Nach einem Gesetzentwurf will die EU-Kommission eine Finanztransaktionssteuer auf den Handel mit Aktien, Anleihen und Termingeschäften erheben. Diese soll Spekulanten bremsen und jährlich 35 Milliarden Euro einbringen. Die Fondsbranche schlägt Alarm.
Die Abgabe wird fällig, falls Käufer, Verkäufer oder aber das Produkt selbst aus einem der elf Teilnehmerländer kommen, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus dem Papier. Auf diese Weise soll es erschwert werden, die Finanzgeschäfte in nicht teilnehmende Länder zu verlagern. Zu den teilnehmenden Nationen gehören neben Deutschland und Frankreich noch Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Spanien, die Slowakei und Slowenien.
Die Fondsindustrie befürchtet allerdings, dass Anleger die Leidtragenden sein werden. Karl Stäcker, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Frankfurt-Trust, erklärt gegenüber Cash.Online: „Gegen die Idee einer Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung spekulativer Auswüchse an den Kapitalmärkten ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Ob aber das Ziel erreicht werden kann, ist doch sehr fraglich. So beteiligen sich voraussichtlich nur elf von 27 EU-Ländern. Notwendig wäre aber ein international, das heißt weltweit koordiniertes Vorgehen. So werden die Spekulanten jedenfalls nicht erwischt und stattdessen die Anleger belastet. Und dass die Anleger in Investmentfonds zu den Verursachern der Finanzmarktkrise zählen, bezweifle ich doch sehr.“
Eine derartige Finanztransaktionssteuer werde stattdessen zu Verzerrungen des Wettbewerbs und zu einer Destabilisierung der Finanzmärkte in Europa beitragen, befürchtet Stefan Marotzke vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V.: „Es ist erkennbar, dass mit dem Vorschlag nicht die Zielsetzung erreicht werden kann, unerwünschte Spekulationen zu verhindern und positive Lenkungseffekte zur Steigerung der Effizienz von Finanzmärkten zu erreichen. Aus diesen Gründen ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit ebenso abzulehnen wie nationale Alleingänge.“ Zudem müsse befürchtet werden, dass letztlich die Realwirtschaft, die private Altersvorsorge und die Kleinsparer entgegen den Vorstellungen der Politik durch die Finanztransaktionssteuer erheblich belastet werden.
Finanztransaktionssteuer soll Kleinanleger schonen
Ausgenommen bleiben sollen laut Entwurf die Kriseninterventionen der EZB oder des Euro-Rettungsfonds ESM. Auch Geschäfte von Kleinanlegern und Kreditkartenumsätze sollen von der Steuer nicht belastet werden. Der Investmentfondsverband BVI, Frankfurt, teilt diese Perspektive aber ebensowenig wie Stäcker. Geschäftsführer Thomas Richter erklärt gegenüber Cash.Online: „Die Steuer trifft die Fonds und damit die Fondsanleger direkt. Die Fondsgesellschaften müssen die Steuer noch nicht einmal weiterreichen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Finanzindustrie die Steuer zahlt. Hauptbetroffene werden Privatpersonen und Unternehmen sein.“
Der Entwurf soll dem 2011 gescheiterten Vorschlag zur Einführung einer EU-Finanztransaktionssteuer gleichen und noch in diesem Monat vorgestellt werden. Geschäfte mit Aktien und Anleihen sollen voraussichtlich mit 0,1 Prozent und solche mit Derivaten mit 0,01 Prozent besteuert werden. Ziel der Finanztransaktionssteuer ist laut EU-Kommision insbesondere, Zocker und Hochfrequenzhandel zu bremsen. Die Abgabe wird bei jeder Finanztransaktion fällig und hochfrequenter Handel damit weniger attraktiv. Außerdem will die Politik die Finanzindustrie an den Kosten der Finanzkrise beteiligen.
Als Starttermin des neuen Gesetzes ist Anfang 2014 im Gespräch. Sehr optimistisch, wie Dr. Jochen Felsenheimer, Fondsmanager und Geschäftsführer vom Vermögensverwalter Xaia Investment, urteilt: „Die Umsetzung der geplanten Finanzmarkttransaktionssteuer bis zum 1. Januar 2014 ist sehr ambitioniert, da hier die Aufsichtsbehörden und Ministerien der beteiligten Länder und der Europäischen Union zusammenarbeiten müssen. Zudem werden viele Investoren und Finanzmarktakteure Schlupflöcher finden, um die Steuer zu umgehen, da es beispielsweise unterschiedliche Steuersätze auf Cash-Instrumente wie Aktien und Anleihen sowie Derivate gibt. So werden CDS interessanter werden als Unternehmensanleihen, da für erstere ein Steuersatz von einem Basispunkt gilt, die Anleihen aber mit zehn Basispunkten besteuert werden sollen.“
Felsenheimer fürchtet auch um den fairen Wettbewerb: „Die Finanzmarkttransaktionssteuer wird zudem zu Investitionen in riskantere Produkte verleiten, da der Steuersatz auf alle Instrumente angewendet werden soll, unahängig von deren Rendite. Die Netto-Rendite aller Instrumente sinkt somit, wodurch risikoärmere Instrumente nahe Null rentieren. Zusätzlich stehen die Effekte der Finanzmarkttransaktionssteuer meiner Ansicht nach im Widerspruch zu anderen Regulierungsprojekten wie EMIR, da diese einzelnen Regulierungsbausteine nicht miteinander abgestimmt sind.“ Auch das Beispiel Frankreich zeige, dass die Wirkung der dort bereits eingeführten Transaktionssteuer bedeutungslos sei.
BVI sieht Wahlkampfmanöver
Daher vermutet der BVI: „Es geht um eine neue staatliche Einnahmequelle und um die Gunst der Wähler, die glauben, die Banken zahlten die Steuer. Tatsächlich zahlt die Steuer am Ende der Sparer selbst. Die Regulierung des Hochfrequenzhandels macht eine Finanztransaktionssteuer überflüssig. Denn die Befürworter der geplanten Steuer geben vor, mit der Besteuerung den hochfrequenten Handel bekämpfen zu wollen“, so Richter. Und weiter: „Für die staatlich geförderte Altersvorsorge muss es Ausnahmen geben. Es wäre widersinnig, dass der Staat mit viel Geld das Riester-Sparen fördert und dann gleichzeitig die Altersvorsorge besteuert.“
Auch FT-Geschäftsführer Stäcker will eine Ausnahme für Fonds: „Das Mindeste aber ist, eine Doppelbelastung des Fondsanlegers zu vermeiden; es darf also nicht zu einer Besteuerung sowohl auf Fonds- als auch auf Anlegerebene kommen.“
Holger Naumann, Geschäftsführer der DWS, sekundiert: „Die Intention ist verständlich, den eingeschlagenen Weg halten wir für falsch. Die Zielsetzung, die Verursacher der Finanzkrise an der Finanzierung der Folgeschäden zu beteiligen, würde gleich doppelt verfehlt: zum einen ist die Fondsindustrie nicht Verursacher der Krise, zum anderen trifft die finanzielle Belastung der Finanztransaktionssteuer die Anleger – durch eine mögliche Doppelbelastung für Investmentfonds auf Ebene von Portfolio-Transaktionen sowie auf Ebene des Anlegers bei Erwerb und Veräußerung seiner Anteile. Auch die mögliche Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Anlageformen ist für eine Stärkung einer vielschichtigen privaten Altersvorsorge nicht zielführend.“ (mr)
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