Das Berliner Abgeordnetenhaus hat den Mietendeckel beschlossen. Für die nächsten fünf Jahre werden die Berliner Mieten eingefroren. Eine Baualterstabelle legt zukünftig fest, welchen Mietpreise Berliner Vermieter je nach Fertigstellungsdatum des Wohngebäudes, Ausstattung, Lage und Modernisierungsstand maximal verlangen dürfen. ImmoScout24 hat untersucht, wie sich das Angebot und die Preise von Miet- und Eigentumswohnungen seit der Ankündigung der Gesetzesinitiattive entwickelt haben. Die Zahlen lassen schon jetzt aufhorchen.
Knapp 95 Prozent aller in Berlin seit Anfang 2019 bis Mitte Januar 2020 angebotenen Mietwohnungen mit einer Fertigstellung vor dem Jahr 2014 lagen über den zukünfig durch den Mietendeckel geltenden Grenzwerten. Dabei überschreitet die Miete die zulässige Höhe im Durchschnitt mit 5,92 Euro pro Quadratmeter.
Durchschnittsberliner werden weniger profitieren
Im Ortsteil Mitte lagen so gut wie alle angebotenen Bestandswohnungen über dem Mietendeckel – zum Stichtag 23.01.2020 sogar 100 Prozent. Mit durchschnittlich 11,62 EUR/m2 ist hier die Differenz zur zukünftig geforderten Obergrenze am größten. Der Szenekiez Kreuzberg folgt mit 9,34 EUR/m2. Prenzlauer Berg mit 8,79 EUR/m2, Grunewald mit 8,23 EUR/m2 und Friedrichshain mit 7,96 EUR/m2 zählen ebenfalls zu den Ortsteilen, in denen Vermieter bislang eine deutlich höhere Miete fordern als zukünftig erlaubt. Die geringsten Differenzen zwischen der zukünftig zulässigen Miete und der verlangten Miete gibt es in Hellersdorf mit 2,30 EUR/m2, Buckow mit 1,83 EUR/m2 und Marzahn mit 1,40 EUR/m2. Aber auch in den Randbezirken liegen aktuell noch zwischen 78 Prozent der Angebote in Lichtenrade und 93 Prozent in Marzahn über den zukünftigen Höchstgrenzen.
Reduktion in der Bestandsmiete
Mietern in Bestandsverträgen gibt der Berliner Mietendeckel die Möglichkeit, eine Reduktion der Miete einzufordern, wenn ihre Miete 20 Prozent oder mehr über den in den Baualtersklassen festgelegten Richtwerten liegt. Dazu müssen sie nach der neuen Fassung des Gesetzes allerdings selbst tätig werden.
Ein Musterpaar in Mitte oder Prenzlauer Berg könnte mit dem Mietendeckel bei einer sanierten 100-Quadratmeter-Altbauwohnung ca. 300 Euro und mehr sparen. Eine Kleinfamilie aus Marzahn oder Hellersdorf in einem unsanierten 80er-Jahre-Bau mit der gleichen Größe hingegen nur 50 bis 100 Euro.
„Der Mietendeckel soll Mieter entlasten und den Preisdruck reduzieren, aber seine Systematik hat eine soziale Unwucht“, kommentiert Dr. Thomas Schroeter, Geschäftsführer von ImmoScout24.
Deutlicher Anstieg des Angebote von Eigentumswohnungen
Die Analyse von ImmoScout24 zeigt, dass das über dem Mietendeckel liegende Mietangebot seit Anfang 2019 kontinuierlich um ca. 18 Prozent abnahm - seit dem Regulierungsstichtag 18. Juni 2019 etwa um 10 Prozent. Gleichzeitig ist seit Juli 2019 das Angebot an unvermieteten Eigentumswohnungen auf ImmoScout24 um 40 Prozent gestiegen. Auch bereits vermietete Eigentumswohnungen werden vertärkt angeboten (+ 25 Prozent).
„Auf Basis unserer Daten kann man vermuten, dass Eigentümer bereits seit Juli 2019 verstärkt Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln und verkaufen“, schätzt Dr. Thomas Schroeter, Geschäftsführer von ImmoScout24 die Marktlage ein.
Das strukturelle Problem bleibt ungelöst: Der Neubau hält nicht mit der Nachfrage Schritt
Der Mietendeckel sorgt sowohl bei Mietern als auch bei Vermietern für Verunsicherung und eine langanhaltende Rechtsunsicherheit. Eine Kundenumfrage bei ImmoScout24 belegt eine große Ablehnung des Mietendeckels auf Vermieterseite. 47 Prozent der Vermieter würden als Konsequenz des Mietendeckels alle Investitionen stoppen und keine Mittel mehr in die Instandhaltung ihrer Objekte stecken. Knapp acht von zehn Befragten sehen ihn als ein massives Eingreifen in ihre Eigentumsrechte.
Berlin erlebte in den letzten Jahren laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg einen Zuzug von 30.000 bis 50.000 Menschen pro Jahr (Netto-Einwanderung). Derzeit gibt es einen Fehlbestand zwischen 100.000 und 135.000 Mietwohnungen. Von Juli bis September 2019 gab es rund 28 Prozent weniger neue Baugenehmigungen für Wohnungen als im Vorjahreszeitraum.
„Der Neubau hält nicht mit dem Bedarf Schritt. Dieses strukturelle Problem bleibt durch den Mietendeckel ungelöst – und wird sich sogar verschärfen durch weniger Investitionen in Neubau und einen drohenden Sanierungsstau“, prognostiziert Dr. Thomas Schroeter, Geschäftsführer von ImmoScout24. „Es steht insofern zu befürchten, dass der Mietendeckel eine Negativspirale in Gang setzt. Dann wird der Preisdruck langfristig sogar noch zunehmen.“
Methodik
Für die Einschätzung, ob eine Mietwohnung vom Mietendeckel betroffen ist, hat ImmoScout24 alle Mietinserate seit 1. Januar 2019 bis 23. Januar 2020 analysiert, die in die durch den Mietendeckel festgelegten Baualtersklassen fallen. Addiert wurden die vom Gesetz vorgesehenen Zuschläge in Höhe von 1 Euro für Modernisierungen zwischen 2004 und 2020 oder eine Luxus- bzw. gehobenen Ausstattungsqualität. Weitere Zu- bzw Abschläge ergaben sich aus Kriterien für die Wohnlage (+ 0,74 Euro bei guter Wohnlage und – 0,09 Euro bei mittlerer Wohnlage und – 0,28 Euro bei einfachen Wohnlagen. Als Neubau geltende Wohnungen, die zwischen 2014 und 2022 erbaut worden sind, wurden nicht in in der Berechnung der Abweichungen zum Mietendeckel berücksichtigt. Für die Umfrage zum Mietendeckel befragte ImmobilienScout24 im Sommer 2019 mehr als 1.000 private Vermieter.
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