In den letzten sechs Monaten hat die US-Notenbank Fed einen bedeutenden Strategiewechsel vollzogen: Während sie sich über weite Strecken des Jahres 2021 schwertat, die Inflationsentwicklung einzuschätzen, ist diese nun zu ihrer Hauptsorge geworden. Das Protokoll zur Fed-Sitzung im Dezember veranschaulicht den Gesinnungswandel gut. Mittlerweile nimmt die Fed eine deutlich aggressivere Haltung als erwartet ein, insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, den sie als „sehr angespannt“ bezeichnet. Sie signalisierten zudem die Bereitschaft, die Zinsen früher und schneller als ursprünglich erwartet anzuheben. Einige Mitglieder des geldpolitischen Gremiums schlugen sogar vor, mit der Verringerung der Fed-Bilanz zu beginnen. Die nachfolgende Veröffentlichung der Dezember-Inflationsrate von 7 Prozent gegenüber Vorjahr konnte die Notwendigkeit einer weniger akkommodierenden Geldpolitik nur unterstreichen.
Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie aufrichtig der Gesinnungswandel ist – aktuell ist die Kluft zwischen der Rede und dem Tun sehr groß. Jenseits der Rhetorik ist es derzeit schwierig, im Handeln der Fed auch nur den geringsten Hauch an Dringlichkeit einer Verschärfung der finanziellen Bedingungen zu erkennen. Zwar hat die Fed mit dem „Tapering“ (Verringerung der Anleihekäufe) begonnen, doch sie erwirbt weiterhin Vermögenswerte auf dem Markt, obwohl es dafür kein wirtschaftliches Argument mehr gibt. Und warum bis März warten mit einer Zinserhöhung? Die Vorgabe, mit einer Zinserhöhung bis zum Ende des Tapering zu warten, das für März geplant ist, kommt von der Fed selbst…
Es entsteht der Eindruck, dass der Fed die Orientierung schwerfällt. Die Entwicklung der Inflation ist nach wie vor schwierig einzuschätzen. Wenngleich einige Argumente für einen Rückgang der Inflation in der zweiten Jahreshälfte sprechen, könnten ein Andauern der Coronakrise und die Zero-Covid-Strategie einzelner Länder – insbesondere Chinas – zu einer weiteren Beeinträchtigung der internationalen Lieferketten führen und den Preisdruck aufrechterhalten. Darüber hinaus steht die Fed in einem gewissen Zwiespalt: Einerseits steht sie unter einem starken politischen Druck, die Zinsen zur Bekämpfung der Inflation zu erhöhen, andererseits zögert sie, die finanziellen Bedingungen während einer sich im Jahr 2022 verlangsamenden US-Konjunktur zu verschärfen. Nach einer deutlichen Erholung 2021 dürfte sich nämlich die Güternachfrage verlangsamen, da die Reallöhne jetzt negativ sind und weniger Unterstützung von Seiten der staatlichen Nachfrage kommt. Wenn die Argumente für Leitzinserhöhungen zutreffen, ist der angemessene Umfang schwierig zu bestimmen für eine Fed, die Politikfehler fürchtet.
Wir erwarten daher zwar entschiedene Äußerungen hinsichtlich der Bereitschaft der Fed zu einer Straffung der Geldpolitik, um den Inflationsgefahren zu begegnen; abgesehen von einer Bestätigung einer ersten Zinserhöhung für März dürfte es aber keine konkreten Maßnahmen geben. Das Ziel der Fed während dieser Sitzung dürfte darin bestehen, Zeit und klarere Sicht bezüglich der Wirtschaftsentwicklung – und damit wieder an Glaubwürdigkeit – zu gewinnen.
Insgesamt dürfte die anstehende Sitzung keine Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. In den letzten Monaten hat die Fed ihre Erwartungen nach oben korrigiert und für 2022 fünf Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Dies hat bereits zu einer Korrektur entlang der gesamten Laufzeitenkurve geführt.