Sie haben in den letzten Jahren die Ausschließlichkeitsvermittler sukzessive in Mehrfachagenturen überführt. Warum war das aus Ihrer Sicht nötig?
Kettnaker: Wir sehen, dass der Trend in der Beratung weg von der Ausschließlichkeitsorganisation (AO) und hin zu Mehrfachagenturen (MFA) geht. Diese Veränderung haben wir in der ALH Gruppe auch an einem leichten Bestandsrückgang gespürt. Daher haben wir für uns den Schluss gezogen, dass eine Überführung unserer AO in MFA Sinn macht. Durch diese Überführung stärken wir die Agenturen in ihrer Zukunftsfähigkeit, denn eine AO hat nie einen „Plan B“: Wenn ein bestimmtes Produkt für den Kunden nicht mehr passt – zum Beispiel nach Anpassungen durch den Anbieter – hat er keine Möglichkeit, ihm ein alternatives Produkt von einem anderen Anbieter zu vermitteln. Dann kann es gut passieren, dass er die ganze Kundenbeziehung an einen Makler verliert. So können wir unseren Agenten mehr Flexibilität in der Beratung ermöglichen und letztendlich eine höhere Zufriedenheit bei Kunden und Vermittlern erreichen.
Wie lief der Umstellungsprozess in der Praxis ab? Was waren die größten Schwierigkeiten?
Kettnaker: Beim Umstellungsprozess unterstützt uns der Maklerverbund VFM. Wir unterstützen die Vermittler bei der komplexen Aufgabe, ihre Bestände sukzessive in das Verwaltungssystem von VFM zu migrieren. Die Vermittler sowie deren Mitarbeiter werden von uns gemeinsam unterstützt und geschult; sie müssen sich auf neue technische Anforderungen einstellen. Das ist eine herausfordernde Aufgabe. Der Umstellungsprozess läuft wie geplant.
Haben Ausschließlichkeitsvermittler heute überhaupt noch eine Chance?
Kettnaker: Wir sehen die Zukunft des Versicherungsvertriebs eindeutig bei den Mehrfachagenten. Das ist aus unserer Sicht gelebter Kundenschutz: Die Produktauswahl wird an die Bedürfnisse des Kunden angepasst. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir in den nächsten Jahren weitere Umstellungen von AO in MFA im Markt sehen werden. Eine Umstellung ist allerdings riskanter, wenn das Verhältnis zwischen AO und Maklervertrieb ausgewogen ist. Das Konzept ist somit nicht in jedem Fall für Versicherer wie Vermittler passend. In der ALH Gruppe hatten wir einen vergleichsweise geringen AO-Anteil an der Produktion.
Zeigt die Umstellung bereits Wirkung?
Kettnaker: Wir haben bisher rund 90 Prozent unserer AO in MFA überführt. Wir gehen davon aus, dass maximal zehn Prozent der Vermittler sich gegen eine Umwandlung ihres Geschäftsmodells entscheiden werden, vor allem aus Altersgründen. Wir sind mit dem bisherigen Ergebnis sehr zufrieden: Wir haben den Bestandsabrieb gestoppt und sogar ein Plus in der Produktion erreicht. Von unseren neuen MFA haben wir ebenfalls überaus positives Feedback erhalten. Viele berichten uns von Fällen, in denen sie Kunden halten konnten, die sie als Generalagenten verloren hätten. Wir sind insgesamt optimistisch, dass das Konzept bei uns aufgeht.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.