„Flucht in Cash ist Wertvernichtung“

Brennende Euroscheine
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Eine globale Rezession kündigt sich an und die Inflation erweist sich als kein vorübergehendes Phänomen, sondern wird erst einmal bleiben. Das sei kein einfaches Umfeld für Investoren, meint Till Christian Budelmann, Chief Investment Officer bei der Schweizer Privatbank Bergos. Dennoch sieht er die Flucht in Cash als keine strategische Option, sondern in diesen inflationären Zeiten als Wertvernichtung. Wie Anleger sich stattdessen positionieren sollten

„Seit der Bloomberg US Aggregate Total Return Index in den 70er Jahren aufgelegt wurde, war er in keinem Kalenderjahr so stark im Minus wie bislang 2022. Was aber noch entscheidender ist: In den Jahren seit 1977, in denen der US-Aktienindex S&P 500 im Minus lag, war die wichtige Benchmark für den Anleihenmarkt stets im Plus oder 2018 zumindest auf der Nulllinie. 2022 entfällt diese ausgleichende Wirkung für das Portfolio. Aktien und Anleihen notieren beide prozentual zweistellig im Minus.Die Korrelation der Anlageklassen ist so hoch wie seit Mitte der 90er Jahre nicht, damals bewegten sich die Märkte allerdings gemeinsam nach oben.

In Europa dürfte die Schrumpfung der Wirtschaft über den Winter stärker ausfallen als in den USA. Allerdings sollten Investoren eine Rezession auch nicht zu sehr fürchten. Sie ist zwar unerfreulich, gehört aber zum Wirtschaftskreislauf dazu und kann reinigend wirken. Zudem gefährdet sie vor allem Unternehmen, in die man ohnehin nicht investieren sollte.

Ein weiterer Faktor für die Unsicherheit an den Märkten ist die hohe Teuerung. Wir befinden uns in einem Inflationsregime. Das ist nicht temporär, sondern wird erst einmal bleiben. 
Wir erwarten, dass sich die US-Inflation im kommenden Jahr bei drei bis fünf Prozent einpendeln wird. Für die Eurozone werden hingegen fünf bis sieben Prozent erwartet, noch immer ein Rückgang von den aktuell zu konstatierenden 9 Prozent.

In der aktuellen unsicheren Lage neigen viele Anleger dazu, strategisches Cash aufzubauen. Ein Fehler: Barmittel sind in diesem inflationären Umfeld keine strategische Option. Sie verlieren jeden Tag real an Wert. Auch gegenüber Anleihen sind wir grundsätzlich vorsichtig: Bei dieser Inflation und womöglich noch weiter steigenden Zinsen werden Anleihen nicht in der Lage sein, das Vermögen real zu erhalten. Aus Diversifikationsgründen sollten sie dennoch im Portfolio nicht fehlen. Ebenso gehört Gold in jedes Multi-Asset-Portfolio als Absicherung gegen große Krisen. Aber auch das Edelmetall kann kein Kernelement sein.

Diese Aufgabe übernehmen weiterhin Aktien. Sie kommen einem Inflationsschutz am nächsten. Das gilt zumindest für Aktien von Unternehmen mit Preissetzungsmacht, die in der Lage sind, die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben. Aber: Trotz der soliden Gewinne schwanken aktuell auch die Kurse von Qualitätsaktien massiv. Das müssen Aktieninvestoren aushalten können.

Im Vergleich zu Europa liegen weiterhin die größeren Chancen in den USA. Dafür spricht nicht nur die bessere wirtschaftliche Situation, sondern auch die flexiblere Notenbankpolitik. Wichtiger als der regionale Schwerpunkt ist aber derzeit die aktive Selektion: Die Zeit der Indexinvestments ist vorbei.“

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