Nach einer etwas moderateren Zinsanhebung der US-Notenbank Fed als zuletzt wird mit Spannung die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet. Die Fed hob am Mittwoch im Kampf gegen die Inflation ihren Leitzins wie erwartet um 0,5 Prozentpunkte an. Der Zinsschritt war damit zwar kleiner als nach den vergangenen Sitzungen der Notenbank – ist aber immer noch beachtlich. Der Leitzins liegt nun in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent – das ist der höchste Wert seit 15 Jahren. Fed-Chef Jerome Powell machte außerdem klar, dass weitere Erhöhungen im kommenden Jahr bevorstehen.
Auch die EZB dürfte auf ihrer Zinssitzung an diesem Donnerstag ihren Kampf gegen die Inflation mit vermindertem Tempo fortsetzen. Nach zwei Zinsanhebungen um jeweils 0,75 Prozentpunkte rechnen Bankökonomen überwiegend mit einer Straffung um 0,5 Punkte. Die Anhebungen sind seit Sommer erfolgt – allerdings nach einer längeren Phase, in der die Währungshüter auf einen nur übergangsweisen Inflationsschub gesetzt und mit Zinsanhebungen gezögert hatten. Im November lag die Teuerung im Währungsraum der 19 Euro-Länder bei 10 Prozent. Im Oktober hatte die Inflation im Euroraum mit 10,6 Prozent einen Höchststand erreicht.
In den USA fielen die neuen Inflationsdaten des Arbeitsministeriums für November eher optimistisch aus. Sie zeigten den fünften Rückgang der Inflationsrate in Folge. Die langfristigen Schätzungen der Verbraucherpreise zeigen allerdings, dass die Teuerungsrate langfristig von den zwei Prozent, die sich die Fed wünscht, noch weit entfernt ist. Die Teuerungsrate soll in diesem Jahr laut den Schätzungen der Zentralbank durchschnittlich bei 5,6 Prozent liegen. Das deutet zwar darauf hin, dass die Dynamik des Preisanstiegs nachlässt. Aber für 2023 prognostiziert die Fed eine Inflationsrate von durchschnittlich 3,1 Prozent, für das Jahr 2024 dann immer noch 2,5 Prozent.
Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet
„Wir gehen nach wie vor davon aus, dass weitere Erhöhungen angemessen sind“, sagte Powell. Aktuell reichten die Anzeichen einfach nicht aus, um sicher zu sein, dass die Inflation nachhaltig zurückgehe – eher im Gegenteil. Die Fed rechnet auch mit einem starken Rückgang des Wirtschaftswachstums. Sie sagt nun für das kommende Jahr ein deutlich geringeres Wachstum voraus als noch vor drei Monaten angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der weltgrößten Volkswirtschaft wird demnach 2023 nur um 0,5 Prozent wachsen. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand weiß, ob es eine Rezession geben wird oder nicht“, betonte der Fed-Chef. Und sollte es eine geben, lasse sich auch nicht sagen, wie heftig diese werde.
Die Fed rechnet auch mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Das deutet an, dass die strenge Geldpolitik für die Wirtschaft insgesamt einen hohen Preis haben wird. Die Zinsstraffungen helfen dabei, die Teuerungsrate zu senken, schwächen aber auch das Wirtschaftswachstum. Mit der strengen Geldpolitik der Fed wächst das Risiko, dass die Bank die Wirtschaft so stark bremst, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden. Auch deshalb dürfte die Fed nun auf moderatere Zinsschritte setzen.
Zuletzt hatte die Fed vier Mal in Folge den Leitzins um beachtliche 0,75 Prozentpunkte angehoben – insgesamt ist es nun die siebte Anhebung in diesem Jahr. Fed-Chef Powell hatte bereits im November angedeutet, dass zumindest mit den ungewöhnlich großen Sprüngen um 0,75 Prozentpunkte Schluss sein könnte. Die nächste Entscheidung der Fed wird Februar fallen. «Ab einem bestimmten Punkt wird die Frage, wie lange wir restriktiv bleiben, zur wichtigsten Frage», sagte Powell. «Aber ich würde sagen, die wichtigste Frage ist jetzt nicht mehr die Geschwindigkeit.»
Verzögerte Auswirkungen der Zinsschritte
Klar ist aber, dass Senkungen des Leitzinses in den USA nicht anstehen. Es wird nun eher darum gehen, wie lange die Zinsen hoch bleiben müssen, bis die Verbraucherpreise dauerhaft zurückgehen werden. «Wir haben schon viel erreicht, und die Auswirkungen unserer raschen Straffung sind noch nicht in vollem Umfang zu spüren», sagte Powell.
Hinter der US-Notenbank liegt ein turbulentes Jahr. Die drastischen Maßnahmen sind die Folge einer Inflation, die zeitweise so hoch war wie seit Jahrzehnten nicht. Die Fed hatte Mühe, mit den steigenden Verbraucherpreisen Schritt zu halten und setzte auf ein ungewöhnliches Tempo bei ihren Zinsschritten. Erfolge schienen zunächst auszubleiben. Das liegt auch daran, dass die Zinsentscheidungen der Fed erst verzögert Wirkung zeigen. Und so könnte sich die volle Wucht der ungewöhnlich großen Zinsschritte erst im kommenden Jahr bemerkbar machen.
Auch die Eurozone steht vor einem wirtschaftlich schweren Winterhalbjahr, worauf die EZB mit einer etwas weniger strengen Geldpolitik reagieren dürfte. Die hohe – und seit Kriegsausbruch reduzierte – Abhängigkeit von russischen Energielieferungen hat den Wirtschaftsraum unvorbereitet und hart getroffen. Hinzu kommen anhaltende Probleme im Welthandel, wenngleich hier etwas Licht am Ende des Tunnels absehbar ist.(dpa)