Immer mehr Versicherer drängen in das Geschäft mit Grundfähigkeitsversicherungen (GF). Seit Einführung des neuen GF-Kriterienkatalogs von Franke und Bornberg im Jahr 2019 ist der Kreis der Anbieter von damals 17 auf jetzt 26 Gesellschaften gewachsen. Weitere Versicherer stehen aktuell kurz vor der Markteinführung. Diese Entwicklung zeigt: BU-Versicherer wollen das attraktive Geschäftsfeld nicht länger dem Wettbewerb überlassen. Die GF-Versicherung komplettiert ihr Angebot zur Absicherung der Arbeitskraft.
Warum immer mehr Versicherer Grundfähigkeitstarife anbieten
Michael Franke, Gründer und Geschäftsführer von Franke und Bornberg, erläutert die Ursachen für das steigende Interesse: „Versicherer entdecken zunehmend, dass die Grundfähigkeitsversicherung ihr BU-Geschäft nicht kannibalisiert. Ganz im Gegenteil – sie bietet ihnen zusätzliche Absatzchancen bei Menschen, die wegen ihres Berufes oder aufgrund von Vorerkrankungen keinen bezahlbaren BU-Schutz erhalten würden.“
Zudem bleibe die GF-Versicherung von schwer kalkulierbaren Entwicklungen am Arbeitsmarkt unberührt: „Veränderte Berufsbilder, Leistungsdruck und fortschreitende Digitalisierung können die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Berufsunfähigkeit erhöhen. In diesem Fall wirkt ein GF-Bestand stabilisierend auf das Versicherer-Portfolio“, so Franke.
Trends beim Grundfähigkeitsschutz
In der Grundfähigkeitsversicherung ist Vielfalt gefragt. Gerade Newcomer unter den Anbietern setzen auf Bausteinkonzepte. Die haben allerdings ihren Preis. Mit jedem zusätzlichen Feature steigen Prämie und Komplexität des Vertrages.
Als weiterer Trend erweist sich die Aufspaltung etablierter Grundfähigkeiten in detaillierter beschriebene Leistungsauslöser, auch „Stripping Down“ genannt. Beim Stripping Down wird zum Beispiel die Grundfähigkeit „Sehen“ mit „Bildschirmtätigkeit“ flankiert, und zu der Grundfähigkeit „Hände gebrauchen“ gesellt sich die neue Fähigkeit „Benutzung elektronischer Geräte wie Smartphones, Tablets oder Gamecontroller“.
Michael Franke betrachtet diese Entwicklung mit Skepsis: „Stripping Down bietet häufig keinen belastbaren Mehrwert. Es setzt vor allem das Kopfkino in Gang. Das Smartphone, ein Tablet oder die geliebte Spielekonsole nicht mehr nutzen zu können, kommt für viele Menschen einem GAU gleich. Und erhöht ihre Bereitschaft, für diese Fälle vorzusorgen.“
Wo Berufsschutz Einzug bei den Grundfähigkeiten hält
Die Erweiterung des Leistungskatalogs um berufsbezogene Fähigkeiten machen die Analysten von Franke und Bornberg als weiteren Trend bei GF-Tarifen aus. Beim Versuch, einzelne Berufsgruppen gezielt anzusprechen, kämen teils echte, teils weniger belastbare zusätzliche Leistungsauslöser heraus, sagt Franke.
„Hier beobachten wir mittlerweile Fähigkeiten wie Ein- und Aussteigen in die und aus der Lok, einen Lkw oder Bus fahren sowie das Benutzen von Atemschutzgeräten. Von den klassischen Grundfähigkeiten wie Sehen, Stehen oder Hören ist das meilenweit entfernt.“
Und je berufsspezifischer die Leistungen, umso näher scheine die GF-Versicherung an die klassische BU heranzurücken. Jedoch sei das konkrete Leistungsbild ein vollkommen anderes. „Es kann einen großen Unterschied ausmachen, ob man eine Fähigkeit zu 50 Prozent eines üblichen Arbeitstages oder nur einmalig nicht mehr ausüben kann“, ergänzt Franke.
Warum Konzentration auf das Wesentliche hilft
Das Grundfähigkeits-Rating von Franke und Bornberg basiert seit 2019 auf einem einheitlichen Katalog von 15 relevanten Grundfähigkeiten. Alle Leistungsauslöser müssen sich daran messen lassen – unabhängig davon, wie ein Versicherer die jeweilige Fähigkeit bezeichnet. Grundfähigkeiten ohne Mehrwert für Versicherte fallen laut Franke und Bornberg unter den Tisch.
„Grundfähigkeiten ohne wirklichen Mehrwert sind Grundfähigkeiten, die als eigenständige Grundfähigkeiten deklariert werden, tatsächlich aber nur einen Ausschnitt einer übergeordneten Grundfähigkeit darstellen. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass die Grundfähigkeiten „Benutzung elektronischer Geräte wie Smartphones, Tablets oder Gamecontroller“ bereits in der Grundfähigkeit „Hände gebrauchen“ enthalten ist. So könnte man unzählige „neue“ Grundfähigkeiten ergänzen, wenn man alle Aktivitäten auflistet, die man für gewöhnlich mit den Händen ausführt. So kann man die Anzahl der versicherten „Grundfähigkeiten“ erhöhen, ohne einen echten Mehrwert zu bieten. Außer vielleicht einer besseren Anschaulichkeit“, erklärt Franke & Bornberg auf Anfrage gegenüber Cash.
97 Tarife von 26 Versicherern
Dieser Kniff macht unterschiedliche Formulierungen vergleichbar und hilft Maklern, Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden. Das neue GF-Rating untersucht 97 Tarife von 26 Gesellschaften nach bis zu 74 Kriterien (Stand September 2022).
Das Analysehaus unterscheidet dabei zwischen „Grundfähigkeit“ und „Grundfähigkeit Plus“. Tarife der Plus-Variante bieten Zusatzbausteine mit weiteren Leistungsauslösern. Dazu zählt zum Beispiel Versicherungsschutz bei schweren Krankheiten. Die Höchstnote FFF+ erhalten nur Tarife, die alle 15 Grundfähigkeiten in der geforderten Qualität absichern.
Mehrleistung nicht zum Nulltarif
Das Tarifniveau ist erfreulich hoch. Jeder zweite Tarif erreicht die Bewertungsklassen Hervorragend (FFF+) oder Sehr gut (FFF). Mit dem Trend zu immer neuen Leistungsauslösern sinkt die Vergleichbarkeit. Ohne ein belastbares Rating laufen Vermittlerinnen und Verbraucher Gefahr, sich von Marketing-Gimmicks blenden zu lassen.
„Sollten neue Auslöser tatsächlich zu mehr Leistungen führen, gibt es die nicht zum Nulltarif. Jeder zusätzliche Auslöser, der hält, was er verspricht, kostet Geld“, warnt Franke. Damit jedoch verteuere sich die vermeintlich günstige Alternative zum BU- oder EU-Schutz. Aus der erschwinglichen Alternative zur BU-Versicherung werde im schlimmsten Fall ein weiteres Luxusprodukt.