„Die Fed wird die Zinsen auf einem höheren Niveau belassen als die Märkte erwarten“

Holzwürfel mit dem Namen FED auf Dollarscheinen
Foto: PantherMedia/DmitriyDemidovich
Ob die Märkte die Entwicklung der Inflation richtig einschätzen, wird sich bald anhand der Geldpolitik der Fed zeigen.

Aus makroökonomischer Sicht wurden die Ereignisse des Jahres 2022 vor allem durch die Maßnahmen der Zentralbanken weltweit bestimmt. Der Kampf gegen die Inflation setzt sich zwar im Jahr 2023 fort, die Diskussionen konzentrieren sich inzwischen jedoch stärker auf die Rezession und eine mögliche Schwäche des US-Dollars. Wirtschaftsexperten von Franklin Templeton kommentieren, ob die Märkte die Inflation richtig einpreisen.

Sonal Desai, CIO bei Franklin Templeton Fixed Income: „Ich halte die Schätzung der US-Inflation bei etwa 3 % für optimistisch. Erstens ist die makroökonomische Politik immer noch ziemlich locker. Das mag seltsam klingen, wenn man bedenkt, dass die US-Notenbank ihre Zinssätze erhöht hat. Aber die USA werden in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit haben, das wahrscheinlich etwa 5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen wird. Die Sozialversicherungszahlungen sind in diesem Jahr um fast 9 % gestiegen, und sie werden an etwa 70 Millionen Menschen ausgezahlt – das entspricht etwa einem Drittel der erwachsenen Bevölkerung. Und dabei darf man nicht vergessen: Die Bilanz der Fed ist immer noch riesig.

Sonal Desai, Franklin Templeton Fixed Income (Foto: Franklin Templeton)

Zweitens hat sich der Markt richtigerweise sehr mit der Tatsache trösten lassen, dass die Lohnentwicklung moderat verläuft. Allerdings zeigt der jüngste Lohnwachstumstracker der Federal Reserve Bank of Atlanta, dass die Löhne im Dezember insgesamt um 6,1 % gestiegen sind, wobei die Löhne derjenigen, die den Arbeitsplatz gewechselt haben, um 7,7 % und die derjenigen, die ihre bisherige Stelle behalten haben, um 5,5 % gestiegen sind. Und das Wachstum der Lohnstückkosten betrug 5,2 % bis 5,3 %. In der Vergangenheit hat sich der Index für die persönlichen Konsumausgaben (PCE) parallel zu den Lohnstückkosten entwickelt, und der Dezemberwert lag weit über dem Inflationsziel der Fed von 2 %. Wir haben also eine US-Arbeitslosenquote von fast 3,5 %, ein US-Haushaltsdefizit von etwa 5 % und immer noch steigende Löhne.

Unterdessen erwarten die Märkte in naher Zukunft einen geldpolitischen Kurswechsel der Fed. Ich bin jedoch der Meinung, dass der ein oder andere unter einem „Recency Bias“ (Rezenzeffekt) leiden dürfte. Viele halten den aktuellen Straffungszyklus der Fed für vorübergehend. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Fed nach der globalen Finanzkrise einen mehr als zehnjährigen Kampf gegen die Deflation geführt hat – gegen einen Hund, der nie gebellt hat. Sie hat alle Lockerungshebel in Bewegung gesetzt, um das Problem zu lösen, weil die globale Finanzkrise ein so furchtbar großes und bedeutendes Ereignis war. Ich denke, dass auf die letzten Jahre, in denen die Inflation deutlich über dem Ziel lag, eine mehrjährige Phase folgen wird, in der die Fed die Zinsen auf einem höheren Niveau belässt als vom Markt derzeit erwartet wird.“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

1 2 3Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments