Das Corona-Chaos in Deutschland nimmt kein Ende: Während andere Länder bereits große Fortschritte bei der Impfung ihrer Bevölkerung machen, taumelt die deutsche Politik von Coronagipfel zu Coronagipfel. Die Infektionszahlen steigen weiter, und auch die Kritik am Krisenmanagement von Bundesregierung und Länderchefs nimmt zu – womit wohlgemerkt jede sachliche, konstruktive Kritik gemeint ist, nicht der Irrsinn, den sogenannte „Querdenker“ und sonstige Wirrköpfe seit Monaten im Netz und auf der Straße verbreiten.
Auch in der Finanzdienstleistungsbranche wächst im zweiten Jahr der Pandemie der Unmut, wie sich zum Beispiel beim Thema Schule zeigt. Auch dort herrscht weiterhin Corona-Chaos, eine Digitalstrategie für die Schulen ist noch immer nicht erkennbar. Eine verheerende Situation – meint auch Norbert Porazik, geschäftsführender Gesellschafter des Maklerpools Fonds Finanz. „Auch nach einem Jahr Homeschooling sind Deutschlands Schulen nicht für den digitalen Unterricht gerüstet“, ließ er sich kürzlich in einer Pressemitteilung des Unternehmens zitieren. „Es macht mich wütend, dass sich an der Lage zum digitalen Unterricht noch nichts Nennenswertes getan hat: Bildung ist unser höchstes Gut; und unseren Schulen fehlt es noch immer an Ausstattung.“
Die Fonds Finanz hat daraus ihre Konsequenzen gezogen und die Kooperation mit „Netzklasse“ um ein weiteres Schuljahr verlängert. Mit „Netzklasse“ können Lehrer Unterrichtsstunden ortsunabhängig halten und diese mittels pädagogischer Tools interaktiv gestalten. Für Vertriebspartner der Fonds Finanz bedeutet die Kooperation, dass sie bundesweit beliebig viele Schulen für eine kostenfreie Nutzung des virtuellen Klassenzimmers anmelden können. Das Engagement der Fonds Finanz zeigt, dass es in der Finanzdienstleistungsbranche durchaus Bemühungen gibt, dort einzuspringen, wo Bund und Länder bei der Krisenbewältigung einfach nicht vorankommen. Ein weiteres Beispiel: Wie andere große deutsche Unternehmen will auch die Allianz wegen der lahmenden Impfkampagne den Schutz der Belegschaft vor dem Coronavirus in die eigenen Hände nehmen und sie durch Betriebsärztinnen und -ärzte impfen lassen.
Die Branche selbst steht nach einem Jahr Coronakrise vergleichsweise gut da: Im Jahr 2020 konnten viele Finanzdienstleister steigende Geschäftszahlen verzeichnen, auch den Start ins neue Jahr bezeichnen viele Vertriebe und Pools als gelungen. „Das Jahr 2021 ist bisher sehr gut angelaufen – unsere Belegschaft ist gesund und wirtschaftlich ist das neue Geschäftsjahr außerordentlich erfolgreich gestartet. Im Vergleich zu Januar und Februar 2020, den Vormonaten der Corona-Pandemie, konnten wir in den ersten zwei Monaten dieses Jahres eine Umsatzsteigerung von über sieben Prozent verzeichnen“, sagt Porazik. Dabei seien alle Sparten ähnlich stark aufgestellt. „Zusätzlich erhalten wir von unseren angebundenen Vermittlern großen Zuspruch“, so Porazik.
Auch der Maklerpool Qualitypool konnte nach einem wachstumsstarken Jahr 2020 im Januar und Februar noch einmal zulegen: „Das Baufinanzierungsgeschäft erwischte einen hervorragenden Jahresstart, das Ratenkreditgeschäft entwickelt sich sehr erfreulich und auch im Versicherungsbereich haben wir von Beginn an zweistellige Wachstumsraten erzielt“, erklärt Geschäftsführer Jörg Haffner. Grundsätzlich zeige sich seit Beginn der Pandemie, dass das digitalisierte Geschäftsmodell des Unternehmens durch die Krise helfe und sogar Marktanteile gewinnen lasse.
Ob 2021 ein neues Rekordjahr wird, muss sich erst noch zeigen
Beim Finanzvertrieb Telis werden sogar Superlative bemüht, wenn es um den Start ins Jahr 2021 geht. „Die ersten Monate waren sensationell: Bereits im Januar konnten wir das Vorjahr um 25 Prozent übertreffen, die Neuregistrierungen nach Paragraf 34d Gewerbeordnung haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt und unsere Vertriebsaktivitäten laufen auf Hochtouren – ein phänomenaler Start in ein neues Rekordjahr“, sagt Vorstandschef Dr. Martin Pöll. Wohl dem, der in Zeiten wie diesen, solche Zahlen vermelden kann.
Ob 2021 für die gesamte Branche ein neues Rekordjahr wird, muss sich aber erst noch zeigen. Mittlerweile befindet sich Deutschland in der dritten Corona-Welle, verschiedene Virus-Mutationen breiten sich auch hierzulande aus. Was zwangsläufig zu der Frage führt, ob der Finanzvertrieb auch die kommenden Monate so gut überstehen wird wie das Jahr 2020. Bei der Beantwortung dieser Frage dürfte die zunehmende Digitalisierung ein entscheidender Faktor sein, meint Haffner. „Die Krise hat Entwicklungen, die sich bereits vor Corona abgezeichnet hatten, noch einmal deutlich beschleunigt. Allen voran natürlich die Digitalisierung der Branche, die sich zuletzt insbesondere im Versicherungsgeschäft intensiviert hat“, sagt er und warnt: Die Kombination hoher digitaler Investitionskosten mit Einbußen im Pandemie-Verlauf aufgrund eines nicht ausreichend digitalisierten Geschäftsmodells könne dazu führen, dass einige Marktteilnehmer zunehmend an Boden verlieren. „Vieles wird vom weiteren Pandemieverlauf abhängen, den aktuell niemand vollständig abschätzen kann“, so Haffner.
Prognosen, wie sich die Kunden in den nächsten Monaten verhalten könnten, gibt es aber durchaus. Kritisch sei die Lage zum Teil im Privatkundensegment, sagt Hartmut Goebel, Vorstand des Maklerpools Germanbroker.net. „Kunden, die wegen Corona mit den Folgen von Kurzarbeit oder im schlimmsten Fall Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, agieren in den nächsten Monaten sicher vorsichtiger. Sie werden grundsätzlich überlegen, ob und wenn ja an welcher Stelle eine finanzielle Investition im Moment sinnvoll ist.“ Eine größere Stornowelle sei jedoch bisher ausgeblieben, auch steige unter Umständen das Risikobewusstsein und damit verbunden die Bereitschaft zur Absicherung biometrischer Risiken.
Gewerblich ausgerichtete Makler seien bisher ebenfalls vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, so Goebel. „Davon teilweise ausgenommen sind Spezialmakler, insbesondere in den Geschäftsfeldern Reise, Gastronomie, Veranstaltungen, Taxi und Hotellerie. Sollte der Lockdown weiter anhalten, sind die Folgen für Branchen wie das Gastronomie- und Hotelgewerbe vermutlich verheerend.“ Der Ausfall werde für die Finanzdienstleistungsbranche deutliche Folgen nach sich ziehen.
Bei Telis hat man konkrete Vorstellungen davon, wie sich die Branche in der Krise entwickeln wird. „Wir gehen davon aus, dass sich der Markt in drei Segmente unterteilen wird“, sagt Vorständin Dr. Stefanie Alt. „Es wird Unternehmen geben, die unter der Krise enorm leiden und das Voranschreiten der Digitalisierung leider verpasst haben. Es wird diejenigen geben, die sich um die Nulllinie bewegen und darum kämpfen, ihre Marktposition aufrechtzuhalten. Aber es wird auch Unternehmen geben, die aus der Krise als Gewinner hervorgehen. Das sind die Unternehmen, die dank digitaler Kommunikationswege und kluger Geschäftsmodelle die Kundenbedürfnisse optimal bedienen und sich in Krisenzeiten als verlässlicher Partner erweisen.“ Die meisten Finanzdienstleister dürften in das letztgenannte Segment fallen, wenn man ihren Verlautbarungen aus den vergangenen Monaten Glauben schenken darf.
Den vollständigen Artikel lesen Sie in der kommenden Cash. Ausgabe 5/2021.