EZB und Fed: Zinsen bleiben wohl länger hoch


•          Kerninflation dürfte weniger stark fallen als Gesamtinflation
•          Zentralbanken könnten höheres Zinsniveau stabilisieren
•          EZB mit zu optimistischer Inflationsprognose
•          Kein monetärer Rückenwind für die Börsen
•          Anleihen insgesamt weiter negativ, aber ausgewählte hochwertige Anleihen mit attraktiver Verzinsung

Die Gesamtinflation sollte in den USA auch in den kommenden Monaten zurückgehen. Auch in der Eurozone dürfte die Gesamtinflation wegen der sinkenden Energiepreise zunächst fallen. Verbesserungen respektive Rückgänge der Inflationsrate nehmen den Druck von den Zentralbanken, weiterhin große Zinsschritte zu machen. Allerdings dürfte die Kerninflation aber weniger stark fallen als die Gesamtinflation. Inflationskomponenten wie Mieten oder auch Dienstleistungen dürften nicht so schnell zurückkommen. Unterscheidet man zwischen Gütern und Dienstleistungen, so ist festzustellen, dass die Inflation der Güterpreise sinkt. Die Service-Inflation dagegen steigt. Und diese ist eine viel größere Gefahr für das Erreichen des Inflationsziels.

Zum Ende des Zinserhöhungszyklus rechnen die Marktteilnehmer in den USA mit einer Spanne des Leitzinssatzes von 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Die Fed könnte aber gezwungen sein, noch weiter zu gehen, auch wegen der anhaltend starken Arbeitsmarktberichte. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell sagte dazu, dass noch ein langer Weg zu gehen sei, um die Inflation abzukühlen („There is a significant way ahead to cool down inflation“). Unter den stimmberechtigten Fed-Mitgliedern scheint es einigen Dissens zu geben (Gleiches gilt wohl auch für die EZB): Manche Mitglieder hätten auch bei der letzten Sitzung gerne 50 Basispunkte gesehen. Ein Fed-Gouverneur glaubt auch, dass man 2024/25 über 5,5 Prozent liegen wird. Generell kann man sagen, dass eine so große Streuung hinsichtlich der Zinserwartungen 2023/24/25 historisch ungewöhnlich ist.

Zugleich steht das Komitee der stimmberechtigten Fed-Mitglieder auch vor einer Neubesetzung, beziehungsweise einige Personalien ändern sich. Es gibt noch keine Erfahrungswerte darüber, wie die neuen Mitglieder abstimmen werden. Möglich ist, dass sie tendenziell eher auf der Seite der Falken stehen: Die Inflation soll ja nicht gleich zu ihrem Problem werden. Insgesamt ist es nicht angebracht, hinsichtlich schneller Zinssenkungen allzu optimistisch zu sein. Fed und auch EZB werden voraussichtlich erst einmal versuchen, die Zinsen auf einem höheren Niveau zu stabilisieren, bevor über Zinssenkungsschritte nachgedacht wird.

In Europa wiederum erscheinen die Prognosen der Europäischen Zentralbank hinsichtlich der Inflationsentwicklung 2023 bis 2025 zu optimistisch: Bis Ende 2024 wieder Preisstabilität zu erreichen ist unwahrscheinlich.

Aus monetärer Sicht kam die globale Liquidität durch die expansive Politik der japanischen Notenbank bisher nicht so stark unter Druck wie befürchtet. Denkbar ist aber, dass der neue Gouverneur der Bank of Japan viel stärker mit Amerikanern und Europäern kooperieren wird und damit die BOJ deutlich weniger expansiv agieren wird.

In der zweiten Jahreshälfte könnte es zu einer erneuten Marktkorrektur kommen. Die Gründe dafür liegen im laufenden Prozess des Quantitative Tightening, in möglicherweise ausbleibenden Zinssenkungen respektive in Zinsen, die höher sind als erwartet. Aus monetärer Sicht ist für die Börsen in den USA und Europa daher kein Rückenwind zu erwarten.

Historisch war die Entwicklung der Geldmenge immer der beste Börseneinflussfaktor: Die US-Geldmenge M1 wächst aktuell nicht mehr, und die US-Überschuss-Liquidität ist negativ, das heißt es ist derzeit zu wenig überschüssiges Geld für Aktieninvestitionen im Wirtschaftskreislauf.

Für Anleihen bleibt das Sentiment negativ. Aber wir sehen Chancen, denn es sind weiterhin top eingestufte Anleihen (Beispiel AA oder A) mit attraktiver Verzinsung zu finden. 

Seite 6: US-Dollar/Euro

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