„Nicht in irgendein Thema hinein beraten“

Im Gespräch mit Cash kritisiert Martin Stenger, Produktmanager Investment bei der HDI Lebensversicherung, dass in der Kundenberatung zu häufig einzelne Anlagetrends im Vordergrund stünden und er erklärt, wie er das ändern möchte.

Das Interview führte Lorenz Klein, Cash.

Martin Stenger, Produktmanager Investment, HDI Lebensversicherung

Herr Stenger, der Anteil der fondsgebundenen Policen im Neugeschäft der kapitalbildenden Policen ist auch in 2012 weiter rückläufig. Setzen Sie angesichts dieser Entwicklung mit ihrer fondsgebundenen Lebensversicherung, die auf dem Prinzip des sogenannten Investment-Stabilitäts-Pakets (ISP) beruht, nicht auf das falsche Pferd?

Stenger: Nein, keineswegs. Der Leitgedanke von ISP ist, die Beratung neu auszurichten, mit dem Ziel dem Kunden mehr Sicherheit beim Thema Altersvorsorge zu vermitteln – das braucht natürlich Zeit. Wir beobachten, dass in den Beratungsgesprächen oftmals immer noch einzelne Anlagetrends wie Immobilien, BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) oder aktuell MIST (Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei) in den Vordergrund gerückt werden. Davon wollen wir wegkommen: Mit ISP haben wir vor einem Jahr einen Value-at-Risk-Ansatz entwickelt, mit dem wir den Kunden nicht in irgendein Thema „hinein beraten“, sondern zunächst die individuelle Risikotragfähigkeit des Kunden ermitteln, erst danach sprechen wir über das Thema Rendite.

Was bedeutet das im Einzelnen?

Stenger: Bei ISP gibt es sechs verschiedene Value-at-Risk-Stufen, die jeweils ein Risikomaß aufweisen, das von zwei bis 25 Prozent reicht und den maximal erwartbaren Verlust für den Kunden definiert. Diesen sechs Stufen sind insgesamt sieben Portfolios – unsere Investment-Stabilitäts-Pakete – hinterlegt. Auf Basis der individuellen Risikoeinstufung ergibt sich dann die zu erwartende Renditechance für den Fondspolicenbesitzer. Heute muss jedem bewusst sein, dass ein Ertragswunsch eine adäquate Risikobereitschaft voraussetzt.

Die deutschen Kunden gelten nun allerdings als recht risikoscheu. Wie stellt sich vor diesem Hintergrund die Verteilung auf ihre ISP-Stufen dar? Gibt es Überraschungen?

Stenger: Überrascht hat uns sicherlich, dass die Verteilung erfreulich diversifiziert ausfällt. Das heißt, es ist nicht so, dass es Ränder gibt und sich in der Mitte alles bündelt. Beispielsweise entscheiden sich rund elf Prozent der Kunden für das risikofreudigste ISP „Sprint“ mit einem Risikotragfähigkeitswert (RTF) von 25 Prozent – damit fällt die Nachfrage etwas höher aus als bei der deutlich konservativeren Variante „Trend“ mit einem Risikomaß von nur zehn Prozent, die von etwa neun Prozent der Kunden ausgewählt wird. Am häufigsten wird der Bereich „Dynamik“ mit einem RTF von 15 Prozent angewählt – 30 Prozent entscheiden sich für diese Variante. Wir haben bewusst Portfolios für sechs verschiedene RTFs im Angebot, damit der Kunde eine bewusste und eindeutige Anlageentscheidung treffen kann.

Haben sich Ihre Erwartungen an ISP erfüllt?

Stenger: Vor dem Hintergrund, dass wir den Paradigmenwechsel in der Beratung vorgenommen haben – sprich wegzukommen vom vergangenheitsbezogenen Renditeverkauf– sind wir zufrieden, aber eben noch nicht sehr zufrieden. Da wir ISP auch für das Bestandsgeschäft anbieten, haben wir das Produkt so gebaut, dass wir nicht allzu sehr unter Neugeschäftsdruck stehen. Uns war von vornherein klar, dass unsere Idee keine schnelle Erfolgsstory werden kann. Aber sie wirkt nachhaltig.

Wann rechnen Sie mit dem Durchbruch?

Stenger: Ich gehe von fünf Jahren aus – erfahrungsgemäß dauert es seine Zeit, bis sich Kunden an neue Beratungsansätze gewöhnt haben.

Planen Sie bis dahin Produktanpassungen?

Stenger: Klar ist: Wir werden kein Portfolio außerhalb einer Value-at-Risk-Basis anbieten. Zudem stellen wir einen ganz klaren Trend fest, der sich weg von Einzelfonds hin zur Portfoliologik entwickelt. Noch vor fünf Jahren hätte ich Ihnen erzählt, dass unsere Fondspalette noch größer geworden ist. Diesen Effekt haben sie überhaupt nicht mehr, stattdessen werden die Einzelfondspaletten kompakter. Unsere bleiben zum Jahreswechsel mit rund 40 Einzelfonds konstant. Ansonsten überlegen wir, weitere Themen – wie zuletzt das ISP „Substanz“ – in unsere ISP-Logik zu implementieren.

Zum Schluss ein Ausblick: Welche Ziele haben Sie mit ISP noch?

Stenger: Ein Ziel ist sicherlich, bestehende Policen auf die neue risikoadjustierte Logik umzustellen, um auf diese Weise die Stornosituation weiter zu beruhigen. Und ich betone nochmals: Ziel ist, eine Veränderung dahingehend herbeizuführen, wie der Berater auf den Kunden zugeht – statt ein „historisches“ Fact Sheet mit den obligatorischen acht Prozent auf den Tisch zu legen, wollen wir einen echten Paradigmenwechsel erreichen. Wir stellen uns relativ alleine mit dem Ansatz, den wir mit ISP eingeleitet haben. Uns ist klar, dass es keinen Raketenstart gibt, aber wir haben immerhin schon das richtige Produkt – die anderen fangen erst an, darüber nachzudenken.

Foto: HDI Lebensversicherung

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