Und welche andere Risikoprämie außer Size und Low Beta gibt es noch?
Raviol: Volatilität. Denn Volatilität ist nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Renditequelle. Dabei geht es um die Differenz, welche Schwankung der Markt erwartet und wie hoch am Ende tatsächlich die Volatilität ist. Langfristig liegt die erwartete Volatilität bei Aktien etwa vier Prozentpunkte über der realisierten Volatilität. Der Markt schätzt also die künftige Marktschwankung systematisch zu hoch ein. Gegen die Schwankung in der Zukunft wollen sich Anleger absichern. Dafür sind sie auch bereit eine Prämie zu zahlen; vergleichbar mit einer Versicherung gegen künftige Schäden. Ähnlich wie ein Versicherungsunternehmen übernehmen wir als Portfolio-Manager dieses Risiko für den Anleger und erhalten im Austausch eine Prämie; die Volatilitäts- Risikoprämie.
Wie bewerten sie die anderen klassischen Faktoren wie beispielsweise Value?
Raviol: In vielen Aktien stecken natürlich mehr oder weniger auch Size und Leverage drin, aber bei dem Faktor Value sind wir kontrovers zur Industrie. Value ist für sich genommen keine Risikoprämie. Bei der Anwendung des Value-Filters hat man nur über viele Jahrzehnte, zufällig und unabsichtlich Low-Beta-Aktien gefunden, als man zum Beispiel Aktien nach dem Price-to-Book- Verhältnis gefiltert hat. Unternehmen, die ein attraktives Price-to-Book-Verhältnis haben, sind typischerweise langweilige Unternehmen, die ein niedriges Beta haben. Das hat sich interessanterweise vor ein paar Jahren gedreht. Viele Value-Portfolios bestehen nun eher aus High Beta-Aktien, und seitdem funktioniert Value auch nicht mehr richtig. Wenn ich frage, wie die Risikoprämie für Value funktioniert, bekomme ich keine plausiblen Erklärungen. Warum sollte ein Unternehmen, das ein attraktives Price-to-Book-Verhältnis hat, nachhaltig bessere Renditen liefern? Diese eine Kennzahl liefert für sich genommen keine ökonomische Begründung. Das Gleiche gilt für Momentum, Quality und andere wenig spezifische Faktoren. Dennoch können diese eine Zeitlang erfolgreich sein, denn wenn ein Faktor zeitweise funktioniert, warum auch immer, fließt erst einmal viel Geld in diese Produkte. Dadurch werden die Aktienpreise genau dieser Unternehmen hochgetrieben. Das ist ein sich selbst verstärkender Effekt, der nur langsam wieder korrigiert wird.
Interview: Katharina Lamster
Foto: Lupus alpha
Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe zum Thema Factor Investing, hier kommen Sie zu den schon veröffentlichten Beiträgen:
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