eine Zinssenkung um 25 Basispunkte verkündet und den wichtigsten Leitzins – den sogenannten Einlagenzins – von 3,50 auf 3,25 Prozent gesenkt. Dieser Schritt war nach den jüngsten Äußerungen aus dem EZB-Rat sowie der abklingenden Inflation erwartet worden. EZB-Chefin Lagarde hat damit seit Juni bereits zum dritten Mal in diesem Jahr die Zinsschraube nach unten gedreht. Die Inflation, die in den vergangenen Jahren so stark die Kapitalmärkte in Bann gehalten hatte, ist längst kein beherrschendes Thema mehr. So gab die Inflationsrate im September in der Eurozone deutlich auf 1,8 Prozent nach, während in der Bundesrepublik gar das Dreijahrestief von nunmehr 1,6 Prozent festgestellt wurde. Die von der EZB immer wieder ausgegebene Zielmarke einer Teuerungsrate von 2 Prozent wurde damit erstmals seit 2021 wieder unterboten. Entsprechend wird unter Marktteilnehmern auch noch mit einer weiteren Zinssenkung von 25 Basispunkten bei der EZB-Sitzung im Dezember gerechnet. 

Mit dem neuen Zinssenkungszyklus reagiert die Zentralbank gleichzeitig auf das fragile Wirtschaftswachstum in der Eurozone, das insbesondere von der schwachen Konjunktur in Deutschland weiter belastet wird. Die Bundesregierung hat vergangene Woche eingeräumt, dass die größte Volkswirtschaft des Währungsraums schon das zweite Jahr in Folge in der Rezession verharren dürfte.   Am Hypothekenmarkt wurde die Zeitenwende in den vergangenen Monaten indes längst vollzogen. Die Bauzinsen sind auf den tiefsten Stand des Jahres gefallen und liegen aktuell bei etwa 3,10 Prozent. Bei erstklassiger Finanzierung sind momentan sogar Zinsen bei 2,90 Prozent möglich. Gegenüber den Hochzeiten in den Jahren 2022 und 2023, als die Bauzinsen Spitzenwerte von über 4 Prozent erreichten, hat sich die Situation für Kreditnehmer damit spürbar verbessert. Interessierten Immobilienkäufern eröffnen sich damit wieder deutlich attraktivere Finanzierungsmöglichkeiten.  Der entscheidende Unterschied zu den vergangenen Monaten liegt jedoch in der Dynamik des Immobilienmarktes. Nachdem die Preise über ein Jahr nachgegeben bzw. stagniert haben, ziehen sie nun wieder erkennbar an. Die durchaus beachtliche Preiskorrektur, die viele Käufer noch im Frühjahr hoffen ließ, ist zu Ende. Aktuell steigen die Immobilienpreise zwar noch nicht so stark, wie sie es in einem heiß gelaufenen Verkäufermarkt tun. Doch Häuslebauer in spe sollten das noch offene Zeitfenster nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wer zu lange zögert, riskiert, schon in naher Zukunft bei relativ konstanten Finanzierungskosten mit stärker anziehenden Immobilienpreisen konfrontiert zu werden. Der Immobilientraum könnte dann wie schon in den 10er-Jahren in weitere Ferne rücken.“

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