Welche Möglichkeiten hat der Makler, den stark segmentierten KMU-Bereich bestmöglich für sich aufzuschließen?
Schönfeld: Das Geschäft mit KMU ist durchaus komplex – es gibt hunderte verschiedene Betriebsarten und Mischgewerbe, zahlreiche Sparten und ganz unterschiedliche Risikosituationen. Wir beobachten jedoch, dass das Gewerbegeschäft wie kein zweites von den immer zahlreicher werdenden digitalen Beratungs- und Abschlussmöglichkeiten profitiert und auch weiterhin profitieren wird. Und genau hier können Makler ansetzen, wenn sie die ersten Schritte im KMU-Bereich gehen möchten.
Es gibt verschiedene Tools und Anbieter, darunter auch unsere Beratungsplattform, die Beratungsschritte wie Risikoerfassung und Bedarfsanalyse, Tarifvergleiche und Ausschreibungen sowie Abschlüsse und Dokumentation im Gewerbegeschäft unterstützen. Das ist vorteilhaft für Makler, denn mitunter haben sie ihre ersten Gewerbekunden ja bereits im eigenen Bestand.
Welche Skills benötigt der Makler, um im Bereich Gewerbeversicherung erfolgreich zu sein?
Schönfeld: Aufgrund der beschriebenen Komplexität sind die wichtigsten Skills meiner Erfahrung nach Mut, die Freude am Beschäftigen mit vielen und immer neuen Themen und Ausdauer. Denn das Angebot der Versicherer ist groß, aber noch größer ist die Vielfalt an Gewerbekunden, ihren spezifischen Ansprüchen und Gegebenheiten. So kann zum Beispiel die optimale Risikoerfassung eine Challenge sein.
Und nicht immer ist zum Beispiel eine Spenglerei auch wirklich nur eine Spenglerei. Wichtig ist, dass man sich nicht abschrecken lässt, sondern bereit ist, sich in die Materie einzuarbeiten. Dabei hilft vor allem eines: Fokus. Das heißt, ich kann darüber hinaus empfehlen, sich in ein bis zwei starke Betriebsarten oder Sparten einzuarbeiten und hier zum Experten zu werden.
Verglichen mit anderen Kundensegmenten, welches Umsatz- bzw. Geschäftspotenzial bietet der KMU-Bereich für Makler? Inwieweit ist auch der Bereich Start-up lukrativ?
Schönfeld: 99,5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind KMU, in absoluten Zahlen sind das rund 3,5 Millionen (IfM Bonn). Ihnen steht eine Anzahl von rund 200.000 eingetragenen Versicherungsvermittlern gegenüber (DIHK). Das bedeutet: Im Schnitt könnte jeder deutsche Versicherungsvermittler rund 17,5 Unternehmen beraten, wobei logischerweise nicht jeder der 200.000 Vermittler tatsächlich Gewerbegeschäft macht. Wahrscheinlich ist es nur ein Bruchteil.
Das Potenzial ist also groß. Es wird noch größer, wenn man den Absicherungsbedarf einbezieht, den viele Unternehmen haben. Ähnliches gilt erstaunlicherweise für Start-ups. Obwohl sie oftmals technologieaffin sind, gibt es hier ebenfalls Nachholbedarf. Denn nicht selten wird das Thema „Versicherung” bei der Existenzgründung erst einmal geschoben, da zu viele andere Aufgaben anstehen.
Wie groß ist die Diskrepanz zwischen Risikobewusstsein in den KMUs und dem tatsächlich ermittelten Absicherungsbedarf?
Schönfeld: Generell kann man beobachten, dass der Umfang der Risikoabsicherung mit der Größe der Betriebe steigt. Tendenziell würde ich aber sagen, dass alles, was unter den Begriff “Pflichtversicherung” fällt oder sich schnell und direkt erschließt, wie eben Betriebshaftpflichtversicherung oder Sach- und Inhaltsversicherungen, gut abgedeckt sind. Bei spezielleren Produkten, wie im Beispiel der Cyber-Versicherung oder aktueller denn je, der Betriebsschließungsversicherung, ist der Bedarf jedoch wirklich groß. Denn gerade mittelständische Unternehmen kennen ihr konkretes Risikoprofil im Zusammenhang mit diesen Versicherungen nicht.
Hinzu kommt, dass der Versicherungsschutz auch nur unregelmäßig kontrolliert und selten angepasst wird. Der Grund sind oft geringe Kapazitäten. Es besteht also nicht nur konkreter Absicherungs-, sondern auch echter Beratungsbedarf. Um das mal am Beispiel Cyberversicherung zu verdeutlichen: Viele Unternehmer beschäftigen sich zwar mit dem Thema, wiegen sich aber in der vermeintlichen Sicherheit, dass ihre Daten für eine Cyberattacke nicht interessant genug sind. Als Konsequenz herrscht immer noch eine akute Unterversicherung in diesem Bereich: So haben 87 Prozent der deutschen Unternehmen keine Cyberversicherung!
Das Geschäft erfolgt oft noch auf persönlicher Ebene. Wie stark lässt sich das KMU-Geschäft digitalisieren bzw. standardisieren?
Schönfeld: Ganz generell gibt es im KMU-Geschäft viele spannende und vor allem wertvolle Möglichkeiten der Digitalisierung. In der Beratung verändert sich gerade sehr viel. Nicht zuletzt zeigte sich hier auch Corona als Katalysator. So ist die Interaktion mit den Kunden über E-Mail hin zu Video-Beratungsgesprächen und Online-Abschlussstrecken schon viel digitaler geworden. Da in den letzten Monaten kein Publikumsverkehr in Büros und Agenturen zugelassen war und derzeit auch noch nicht wieder ist, hat auch das Thema elektronische Signatur eine ganz neue Dringlichkeit und Akzeptanz erfahren.
Für uns als „Digitalisierer“ ist es sehr spannend zu beobachten, dass diese neuen Beratungsformen nicht nur funktionieren und angenommen werden, sondern mittlerweile normal sind. Ich denke, das liegt vor allem daran, dass Vermittler nun tatsächlich sehen, wie viel Zeit sie durch digitale Tools und Angebote sparen, sowohl bei Verwaltungs- oder Organisationsaufgaben als auch mit Blick auf Fahrtzeiten oder ähnliches. Das ist an sich schon erfreulich, aber vor allem ergeben sich dadurch Kapazitäten, die wiederum in wichtigere Aufgaben fließen können, nämlich in die Beratung, den Ausbau digitaler Beratungsmodelle und auch digitale Vertriebsaktivitäten.
Klar ist bei all den Erfahrungen aber auch noch einmal folgendes geworden: Gerade im KMU-Bereich wollen und brauchen Kunden den Kontakt zu den Maklern. Denn nichts ersetzt am Ende den direkten Kundenkontakt und den Besuch vor Ort. Allein für die Risikoerfassung ist dieser häufig unabdingbar. Daher glaube ich daran, dass sich langfristig an vielen Stellen hybride Ansätze durchsetzen werden.
Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.