Die Menschen in Deutschland sparen wie die Weltmeister. Doch bei größeren Summen lohnt sich das immer weniger. Die Zahl der Kreditinstitute, die Sparern Negativzinsen aufbrummen, hat sich einer Studie zufolge innerhalb eines halben Jahres fast verdoppelt.
Nach einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox erheben inzwischen 349 Banken und Sparkassen ein sogenanntes Verwahrentgelt bei größeren Summen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto (Stichtag: 29.Juni). Das sind 171 mehr als Ende 2020.
„Aktuell kommen nahezu täglich weitere Geldhäuser hinzu“, berichtete Verivox-Manager Oliver Maier. Zugleich verschärften viele Institute ihre Regelungen. Die Geldhäuser senkten den Zinssatz noch weiter ins Minus, oder reduzierten die Freibeträge, bis zu denen das Guthaben auf dem Konto von Negativzinsen verschont bleibt.
Lange Zeit wurden vor allem bei großen Summen ab 100.000 Euro ein Verwahrentgelt fällig. Inzwischen erheben Verivox zufolge mindestens 102 Institute Negativzinsen ab einer Gesamteinlage von 50.000 Euro oder weniger pro Kundin und Kunde.
Zuletzt hatte die Direktbank ING angekündigt, den Freibetrag von 100.000 Euro auf 50.000 Euro pro Konto zu halbieren. Andere große Institute wie die Commerzbank und die Postbank haben ähnliche Schritte angekündigt oder bereits vollzogen. „Wenn große Häuser ihre Negativzins-Regelungen verschärfen, besteht für Sparer immer die Gefahr, dass das zur Blaupause für andere Marktteilnehmer wird“, sagte Maier. „Gut möglich, dass sich künftig noch mehr Bankkunden auf niedrigere Freibeträge einstellen müssen.“
Sparquote steigt auf 23,2 Prozent
In der Vergangenheit hatten zu Beginn eines neuen Quartals besonders viele Banken und Sparkassen ihre Konditionen angepasst. Verivox rechnet für die ersten Juli-Wochen erneut damit. Die Sparquote in Deutschland war im ersten Quartal nach vorläufigen Daten auf 23,2 Prozent gestiegen. Von 100 Euro verfügbarem Einkommen legten die Haushalte somit im Schnitt gut 23 Euro auf die hohe Kante.
Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser weiter und berechnen Privatkunden Negativzinsen meist von 0,5 Prozent.
Die Negativzinsen treffen vor allem Neukunden. Will eine Bank von Bestandskunden ein Verwahrentgelt verlangen, muss sie das mit den Betroffenen individuell vereinbaren. Das ist aufwendiger. Zunächst schlossen die Geldhäuser solche Vereinbarungen daher vor allem mit Firmenkunden oder sehr reichen Privatkunden ab. Doch das ändert sich zunehmend.
So will beispielsweise die ING die etwa 750 000 ihrer 9 Millionen Bestandskunden anschreiben, die mehr als 50 000 Euro auf ihrem Giro- oder Tagesgeldkonto haben, und diese bitten, der Einführung des Verwahrentgelts zuzustimmen.
Verbraucherschützer kritisieren, dass „Banken und Sparkassen in den vergangenen Jahren besonders kreativ waren, wenn es um das Kreieren neuer Entgelte ging“. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält Negativzinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten von Verbrauchern grundsätzlich für unzulässig, unabhängig davon, ob es sich um Neu- oder Bestandskunden handelt. Der vzbv hat daher Klagen bei mehreren Gerichten eingereicht. „Uns geht es nicht um einzelne Institute, sondern um eine grundsätzliche Klärung“, erklärte der vzbv.
Die Verbraucherschützer argumentieren unter anderem, dass Tagesgeld eine Form des Sparens sei. Vertragszweck sei die Vermögensmehrung und nicht die Vermögensminderung. Bei Girokonten wiederum zähle die Verwahrung von Einlagen nicht zu den Zahlungsdiensten, für die Institute Geld verlangen könnten.
Verivox wertet die im Internet veröffentlichten Preisaushänge von etwa 1.300 Banken und Sparkassen aus. Überwiegend gelten Strafzinsen für Tagesgeld, teilweise werden sie aber auch für Giro- und Verrechnungskonten erhoben. (dpa-AFX)