Fed vor Zinspause, EZB eher nicht

Dr. Martin Lück
Foto: Blackrock
Dr. Martin Lück, Blackrock, sieht bezüglich der Geldpolitik auch eine wichtige Rolle bei den Zentralbank-Bilanzen.

In dieser Woche stehen die Zentralbanken wieder mal im Mittelpunkt des Marktgeschehens. Den Anfang macht am Mittwoch die amerikanische Federal Reserve, am Donnerstag folgt die EZB und am Freitag die japanische Notenbank. Eine Einschätzung von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei Blackrock

Bezüglich der US-Geldpolitik preisen die Fed Funds Futures ungefähr zu drei Vierteln eine Zinspause der Fed ein. Die Finanzierungsbedingungen haben sich zwar nominell infolge leicht gestiegener kurzfristiger Zinsen und einer geringfügigen Abschmelzung der Fed-Bilanzsumme verschärft. Entscheidender aber dürfte gewesen sein, dass Kursanstiege an den Märkten für Aktien und Unternehmensanleihen die Marktfinanzierung der US-Unternehmen, welche anders als in Europa den Großteil der Fremdfinanzierung ausmacht, eher erleichtert hat. Gleichzeitig zeigt sich vor allem die Kerninflation weiter sehr zäh. Die Märkte preisen daher nicht nur Erwartungen baldiger Zinssenkungen aus, sondern auch ein weiterer Zinsschritt nach oben wird für zunehmend wahrscheinlich gehalten. Es verfestigt sich also das Bild einer Fed, die eine ‚hawkish pause‘ einlegt, also eine Unterbrechung auf dem weiteren Weg nach oben. Die Inflationsdaten am heutigen Dienstag, bei denen mit weiter sehr robuster Kerninflation zu rechnen ist, dürften an dieser Marschrichtung wenig ändern.

Anders dürfte einen Tag später die EZB vorgehen. Da sie später mit den Zinsanhebungen begonnen hat als ihr amerikanisches Pendant und der Einlagezins mit zurzeit 3,25% erst moderat im restriktiven Bereich steht (wir verorten den neutralen Zins bei nominal etwa 2%), dürfte die europäische Notenbank die Leitzinsen weiter anheben. Wir rechnen mit jeweils 25 Basispunkte für die drei wichtigsten Zinssätze. Wie auch in Amerika werden in dieser Woche in Europa die Zentralbankvolkswirte neue Schätzungen bezüglich der makroökonomischen Situation vorlegen. Die EZB wird sich also an einem aktualisierten Ausblick darauf orientieren können, ob und wie die Wirtschaft der Eurozone das aktuelle Umfeld schwachen Wachstums (bzw. der ‚technischen Rezession‘) wieder wird verlassen können und wie sich der mittelfristige Ausblick auf Inflation und Beschäftigung gestaltet. Je nach Einschätzung dieser Parameter dürfte dann mit mindestens einem weiteren Zinsschritt am 27. Juli zu rechnen sein.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Zentralbankbilanzen. Diese sind bekanntermaßen in den vergangenen 15 Jahren enorm gewachsen. Wie die Zentralbanken aus dieser Geldflutung wieder herauskommen, ohne schwerwiegende gesamtwirtschaftliche Schäden anzurichten, dürfte das eigentliche Rätsel zu sein. Die eigentlich entscheidende Frage für die Notenbanken wird also nicht sein, ob sie in dieser Woche die Zinsen erhöhen. Sondern jene, ob angesichts der Krisen unserer Zeit eine Rückkehr zu dem, was wir als Normalität in Erinnerung haben, überhaupt noch realistisch ist.

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