Interessant ist ein aktueller Blick auf die Entwicklung bei den älteren Arbeitnehmern in Deutschland. Erfreulich ist, dass der Anteil der Älteren in keinem anderen EU-Land so stark gestiegen ist wie bei uns, doch wirkt die Rente mit 63 diesem positiven Trend entgegen. Rund fünf Millionen Beschäftigte gibt es bei den 55- bis unter 65-Jährigen, fast eineinhalb Millionen mehr als ein halbes Jahrzehnt zuvor.
Bei den 60- bis 64-Jährigen stieg der Anteil von 2000 bis 2014 von rund 20 auf 53 Prozent. Folgt man den Zahlen der Deutschen Rentenversicherung, so ist nach der letzten Rentenreform die Zahl der regulär Beschäftigten von Juni bis September um knapp 23.600 gesunken. Bei der Arbeit von über 65-Jährigen gab es in den letzten fünf Jahren zwar einen Anstieg von 45 Prozent, in absoluten Zahlen waren das aber nur 56.000, insgesamt geht es um 178.000 Arbeitnehmer.
Mobilisierung der erfahrenen Arbeitskräfte wäre geboten
Kaum ins Gewicht fällt die Zahl jener Beschäftigter, die ohne Rentenbezug über das Rentenalter hinaus arbeiten, obwohl sie für ihre Rentenanwartschaft mit einem Zuschlag von einem halben Prozent für ein Jahr längeren Arbeitens rechnen können. Wenig gefragt ist wegen der starren Hinzuverdienstgrenzen die Möglichkeit, vor dem normalen Rentenalter in den Ruhestand zu gehen und noch dazu zu verdienen. Freiwillige Beiträge zum Ausgleich von Abschlägen bei vorzeitiger Rente finden auch nur wenige Betroffene interessant.
Alles in allem zeigt die Situation, dass die Zeit der Frühverrentungen zwar vorbei ist, eine Mobilisierung der erfahrenen Arbeitskräfte durch eine Flexi-Rente volkswirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch geboten wäre.
Skepsis gegenüber Neuem
Während in vielen hochentwickelten Industriestaaten über mehr Flexibilität und Mobilität in der „Arbeitswelt 4.0“ – von der Tages- und Wochen- bis zur Lebensarbeitszeit – diskutiert wird, überwiegt in Deutschland in falschem Besitzstandsdenken die Skepsis gegenüber Neuem. Dabei kann sich mehr als die Hälfte der über 55 Jahre alten Erwerbstätigen vorstellen, über 65 Jahre hinaus weiter zu arbeiten. Das ergab eine Umfrage des Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschung: 40 Prozent der Befragten gaben dafür finanzielle Motive an, der Mehrheit ging es aber um „Spaß an der Arbeit“, um den „Kontakt mit Menschen“.
Mit steigendem Alter wächst der Wunsch, länger zu arbeiten. Die Führungskräftevereinigung ULA hat deswegen die Koalition vor einem Scheitern ausdrücklich gewarnt und die Grünen wollen im Bundestag mit einer eigenen Initiative offensiv werden. Ihnen geht es darum, Ältere so lange wie möglich im Job zu halten. Damit solle auch erreicht werden, dass die künftige Rente mit 67 nicht am Ende zu Rentenkürzungen führt.
Seite drei: Der große Wurf für eine liberale Rentenreform wird ausbleiben