In Deutschland und Österreich wird über Finanzbildung diskutiert wie nie zuvor. Der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung fordert ein Pflichtfach. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warnt vor dem Einfluss von Finanzvermittlern. Und Lehrkräfte fragen sich, wie sie noch ein weiteres Thema in ihren vollen Schulalltag integrieren sollen. Doch während die Debatte andauert, bleibt eine wichtige Frage unbeantwortet: Was passiert mit den Kindern, während wir noch diskutieren?
Ich bin Bildungsunternehmerin und beschäftige mich seit vielen Jahren mit der Frage, wie wirtschaftliche Zusammenhänge für Kinder verständlich, neutral und praxisnah vermittelt werden können. In meiner Arbeit stoße ich immer wieder auf dasselbe Problem: Viele junge Menschen starten ohne grundlegendes Verständnis für Geld, Steuern, Löhne oder wirtschaftliche Zusammenhänge ins Erwachsenenleben. Die Folgen betreffen uns als Gesellschaft alle.
Das Problem beginnt früher, als viele glauben: Eine HR-Managerin, deren zehnjährige Tochter meinen Onlinekurs macht, schrieb mir kürzlich, dass sie täglich erlebt, wie Bewerberinnen und Bewerber an einfachen wirtschaftlichen Fragen scheitern. Besonders berührt hat sie, dass ihre Tochter ihr beim Abendessen erklärte, was Inflation bedeutet und warum Preise steigen. „Ich musste lachen“, schrieb sie, „weil ich genau diese Frage einem Bewerber gestellt habe – und er sie nicht beantworten konnte.“
Solche Momente zeigen, dass Kinder bereit sind, wirtschaftliche Themen zu verstehen – wenn man sie altersgerecht aufbereitet. Doch während der Bedarf steigt, fehlt es in Schulen oft an Ressourcen, Ausbildung und Zeit, um wirtschaftliche Bildung umfassend umzusetzen. Eltern wiederum fühlen sich häufig selbst nicht sicher genug, um das Thema zu Hause zu vermitteln.
Was unabhängige Initiativen leisten können
Unabhängige Bildungsinitiativen können hier eine Brücke schlagen. Sie bieten freiwillige, niedrigschwellige Lernangebote, die Schulen und Familien entlasten. Wichtig ist dabei: Sie müssen neutral, von fachkundigen Expertinnen und Experten vermittelt und werbefrei sein. Finanzielle Allgemeinbildung darf nicht den Interessen einzelner Branchen oder Unternehmen überlassen werden.
Wenn wir wirtschaftliche Bildung ernst nehmen, müssen wir uns fragen: Wie können wir Kinder so fördern, dass sie Zusammenhänge erkennen, Entscheidungen reflektieren und ihre Zukunft aktiv mitgestalten können? Dabei geht es nicht um Produktwissen, sondern um Kompetenzen, die sie ein Leben lang begleiten.
Was jetzt zu tun ist
Statt uns in Zuständigkeitsfragen zu verlieren, sollten wir nach konstruktiven Lösungen suchen. Dazu gehört:
• Eine offene Diskussion darüber, wie qualitativ hochwertige Bildungsangebote außerhalb des Lehrplans anerkannt und gezielt eingebunden werden können,
• Kooperation statt Konkurrenz zwischen Schule, Elternhaus und unabhängigen Lernformaten,
• Und die Erkenntnis, dass Kinder wirtschaftliche Zusammenhänge durchaus begreifen – wenn man sie ihnen richtig erklärt.
Die Ideen sind da. Der Bedarf ist da. Jetzt braucht es Mut zur Umsetzung. Nicht irgendwann. Sondern jetzt.
Iris Isabella Haiderer ist Wirtschaftswissenschafterin, Unternehmerin und Gründerin von „Abenteuer Wirtschaft“, einem unabhängigen Onlinekurs für Kinder ab zehn Jahren. Als „ZukunftsMacherin“ setzt sie sich dafür ein, wirtschaftliche Zusammenhänge verständlich, neutral und praxisnah zu vermitteln.