2022 hat das Neugeschäft mit selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherungen (SBU) einen Knacks bekommen. Nach Angaben des Analysehauses Franke und Bornberg, Hannvoner, erreichte die Zahl der SBU-Neuverträge mit 416.000 Stück gerade einmal das Niveau des Jahres 2015.
Auf 45,9 Millionen Erwerbstätige komme ein Bestand von gerade 5,63 Millionen selbstständigen Invaliditätsrenten sowie weitere 11,11 Millionen Zusatzrenten. Damit habe die Versicherungswirtschaft ihr Klassenziel verfehlt, urteilt das Analysehaus Franke und Bornberg bei der Vorstellung seines neuesten SBU-Ratings.
Dabei wäre eine zusätzliche Vorsorge absolut nötig. So liegt die durchschnittliche gesetzliche Erwerbsminderungsrente aktuell bei 1.007 Euro, nach Abzug der Beiträge zur Krankenversicherung. Angesichts massiv gestiegener Lebenshaltungskosten und Mieten reicht der Betrag nicht einmal ansatzweise aus.
Tarife: Die Qualität stimmt meist, der Preis nicht immer
An der Qualität liegt es laut Franke und Bornberg aber nicht, dass der BU-Absatz hinter dem Bedarf zurückbleibt. Seit dem ersten Tarifrating im Jahr 1995 seien die BU-Tarife immer leistungsfähiger geworden, erläutert Michael Franke, Geschäftsführer der Franke und Bornberg GmbH. Trotz anspruchsvoller Kriterien erreichten 2024 mehr als die Hälfte aller Tarife die Bestnote FFF+. Die Freude über leistungsfähige Tarife werde allerdings durch ungleiche Chancen auf bezahlbaren Versicherungsschutz getrübt, so Franke.
„BU-Versicherer schreiben die Entwicklung zur Klassengesellschaft fort. Insbesondere für Akademiker wird das Angebot seit Jahren nicht nur besser, sondern noch günstiger. Wer körperlich arbeitet, muss sich den teuren BU-Schutz hingegen vom Mund absparen. Ob Krankenschwester, Pfleger, Busfahrer oder Handwerker – gerade jene Berufe, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, fallen durchs Raster. Für eine Positionierung der Branche als eine ergänzende Säule der Sozialsysteme reiche das bei weitem nicht aus“, kritisiert Tarifexperte Franke die Versicherungsgesellschaften.
Die besten privaten SBU-Tarife der 3. Schicht
Für das SBU-Rating 2024 hat Franke und Bornberg in der dritten Schicht (private SBU) insgesamt 123 Tarife von 55 Gesellschaften nach 73 Kriterien analysiert. Im Vorjahresvergleich ist der Anteil der Top-Tarife (FFF+ hervorragend) nochmals auf jetzt 56,91 Prozent gestiegen. Weitere 17 Prozent erreichen die zweithöchste Note FFF sehr gut. Eine schlechtere Wertung als die Note gut (FF+) erhalten nur 12,20 % der Tarife.
Die besten BU-Direktversicherungen
Die Analyse zeigt zudem, dass das Angebot für betriebliche BU-Versicherungen doch deutlich geringer ist. Gerade 25 BU-Versicherer bieten Tarife zur SBU über den Arbeitgeber. Dabei sei gerade dieses Marktsegment zukunftsfähig, so das Analysehaus. Auf der Qualitätsskala rangieren SBU über den Betrieb ganz weit oben. 62,5 Prozent der untersuchten Tarife erhalten die Auszeichnung FFF+ hervorragend. Insgesamt sind vier von fünf Tarifen sehr gut oder besser.
Die besten Erwerbsunfähigkeitsversicherungen 2024
Noch geringer ist das Angebot an Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU). Gerade einmal ein Dutzend Versicherer haben die EU aktuell noch im Portfolio. „Anders als die Grundfähigkeitsversicherung leistet ein EU-Tarif bei jedem Auslöser. Psychische Erkrankungen, die immer relevanter werden, sind hier umfassend abgesichert.
Daher ist es unverständlich, dass so wenige Versicherer auf die EU setzen“, kritisiert Franke. Dagegen kann die Qualität der Produkt bei der diesjährigen Analyse überzeugen. Zum Zeitpunkt des Ratings gibt es nur sehr gute (66,67 %) oder sogar hervorragende Tarife (33,33 %).
Beamte: Lieblinge der Lebensversicherer
Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit bei Franke und Bornberg, analysiert den BU-Markt schon seit vielen Jahren. Neben immer besseren Tarifen beobachtet er seit einiger Zeit den Trend zu Zielgruppenkonzepten. Insbesondere Beamte haben es den Versicherern angetan. „Lebensversicherer haben die 1,75 Millionen Beamtinnen und Beamte als attraktive und vor allem wachsende Zielgruppe für sich entdeckt“, sagt Wedekind. Als USP im Wettbewerb um diesen Personenkreis diene die Dienstunfähigkeitsklausel (DU). Aktuell haben 22 Gesellschaften Versicherer von A wie Allianz bis Z wie Zurich eine DU-Klausel im Angebot.
Anders als bei Berufsunfähigkeit ist für Dienstunfähigkeit kein bestimmter Grad einer Einschränkung notwendig. Ob Dienstunfähigkeit vorliegt, entscheidet allein der Dienstherr. „Einen echten Mehrwert bietet die DU-Klausel nur, wenn sich der Versicherer ohne Wenn und Aber dem Votum des Dienstherrn anschließt. Das ist jedoch nur bei Top-Klauseln der Fall“, weiß Wedekind. Am kundenfreundlichsten sei eine DU-Klausel mit „Günstiger-Prüfung“. Sie zahle auch, wenn zwar keine Dienstunfähigkeit, aber eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit vorliege, so Wedekind.
Skeptisch sieht der Analyst hingegen den Verzicht auf konkrete Verweisung. Die Folgen seien kaum absehbar und damit auch nur schwer zu kalkulieren. „Schon jetzt ist das BU-Geschäft für viele Versicherer nicht mehr sehr lukrativ. Jeder weitere ungewisse Leistungsauslöser kann die Bestände belasten und zu Überschusssenkungen und damit zur Anpassung der Zahlbeiträge führen“, mahnt der Vorsorge-Fachmann. Franke und Bornberg will daher künftig die Leistungspraxis und Stabilität der Anbieter deutlich stärker in den Fokus rücken.
„Was einige an Prämie sparen, zahlen andere drauf“
Für das laufende Jahr fordert das Analysehhaus, dass sich die Produktentwicklung stärker auf breitentaugliche SBU-Tarife konzentrieren solle, als für eine kleine Gruppe von Beschäftigten immer bessere Tarife zum niedrigeren Preis vorzuhalten. Nur so könne die Branche ihrer Verantwortung gerecht werden. Eine immer stärkere Ausdifferenzierung der Berufsbilder biete hingegen keine Lösung. „Je differenzierter die Berufe, umso mehr Verlierer wird es geben. Was einige an Prämie sparen, zahlen andere drauf“, kritisiert Franke.
Franke und Bornberg veröffentlicht alle Ergebnisse sowie die aktuellen Ratingkriterien zur Berufsunfähigkeitsversicherung unter diesem Link.