Mit dem Ampel-Aus ist auch Ihre geplante Reform der privaten Altersvorsorge Geschichte. Waren die vergangenen drei Jahre verlorene Jahre für die Altersvorsorge?
Lindner: Sie ist nicht Geschichte, sondern ich habe den fertigen Gesetzentwurf in einer Schublade des Finanzministeriums versteckt. (schmunzelt) Klar ist, wir brauchen die Stärkung der privaten Altersvorsorge. Die Beitragsgarantie macht sie aber unattraktiv. Deshalb brauchen wir hier mehr Wahlfreiheit. Es muss möglich sein, zwischen 100 und 0 Prozent Beitragsgarantie wählen zu können. Wer sich zutraut, eigene Anlageentscheidungen zu treffen, sollte nicht unnötig eingeschränkt werden. Im Vergleich zum Altersvorsorgedepot der Ampel-Koalition würde ich allerdings einen Schritt weiter gehen. Eine zukünftige Regierung sollte, wenn sie den Gesetzentwurf aus der Schublade holt, die Höchstgrenze der öffentlichen Förderung deutlich anheben – eher auf 6.000 als auf 3.000 Euro. Das würde nicht nur die untere, sondern auch die breite Mittelschicht entlasten.
Sie haben das staatlich geförderte Altersvorsorgedepot vorgeschlagen und wollen an der Aktienrente festhalten. Welche konkreten Vorteile sehen Sie darin im Vergleich zu bestehenden Modellen wie der Riester-Rente?
Lindner: Ein versicherungsbasiertes Altersvorsorgeprodukt ist sinnvoll, aber Kundinnen und Kunden sollten frei entscheiden können, ob sie ein höheres Risiko für langfristig bessere Renditen eingehen möchten. Die aktuelle 100-Prozent-Beitragsgarantie ist problematisch, da sie Investitionen auf Immobilien und Staatsanleihen beschränkt, während direkte Unternehmensbeteiligungen, Private Equity und Venture Capital vernachlässigt werden. Das senkt nicht nur die Rendite, sondern schwächt auch unsere Kapitalmärkte, die dringend heimisches Geld für innovative Unternehmen benötigen. Eine flexiblere Regelung wäre ein Win-Win: bessere Renditechancen für Sparer und stärkere Finanzierungsquellen für Zukunftstechnologien und Arbeitsplätze.
Christian Lindner: „In Deutschland herrscht eine tiefe Skepsis gegenüber den Kapitalmärkten.“ (Foto: Christof Rieken)
Stichwort betriebliche Altersvorsorge: Auch das schwedische Altersvorsorgemodell funktionierte nicht in dem Maße, wie politisch gewollt. In dem Moment, als es zum Opt-out-Modell wurde, stieg die Durchdringung deutlich. Warum macht man das nicht in Deutschland?
Lindner: Bisher fehlte die politische Mehrheit für ein solches Modell, doch die Debatte ist überfällig. In der betrieblichen Altersversorgung haben wir bereits einen kleinen Schritt gemacht und den Zugang zu neuen Anlageklassen ermöglicht. Allerdings herrscht in Deutschland eine tiefe Skepsis gegenüber den Kapitalmärkten. Begriffe wie „Casino-Kapitalismus“ prägen die Diskussion. Während andere Länder uns dafür belächeln, hoffe ich auf einen Lerneffekt – vor allem angesichts der positiven Resonanz auf mein vorgeschlagenes Altersvorsorgedepot.
In Schweden werden Teile des Gehalts in einen Staatsfonds eingezahlt. Das Modell funktioniert und ist langfristig finanziert. Wäre das nicht auch eine Vorlage für Deutschland?
Lindner: Das Generationenkapital soll als öffentlicher Fonds, verwaltet von einem unabhängigen Management, im Interesse der Beitragszahler Kapital anlegen. Im bisherigen Ampel-Modell geschieht dies jedoch mit staatlichen Mitteln. Über das Rendite-Differenzial zwischen Staatsanleihen und den Anlagen des Generationenkapitals sollten die Beiträge bis Ende der 2030er Jahre sinken. Sinnvoller wäre es, direkt die Mittel der Beitragszahler anzulegen und individuelle Anwartschaften schon in der gesetzlichen Rentenversicherung zu ermöglichen. Das käme einer Aktienrente näher. Denn würde man heute das Rentensystem neu bauen, würde es vielleicht ganz anders aussehen. Es gäbe die Unterscheidung zwischen gesetzlicher Rente und privater Altersvorsorge in dieser Form möglicherweise gar nicht, weil alles kapitalmarktbasiert wäre und nicht mehr im Umlagefinanzierungsverfahren in einer alternden Gesellschaft.