Die Lebensversicherern entdecken seit einigen Jahren das Geschäft mit Grundfähigkeitsversicherungen neu für sich. Doch aktuell scheint der Zulauf zunächst gestoppt. Gegenüber dem Vorjahr bleibt die Zahl der Anbieter beim GF-Rating 2023 nahezu gleich, zeigt die neue Grundfähigkeitsversicherungs-Analyse von Franke und Bornberg. Demnach ist 2023 nur ein Anbieter hinzugekommen.
Michael Franke, Gründer und Geschäftsführer der Franke und Bornberg, sieht darin kein Problem: „27 Gesellschaften stehen derzeit im Wettbewerb. Verbraucher haben die Wahl aus einem vielfältigen Angebot. Da ist für jeden ein passender Tarif dabei. Was jedoch noch immer fehlt, sind echte Bedarfsorientierung, verlässliche Standards und transparente Leistungsauslöser.“
Warum Standards für Grundfähigkeiten wichtig sind
Gerade neue GF-Anbieter setzen auf Alleinstellungsmerkmale durch „innovative“ Grundfähigkeiten. „Ob diese als neu verkauften Grundfähigkeiten wirklich einen Bedarf decken oder einfach nur Marketing ohne echte Mehrleistung sind, bleibt abzuwarten“, so Franke. Jedenfalls ergibt sich in der Summe der vielfältigen und kaum vergleichbaren Leistungsbausteine eine völlig undurchsichtige Gemengelage, kritisiert das Analysehaus. Und befürchtet, dass damit Enttäuschungen auf Kundenseite vorprogrammiert seien. Denn je nach Anbieter und Konzept könnten sich Leistungsauslöser auch bei ein und derselben versicherten Fähigkeit deutlich unterscheiden, kritisiert F&B.
Wer seine Leistungen vielversprechend anpreist und sich in der Leistungspraxis auf das Kleingedruckte zurückzieht, komme auf Sicht jedenfalls nicht ungeschoren davon, mahnt Franke. Es drohten
Reputationsschäden. „Knie kaputt: Versicherer zahlt trotzdem nicht. Für diese Schlagzeile braucht es
wenig Fantasie. Die Assekuranz ist gut beraten, bei der Versicherung von Grundfähigkeiten keine
unrealistischen Erwartungen schüren“, mahnt Produkt- und Tarifexperte Franke.
Warum die GF keine Handwerker-BU ist
Die GF-Versicherung gilt oft als „BU-Schutz für Handwerksberufe“. Doch das weckt schnell falsche Erwartungen. Während die BU bereits leistet, wenn körperliche oder psychische Einschränkungen eine mindestens 50-prozentige Berufstätigkeit nicht mehr erlauben, zahlt die GF erst, wenn eine Fähigkeit komplett verloren geht.
So ist ein Fliesenleger, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf den Knien arbeiten kann, in der BU-Versicherung ein klarer Leistungsfall. In der Grundfähigkeitsversicherung aber darf er gar nicht mehr knien können, um eine Leistung zu erhalten. Selbst mit größeren Knie-Problemen gelingt es in der Regel aber, zumindest kurze Zeit zu knien, argumentiert das Analysehaus.
Erste Einblicke in die Leistungspraxis zeigen: „In der Grundfähigkeitsversicherung werden Leistungen häufig zu früh beantragt“, berichtet Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit bei Franke und Bornberg. Doch die Leistungsauslöser in der GF seien meist sehr rigoros. „Hier geht es häufig um alles oder nichts. Eine graduelle Beeinträchtigung reicht nicht, um einen GF-Anspruch zu begründen. Das ist vielen Menschen anscheinend nicht klar. Auch Vermittler gehen noch zu oft von einer ähnlichen Leistung aus wie bei einem BU-Vertrag“, betont Wedekind.
Warum das Bausteinprinzip zu mehr Haftung führt
GF-Tarife sind meist modular aufgebaut. Mit der Zahl der versicherten Leistungsauslöser steigt der Preis. Grundfähigkeiten mit allen zur Wahl stehenden Bausteinen kosten oft ähnlich viel wie eine BU-Versicherung. Wenn etwa aus Kostengründen, nicht alle Bausteine abgeschlossen werden, lauern Haftungsfallen, befürchte F&B. Würde genau dieser (fehlende) Baustein zu einer Leistung führen, löst dies in der Regel eine Forderung nach Haftung aus. Vermittler sollten nicht versicherte Leistungsauslöser und das daraus entstehende Risiko deshalb stets deutlich erläutern und dokumentieren, betonen die Analysten bei der Vorstellung der neuen Ratingergebnisse nachdrücklich.
Seite 2: So gut sind die Grundfähigkeitsversicherungen 2023