Wie kommt es dazu, dass Strategien mit diesen Faktoren trotzdem aufgelegt werden?
Raviol: Wenn ich viele Daten habe und lange genug nach Auffälligkeiten suche, dann finde ich auch welche. Quantitative Investmentstrategien werden oft in einem Umfang angewendet, der nicht immer berechtigt ist. Man analysiert die Renditen verschiedener Aktien zwangsläufig historisch. Aber ein mathematisches Muster aus der Vergangenheit ergibt noch lange keine Renditequelle für die Zukunft.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Raviol: Wir haben mal versucht, ein plastisches Beispiel zu finden, das unsere Kritik an der Übermathematisierung verdeutlicht. Dazu haben wir selber einen Faktor gebaut, der quantitativ super aussieht, so wie man es gern hätte. Dafür haben wir die dreißig Dax-Titel nach ihrer Isin sortiert und sie in gerade und ungerade aufgeteilt. Die Aktien mit den geraden Isins haben über die betrachteten drei Jahre deutlich besser performt. Der Knackpunkt war dabei, dass das gute Abschneiden nicht an einer wünschenswerten Eigenschaft der Aktien lag, sondern statistischer Zufall war. Wenn ich Ihnen jetzt nicht gesagt hätte, dass es die Isin ist, sondern gesagt hätte, „die haben eine besonders niedrige Verschuldung“ oder „die haben eine besonders hohe Dividendenrendite“ oder ein anderes Kriterium, dann hätten Sie vielleicht gesagt: „Okay, das klingt plausibel“. Ich glaube, das passiert tatsächlich.
Interview: Katharina Lamster
Foto: Lupus alpha
Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe zum Thema Factor Investing, hier kommen Sie zu den schon veröffentlichten Beiträgen:
Factor Investing: Das müssen Investoren beachten
Mehr Rendite mit weniger Volatilität
Warum langweilige Aktien die Rendite steigern
Momentum: Haben Sie starke Nerven?
Stabilität im Anleihen-Portfolio durch Qualitätsfaktoren
Warum Sie auf Small Caps setzen sollten
So funktionieren Carry-Strategien
Smart-Beta-ETFs: Aktiv oder Passiv
Warum werden Smart-Beta-ETFs immer beliebter?
So funktionieren Enhanced-Indexing-Strategien
So funktioniert Factor Investing bei Anleihen
Warum sich Factor Investing und Multi Asset ergänzen
Factor Investing: „Value ist keine Risikoprämie“ (Zweiter Teil dieses Interviews, ab Dienstag 11.06.)