EZB-Sitzung: „Wie immer wird der Teufel im Detail stecken“

Die Europäische Zentralbank (EZB) tagt am Donnerstag. Das Lockern der geldpolitischen Zügel steht außer Frage. In den vergangenen Monaten haben führende Notenbanken deutliche Signale zur Lockerung der Geldpolitik gegeben. Ein Kommentar von Stewart Robertson, Senior Economist – UK und Europa bei Aviva Investors.

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB)

„Es besteht kein Zweifel daran, dass die EZB auf ihrer Ratssitzung am Donnerstag zusätzliche geldpolitische Impulse setzen wird. Dies wird Draghi’s letztes Treffen als Zentralbankchef sein, bevor er den Staffelstab an Christine Lagarde weitergibt. Dabei besteht die einzig offene Frage in der Art und Weise der Lockerungsmaßnahmen.

Wie schnell sich die Dinge doch ändern: Vor 18 Monaten war alles so anders. Zu Beginn des Jahres 2018 waren alle optimistisch, was die Aussichten für die Eurozone betraf. Nach einem Jahr mit rasantem Wachstum im Jahr 2017, zumindest für die Eurozone, schien der Weg für die EZB frei, um den Aufschwung den Boden zu bereiten. Nach einem Jahrzehnt der Flaute boomte die Wirtschaft und die EZB konnte ihre Anlagenkäufe verlangsamen und beginnen, die Leitzinsen von historischen Tiefstständen nach oben zu treiben.

Wirtschaftliche Stagnation, niedrige Inflation und Handelskonflikte

Der Kurswechsel kam dann durch mehrere Faktoren zustande: eine erneute wirtschaftliche Stagnation in Schlüsselbereichen, eine anhaltend niedrige Inflation, Abwärtsrisiken für das Wachstum aufgrund von Handels- und Zollsorgen sowie den konjunkturellen Abschwung in der Fertigung und Industrie. Mit dem Leitzins der EZB bei -40 Basispunkten ist eine weitere monetäre Lockerung schwer vertretbar.

Die Märkte erwarten das aber. Und in der Tat gibt es Raum für Enttäuschung, wenn die Finanzmärkte entscheiden, dass die Maßnahmen der EZB unzureichend sind. Es ist nicht einfach, genau zu bestimmen, was der Markt erwartet.

Mindestens erwarten dürfte er aber zweierlei: die angekündigte Wiederaufnahme der quantitativen Lockerungsmaßnahmen in naher Zukunft um vielleicht 30 Milliarden Euro pro Monat. Und, dass der Einlagenzins auf -50 Basispunkte gesenkt wird – eventuell gemildert durch eine Teilung des Zinssatzes (Tiering), um schwächerer Banken zu schützen.

Die EZB kann sich auch an einigen rhetorischen Tricks hinsichtlich der von ihrer verwendeten Sprache beteiligen und so deutliche Hinweise darauf geben, dass sie bereit ist, noch einige Zeit lang Unterstützung zu leisten. Alle Maßnahmen sind vor dem Hintergrund zu treffen, dass die offiziellen Prognosen für Wachstum und Inflation nochmals zurückfallen.

„Wie immer wird der Teufel im Detail stecken“

Während seiner achtjährigen Amtszeit hat Draghi mehrmals eine meisterliche Vorstellung geboten, um die Bedenken der Märkte zu zerstreuen und die Stimmung zu beruhigen. Unabhängig davon, ob Maßnahmen ergriffen wurden oder nicht. Aber er war nicht unfehlbar – es gab auch Zeiten, in denen die Marktreaktion nicht das war, was die EZB sehen wollte.

Es ist wahrscheinlich, dass dies die Zeiten waren, in denen es große Meinungsverschiedenheiten zwischen den EZB-Mitgliedern gab und Draghi versucht hat, einen überzeugenden und glaubwürdigen Mittelweg zu finden. Die meiste Zeit hat das funktioniert und er ist im Laufe der Jahre besser geworden. Aber es ist kein Geheimnis, dass es wieder einmal unterschiedliche Ansichten im EZB-Rat gibt.

Seine letzte Ratssitzung wird genau beobachtet werden, um zu sehen, ob er es zum letzten Mal schaffen wird. Lagarde ist auch eine sehr beeindruckende Rednerin, doch ihre Rolle bei der EZB ist neu für sie. Sie würde gut daran tun, Draghi zu beobachten und von ihm lernen, wie er mit seiner beeindruckend abwartenden Art überzeugen konnte.“

Foto: Arne Dedert/dpa

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