„Zwar konnte die Bankenkrise dank hoher Notfallliquidität der Zentralbanken kurzfristig eingedämmt werden, dennoch bestehen weiterhin beträchtliche Probleme. So schichten Bankkunden ihre Einlagen aufgrund der hohen kurzfristigen Zinsen in Staatsanleihen um und entziehen damit dem Bankensystem Liquidität. Die seit längerem sehr restriktive Geldpolitik der Notenbanken zeigt damit immer mehr Wirkung und beeinflusst jetzt auch die private Geldschöpfung und Kreditvergabe negativ. Paradoxerweise ist diese Liquiditätsverknappung von den Zentralbanken erwünscht, um die nach wie vor hohen Inflationsraten und insbesondere die wieder leicht steigenden Inflationserwartungen zu dämpfen und damit ihre eigene Glaubwürdigkeit zu sichern. Deshalb werden weiterhin die Leitzinsen angehoben. In den USA geht der Bilanzabbau der Fed unverändert weiter und die Geldmengen beschleunigen ihren seit längerem anhaltenden Abwärtstrend. Selbst die bisher extrem expansive japanische Zentralbank beginnt, über einen Kurswechsel nachzudenken.
Damit vergrößerte sich in den vergangenen Wochen das Dilemma der Notenbanken deutlich: Falls die Inflation erfolgreich bekämpft würde, käme es mit hoher Wahrscheinlichkeit zwar zu einer Lockerung der Geldpolitik, doch eben auch zu einer Rezession. Wenn sich die Konjunktur und die Arbeitsmärkte aber nicht schnell deutlich abkühlen (die Einkaufsmanagerindizes im Dienstleistungssektor deuten aktuell global noch auf eine hohe konjunkturelle Restenergie), dann bleiben die Zinsen auch am langen Ende hoch und die Inflation könnte in eine zweite Welle übergehen. Zuletzt fiel auch eine deutliche Abschwächung des US-Dollars auf. Sie ist eine Folge der massiven Notfallliquidität der Fed sowie der Erwartung einer relativ restriktiveren Geldpolitik der EZB (und anderen Zentralbanken) im Vergleich zur Fed. Die Dollarschwäche erschwert die Gratwanderung der US-Notenbank zusätzlich, da sie den Inflationsdruck in den USA erhöht.
Angesichts der momentanen Gesamtsituation nimmt der Handlungsspielraum der Notenbanken weiter ab. Selbst kleine Abweichungen in Form einer entweder zu restriktiven oder einer zu lockeren Geldpolitik können überproportionale Auswirkungen auf die Finanzmärkte, die Konjunktur und die Inflationserwartungen haben. Damit bleibt das Chancen/Risiko-Verhältnis sehr asymmetrisch – und die Risiken überwiegen. Bei unseren Strategien mit Aktien- und High-Yield-Exposure positionieren wir uns unverändert defensiv, da die Bewertungen an diesen Märkten aktuell verhältnismäßig hoch sind. Eine allfällige Rezession ist noch nicht in den Kursen eingepreist und die Gefahren durch die restriktive Geldpolitik wurden zumindest bisher mehrheitlich ignoriert. Dagegen sehen wir bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen und in den Emerging Markets Opportunitäten, da hier die Rezessionsrisiken durch ein erhöhtes Zinssenkungspotenzial kompensiert werden.“