Dr. Jörg Liesner und Eric M. Balzer, geschäftsführende Gesellschafter des Hamburger Family Offices Liesner & Co., haben mit Cash. über die Besonderheiten der Family-Office-Dienstleistung gesprochen.
Seit dem Jahr 2000 erfreut sich das Modell Family Office immer größerer Beliebtheit. Woran liegt das?
Liesner: Ein gutes Family Office schließt eine Vielzahl an Dienstleistungslücken. Administrativ übernehmen wir zum Beispiel Dokumentation, Koordination und Archivierung. Fachlich gilt es, mit der Innovationskraft der Märkte mitzuhalten und somit den Mandanten ein unabhängiger Ratgeber zu sein.
Inhaltlich unterstützen wir bei der Filterung und Identifikation von Investmentlösungen, in dem wir den Investitionsprozess von Push – das heißt dem Mandant wird etwas angeboten – auf Pull – Investitionslösungen werden angefordert – umkehren. Ein prominentes Beispiel sind etwa Grundstücke in begehrten Lagen.
Balzer: Die Summe der Aufgaben ist schlichtweg von einer einzelnen Person gar nicht zu leisten. Daneben ist das Bedürfnis nach einem vertrauenswürdigen Partner schon seit jeher vorhanden. Hier geht die zunehmende Beliebtheit des Family Offices mit der Abkehr der Banken von der unabhängigen Beratung und dem Modell des klassischen Privatbankiers einher.
Zudem hat die Komplexität der Diversifikation und der Steuerung von Vermögen in den vergangenen Jahren zugenommen. Daneben werden bei größeren Vermögen Anlagen getätigt, die von einem Finanzinstitut nicht abgedeckt werden können, wie zum Beispiel Auslandsinvestitionen in Sachwerte. Hierfür sind zudem geeignete Zugänge zu diesen Märkten erforderlich, die vornehmlich ein FO hat.
Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen der Anlagestrategie eines Family Office und der einer herkömmlichen Vermögensverwaltung?
Balzer: Als Family Office steht uns die vollständige Palette sämtlicher Assetklassen zur Verfügung. Das liquide Vermögen, dessen Anteil auch zunehmend geringer wird, ist immer nur ein Teil des Gesamtvermögens und sollte niemals alleiniger Vermögensbestandteil sein. Daneben sind wir von dem Mehrwert überzeugt, den direkte Vermögensanlagen haben können.
Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass ein Mandant, der sich ein Family Office leistet, im Rahmen der Vermögensverwaltung zum Beispiel in einen Immobilien- oder Agrarfonds investieren soll. Das lässt sich meistens viel erfolgreicher durch ein eigenes direktes Investment umsetzen.
Bei Ihren Mandanten geht es neben dem Vermögensaufbau auch um den Vermögenserhalt. Inwieweit erschwert die Niedrigzinsphase die Erreichung dieser Ziele?
Liesner: Da die meisten unserer Mandanten nicht auf laufende Erträge oder ähnliches angewiesen sind, stellt ein gesunkenes Zinsniveau erst einmal kein unmittelbares Problem dar. Im Gegenteil: Die Kursentwicklung langlaufender Rentenpapiere in den vergangenen Jahren ist phänomenal und die Zinskosten sind so rapide gefallen, dass Investitionen in anderen Assetklassen die bisherigen Erträge aus Rentenpapieren kompensieren – wenn nicht sogar überkompensieren – können. Es ist immer nur eine Frage des Blickwinkels.
Interview: Julia Böhne
Foto: Anna Mutter