Die Digitalisierung des gesamten Finanzsektors steht an einem entscheidenden Wendepunkt – doch anstatt Innovation zu fördern, droht Europa wieder einmal eine große Chance zu verpassen. Das zumindest lässt der öffentlichkeitswirksame Schlingerkurs befürchten, den die Europäische Kommission gerade bei ihrer Gesetzesinitiative für die Modernisierung des Zahlungsverkehrs (Fida) vollzieht. Die Verwirrung, die die Kommission durch den Umgang mit Fida stiftet, ist äußerst kritisch zu sehen. Zum einen weil sie unnötig für Unsicherheiten bei allen Beteiligten sorgt, zum anderen weil sie Zweifel an ihrem Willen sät, Europa und seinen Unternehmen eine bessere Position im internationalen Wettbewerb zu verschaffen.
Die Unruhe kam auf, nachdem Medien gemeldet hatten, die Europäische Kommission hätte Fida aus dem Entwurf ihres Arbeitsprogramms 2025 gestrichen. Zwar stellte sich später heraus, dass Fida im Anhang des tatsächlich veröffentlichten Programms unter den sogenannten „Pending Proposals“, also den schwebenden Vorschlägen, zu finden, die Initiative also nicht vom Tisch ist. Aber manch eine euphorische Reaktion auf die erste, letztendlich falsche Meldung des Fida-Aus machte schnell deutlich, dass viele offenbar nicht verstanden haben, welch große Chancen die Richtlinie trotz der unbestritten erforderlichen Investitionen bietet.
Man muss es einmal deutlich sagen: Ein Aus für Fida wäre ein herber Rückschlag für die Entwicklung von Open Finance und damit für die Entwicklung der Digitalisierung in Europa. Gerade deshalb wäre es der falsche Schritt zur vollkommen falschen Zeit.
Als Digitalisierungsunternehmen und innovativer Technologietreiber begrüßen wir von Fino Digital grundsätzlich jede Maßnahme, die dazu dient, Bürokratie abzubauen. Allerdings bieten Regulierungen auch Chancen, wenn sie Innovation vorantreiben – und um so eine Regelung handelt es sich in unseren Augen bei der geplanten Fida-Verordnung. Ihre Vorteile liegen auf der Hand: Sie bietet unter anderem mehr Transparenz auf der Datenseite für Kundinnen und Kunden, neue Entwicklungsmöglichkeiten, eine Anpassung des Wettbewerbs und neue, bessere Produkte. Kurzum: Sie liefert einen Mehrwert für alle Beteiligten.
Dass Fida sich nun verzögert und möglicherweise doch noch vor dem Aus stehen könnte, ist außerordentlich bedauernswert, grundsätzlich für Europa und im Besonderen für den Standort Deutschland. Speziell in einer Zeit, in der eine neue Regierung in den USA Entschlossenheit zeigt und Fakten auch für die Entwicklung der heimischen Wirtschaft schafft.
Vorbehalte weiter abbauen
Mit Fida würde sich endlich einmal eine große Chance ergeben, sich in der EU vom Ausland abzuheben und den eigenen Vorsprung zu nutzen – nicht von ungefähr werden wir vom Rest der Welt für unsere Datenschnittstellen beneidet. Das hat sich uns zuletzt auf der Fintech-Messe in Singapur gezeigt, wo Web Scraping der Standard ist – und wo unsere Lösungen die Besucherinnen und Besucher begeistert haben.
Das Positive am Treiben der Europäischen Kommission ist aber übrigens, dass sie Fida wie oben erwähnt auf den Status „Pending“ gestellt hat. Dies können wir und die anderen in der Open-Insurance-Initiative „Frida“ organisierten Fintechs nun nutzen, um den Dialog mit den verschiedenen Marktteilnehmern zu intensivieren, Vorbehalte weiter abzubauen und Chancen aufzuzeigen. Parallel dazu entwickeln wir zum einen Use Cases für Versicherer unter der bestehenden Regulierung und zum anderen kundenrelevante Anwendungsfälle für ein Zeitalter des Open Insurance. Bleibt zu hoffen, dass dieses Zeitalter mit der Realisierung von Fida doch noch kommt – im Sinne der Innovation und des Wirtschaftsstandorts Europa.
Aleksandar Jeremic ist CEO von Fino Digital.