DD, SRI und TVO; ESG, ETF und PAI; FNG, ISS und PRI; SFDR, SDG – ojemine: frei nach dem Hit „MfG“ der Fantastischen Vier aus dem Jahre 1999 kann das nachhaltige Fondsuniversum schon verwirren. Dabei ist das Wissen um die Abkürzung und was sich dahinter verbirgt längst nicht die einzige Herausforderung für Makler und Vermittler. Sie müssen wissen, was eine nachhaltige Kundenberatung als verpflichtender Teil der IDD (Insurance Distribution Directive) umfassen soll, und, viel schwieriger, welches Produkt dann dem Kundenwunsch entspricht. Wie wählen wichtige Player nachhaltige Fonds aus und welche Fondsarten haben sie? Was kann der Kunde wählen? Und wie bewerten neutrale Stimmen die Versicherer? Neben der Risikoneigung muss der Berater laut IDD abfragen, ob der Kunde an nachhaltiger Anlage interessiert ist.
Wenn ja, sind die Präferenzen nach drei Kriterien abzufragen: erstens ökologisch nachhaltige Investitionen nach der EU-Taxonomie-Verordnung, mit den Zielen Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Wasser und maritime Ressourcen, Vermeidung/Verringerung von Umweltverschmutzung, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität und Ökosysteme; zweitens nachhaltige Investitionen im Sinne der EU-Offenlegungs-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), Transparenzverordnung (TVO)), die zur Erreichung eines Umwelt- oder sozialen Ziels beitragen wie erneuerbare Energien, Bekämpfung von Ungleichheit; und drittens den Ausschluss nachteiliger Auswirkungen (Principal Adverse Impact Indicators – PAIs) auf die Nachhaltigkeit wie Menschenrechtsverletzungen oder die Emission von Treibhausgasen. Bei der TVO sind die Artikel 6, 8 und 9 relevant. Art. 6 bedeutet Investment ohne explizites Nachhaltigkeitsziel, Art. 8 berücksichtigt Umwelt- oder soziale Kriterien („hellgrün), Art. 9 trägt mindestens zu einem Nachhaltigkeitsziel bei („dunkelgrün“). Softwareunterstützung zur IDD-Strecke bieten beispielsweise Versicherer und Maklerpools.
Alte Leipziger (ALH), HDI, LV1871, Pangaea Life, Stuttgarter und Zurich haben grüne Fondspolicen in allen drei Schichten der Altersvorsorge, bei der privaten Altersvorsorge der ersten und dritten Schicht mit unterschiedlichsten Garantieniveaus. Bei der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) der zweiten Schicht dominieren 80 Prozent Garantie, die Zurich bietet auch 70 Prozent. ALH und Stuttgarter haben eine Bezeichnung für ihr gesamtes grünes Produktkonzept: die ALH „VisionGrün”, die Stuttgarter „GrüneRente”. Im Detail ist bei der ALH „VisionGrün“ in den „reinen“ Fondspolicen „ALfonds FR10“ in der dritten Schicht und „FR70“ in der ersten Schicht möglich, sowie in allen drei Schichten bei den Mischprodukten „ALfonds Hybrid (FR15, FR20, FR50, FR75)“ und „AL_Rente-Flex (AR15, AR25, AR75)“ sowie beim Einmalbeitragsprodukt „AL_FlexInvest (FR30)“, außerdem in der bAV. Nachhaltige Fonds kommen bei HDI zum Einsatz in Schicht eins bei der Basisrente, in Schicht drei bei der „CleverInvest” Privatrente und der „CleverInvest Green“ Privatrente, in Schicht zwei bei der „SafeInvest” Direktversicherung. LV1871 ist bei der Anlagestrategie „Klimarente” in den „MeinPlan“-Fondsrenten nachhaltig, die Münchner bieten auch für Berufsunfähigkeit Fondspolicen an. Die Zurich hat für die Basisversorgung in der ersten Schicht „Basisrenteinvest“, „VarioInvest“ und „BasisRente“, in Schicht zwei „Vorsorgeinvest“ und „VarioInvest“ und in Schicht drei „Vorsorgeinvest“, „VarioInvest“, „Juniorinvest“ und „VorsorgeFlex“.
Wie spiegeln sich die Kriterien der IDD-konformen Kundenberatung bei der Fondsauswahl der Versicherer wider? Pangaea Life hat die beiden Fonds „Blue Energy“ und „Blue Living“ und zeigt genau auf, in welche nachhaltigen Sachwerte der Bereiche erneuerbare Energien und Energiespeicher („Blue Energy“) sowie nachhaltige Wohnimmobilien („Blue Living“) diese investieren. Die Fonds berücksichtigen ökologische Nachhaltigkeit nach der Taxonomie, sind Art. 8 konform nach TVO und schließen etliche PAIs aus (fossile Brennstoffe, Kohle, Kinderarbeit, Giftmülltransport, Waffenindustrie, Tierversuche). „Bei allen Investitionsentscheidungen achten wir zudem auf die ökonomische Nachhaltigkeit im Sinne von Rendite, Stabilität und Sicherheit für unsere Kunden“, so Daniel Regensburger, Geschäftsführer Pangaea Life. Die Zurich stellt Umwelt und Soziales im Sinn der ESG-Kriterien in den Mittelpunkt und fokussiert sich bei ihrer Impact-Investment-Strategie auf ökologische und soziale Ziele der TVO. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten ist fester Bestandteil des Investmentprozesses. Fonds haben strenge Ausschlusskriterien und müssen durch ihre ausgewiesene nachhaltige Investmentstrategie strenge Umsatzschwellen für kontroverse Wirtschaftssektoren verfolgen. „Darüber hinaus gehört zum Leistungsversprechen von Zurich, die konsequente Einhaltung der Nachhaltigkeitsaspekte auf Investmentfondsebene laufend zu überwachen“. Die LV1871 bietet ein breites Spektrum an Fonds der Art. 6, 8 und 9 TVO an. Alle neu aufzunehmenden Fonds müssen – ob nachhaltig oder nicht – eine systematische ESG-Integration in der Anlagestrategie haben. Weitere Kriterien der Fondsanalyse sind angewandte ESG-Methoden, wie die Berücksichtigung von Ausschlusskriterien, Best-in-Class, Engagement… sowie deren ESG-Strategie und Zielsetzung. „In Summe müssen wir einen vernünftigen und nachvollziehbaren Eindruck der ESG-Berücksichtigung durch den jeweiligen Fondsanbieter erhalten”, so Josua Schätz, Produktmanager Investmentlösungen der LV1871.
Durch eine bessere ESG-Datenlage ab 2023 durch die Kapitalverwaltungsgesellschaften werde in Zukunft auch eine sinnvollere Bewertung der nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen wie Treibhausgas-Emission oder negative Auswirkungen auf Biodiversität für eine feinere Angebotsabstimmung möglich. Mindeststandard der ALH sind derzeit Art. 8 oder 9 TVO, die Unterzeichnung der PRI (Principles für Responsible Investments der UN), Ausschluss von Agrarrohstoffen sowie weitere Ausschlüsse, wie kontroverse Waffen. Die ausgewählten Fonds werden in die Kategorien „ESG+” und „SDG” unterteilt. „ESG+” filtert die ausgewählten Investments, wie nach „Best in/of”-Ansätzen insbesondere bei ETFs oder der bedeutenden Reduzierung von Klimarisiken. „SDG” beinhaltet Fondsstrategien, die die in der Taxonomie-Verordnung beschriebenen Sustainable Development Goals (SDGs) verfolgen, durch einen positiven Beitrag der Unternehmen, das Engagement der Fondsgesellschaft oder über die Pariser Klimaziele. Bei HDI müssen Fonds Art. 9 TVO erfüllen, Art. 8 Fonds den höchsten Nachhaltigkeitsscore der unabhängigen Agentur Sustainalytics. Nachhaltige ETFs werden durch die SRI (Socially Responsible Investing)-Bewertung klassifiziert. Ausgeschlossen sind alle Art. 6 Fonds. Der Fonds muss mindestens zehn Prozent nachhaltige Anlagen gemäß TVO haben, möglichst mehr. „Sofern Fonds keinen stringenten Nachhaltigkeitsprozess in deren Anlagepolitik verankert haben, schließen wir diese aus”, unterstreicht HDI. Vergleichbar zu HDI agiert die Stuttgarter. Nachhaltige Fonds müssen mindestens Art. 8 TVO und weiterhin ökologische, soziale und ethische Kriterien erfüllen. Dabei können verschiedene Anlagestrategien verfolgt werden: „Der Auswahlprozess für die nachhaltigen Fonds berücksichtigt neben gesetzlichen Vorgaben und fondsindividuellen Nachhaltigkeitsansätzen auch die Eignung für die Altersvorsorge, die Marktrelevanz sowie Kosten und Qualität.“ Dabei sorge der Versicherer für eine fortlaufende Kontrolle und Pflege des gesamten Fondsuniversums, prüfe alle Fonds mindestens jährlich und ergänze und bereinige bei Bedarf die Fondsauswahl.
Welche Wahlmöglichkeiten hat nun der Kunde? Bei „Pangaea Life Invest” können die Kundenbeiträge nach Präferenz zwischen den Fonds „Blue Energy” und „Blue Living” aufgeteilt werden, die Basisrente verwendet „Blue Energy“. Ein Altersvorsorgekunde der Zurich kann sich seine Fondspolice aus bis zu zehn aktiv oder passiv gemanagten Einzelfonds zusammenstellen oder ein gemanagtes Depotmodell wählen, mit gebührenfreien Veränderungen bis Rentenbeginn. „Es ist die Entscheidung des Kunden, welche unserer für VisionGrün verfügbaren Finanzprodukte in seine Anlage integriert werden sollen, und in welchem Umfang”, so Jens Oliver Martin, Zentralbereichsleiter Produktmanagement Leben, Alte Leipziger Lebensversicherung. Ähnlich läuft es bei HDI, LV1871 und Stuttgarter. Ein an Nachhaltigkeit interessierter Kunde kann bei der HDI wählen, ob er Präferenzen angeben will. Bei einer Präferenz kann er Fonds gemäß Taxonomie und TVO zu einem Mindestprozentsatz einschließen. Bei den PAIs kann er Treibhausgas-Emissionen, Wasserverschmutzung, gefährliche Abfälle, Auswirkungen auf Biodiversität, soziale Themen/ Arbeitnehmerbelange ausschließen oder nichts. Für die Stuttgarter „GrüneRente performance+“ kann der Kunde unter 87 nachhaltigen Fonds wählen, davon 71 Fonds nach Art. 8 und 16 Fonds nach Artikel 9 und auf der Homepage direkt die nachhaltigen Fonds selektieren und den Mindestanteil nachhaltiger Anlagen nach Taxonomie und/oder TVO einstellen. Zusätzlich kann er dieselben nachteiligen Auswirkungen wie bei HDI ausschließen. LV1871 bietet dem Kunden online eine Fondsauswahl nach Rendite-, Risiko- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten an. Nachteilige Kriterien sind wie bei HDI und Stuttgarter definiert und können einzeln abgewählt werden. Zu Taxonomie und TVO kann der Kunde die gewünschte Mindestinvestition des Fonds wählen. Alle Versicherer – bis auf Pangaea Life – bieten sowohl aktiv gemanagte ESG-Fonds, passive Nachhaltigkeitsfonds (ETFs) als auch gemanagte Strategien, Vermögensverwaltungen und Einzelfonds an. ALH bietet neben den beiden Produktfonds eine breite Auswahl aktiver und passiver Aktien-, Renten- und vermögensverwaltenden Fonds, die sich in globale, regionale und thematische Anlagestrategien aufteilen. LV1871 hat 87 aktiv gemanagte ESG-Fonds, sieben ETFs, und die gemanagte Anlagestrategie „Strategie Nachhaltigkeit”, mit ausschließlich FNG-zertifizierten Investmentfonds. Seit Mai 2022 gibt es in Kooperation mit der Ökoworld S.A. die Anlagestrategie „Klimarente”. Die Stuttgarter hat 71 aktiv gemanagte ESG-Fonds, 16 ETFs und fünf gemanagte ESG Portfolios. Zurich hat viele Einzelfonds und gemanagte Depotmodelle sowohl für sicherheitsorientierte als auch für risikobereite Anleger mit Aktien-, Misch-, oder Multi-Asset- und Rentenvarianten (inkl. ETF- und ESG-Fonds) unterschiedlichster Branchen, Regionen und Risikoklassen mit besonders günstigen Fondsanteilsklassen. Besonders hebt die Zurich die im Juli 2022 vorgestellten Depotmodelle ETF mit Klima-Fokus hervor, die nach strengstem Nachhaltigkeitsansatz von MSCI – dem Socially Responsible Investing Index – geführt und mit einem CO2-Fokus kombiniert werden. Dazu werden überwiegend Strategien im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen verfolgt. „Nachhaltige Fonds in der Kapitalanlage sind ein kleiner, aber leichter Schritt, um Klimawandel entgegenzuwirken. Die breite Auswahl an Varianten ermöglicht es unterschiedlichsten Interessengruppen, diesen Schritt zu gehen“, erläutert Björn Bohnhoff, Vorstand Leben der Zurich Gruppe Deutschland.
Laut Maklerpool Netfonds haben mittlerweile alle Versicherer eine Fondsauswahl nach Art. 8 oder 9 TVO. Lediglich die Anzahl der ESG-konformen Fonds variiere zum Teil stark, in allen Schichten der Altersvorsorge, sowohl mit als auch ohne Garantien. Komplett nachhaltige Tarife mit ausschließlich ESG-konformen Fonds seien die Stuttgarter „Grüne Rente”, die Produkte von Pangaea Life und Allianz „InvestFlex Green”. Weiterhin HDI „CleverInvest Green”, die auch in der Rentenphase ausschließlich in die nachhaltigen Anlagen des Sicherungsvermögens investiert. „Allerdings sagt das generell noch nichts über die Qualität der Fonds aus”, schränkt Oliver Kieper, Vorstand Versicherungen der Netfonds AG, ein. Jede Versicherungsgesellschaft weise aus, welche Fonds aus ihrer Fondsauswahl Art. 8 oder 9 TVO erfüllten. Daraus erkenne man aber nicht die konkreten Nachhaltigkeitsaspekte oder -projekte. Dies erfordere einen Blick in das entsprechende Factsheet und die Zusammensetzung des Fonds. Die Versicherer ihrerseits seien wiederum auf die Informationen der Fondsgesellschaften angewiesen und könnten lediglich ihren eigenen Auswahlprozess transparent machen. Natürlich sei auch die Fonds-Performance wichtig, denn schließlich solle ja Kapital für die Altersvorsorge aufgebaut werden.
Der Teufel liegt also wie meist im Detail – ebenso ist bekannt, dass die EU-Taxonomie nicht unumstritten ist (Stichwort Gas- und Atomkraft) und 2023 nutzerfreundlicher werden soll mit mehr als 200 FAQs. Bezüglich TVO ist es kein Geheimnis, dass namhafte Gesellschaften wie Blackrock oder DWS ihre Fonds von Art. 9 auf Art. 8 zurückstuften (wobei DWS aktuell Untersuchungsergebnisse zu Greenwashing-Vorwürfen veröffentlicht). Relevant sind daher auch externe Beurteilungen für Nachhaltigkeit, wie das FNG-Siegel, der Scope ESG Score sowie die Ratings von Morningstar Globen und dem MSCI ESG Fund. Die ALH weist für ihre Fonds alle vier Bewertungen aus. HDI achtet bei Art. 8 TVO Fonds auf beste Bewertungen von Morningstar Sustainalytics. LV 1871 begrüßt eine Zertifizierung des Fonds wie beispielsweise durch das FNG-Siegel (Forum Nachhaltiger Geldanlagen) sehr und achtet bei Fonds gemäß Art. 8 und 9 TVO auf die Morningstar Globen und den Scope-ESG-Score, den sie auch in den Kundeninformationen bereitstellt. Die Zuricher Depotmodelle ETF mit Klima-Fokus berücksichtigen strengste MSCI-Kriterien. Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) beurteilte Ende letzten Jahres private fondsgebundene Rentenversicherungen nach 52 Kriterien auf Nachhaltigkeit. 27 von 65 Tarifen von 40 Anbietern schnitten mit der Bestnote „Exzellent” ab, darunter sind alle im Beitrag vorgestellten Versicherer.
Für einen Blick über den Tellerrand: die Stuttgarter Finanzberatungsfirma ProVita hat eine Liste mit 964 als nachhaltig eingestuften Investmentfonds veröffentlicht. Dazu wurden 1400 in Deutschland zugelassenen Fonds nach Art. 8 oder 9 TVO betrachtet. Anschließend selektierte ProVita weiter: die Fonds mussten von der ISS ESG (Nachhaltigkeitsagentur des Stimmrechtsberaters ISS (Institutional Shareholder Services)) oder dem FNG als nachhaltig eingestuft worden sein oder bei der ESG-Risikoeinstufung durch MSCI mindestens die Note A erreichen. Das Verzeichnis verschafft „Anlegern und Beratern einen Überblick und eine Möglichkeit zur Orientierung“, so ProVita-Geschäftsführer Stefan Maiss. Maiss ist seit November Beisitzer beim FNG. Die Liste sortiert die Aktien-, Anleihen-, Geldmarkt-, Misch-, Dach- und börsengehandelten Fonds nach Wertentwicklung innerhalb der zwölf, 36 und 60 Monate bis September vergangenen Jahres sowie nach Volatilität.
Zu beachten sind natürlich bei aller Nachhaltigkeit auch die Fondskosten und die Rendite. Altersvorsorge ist letztlich kein Charity Event und es soll mehr bleiben als Schall und Rauch. In diesem Sinne: „MfG“.
Autorin Silvia Fischer ist Diplom-Betriebswirtin und Journalistin (FJS).