Der Großteil der Beschäftigten in der Finanzbranche sind Frauen. Im Vertrieb sind sie dennoch in der Minderheit. Cash. hat mit Dr. Mechthild Upgang, Vorstand des Finanzdienstleisters Dr. Upgang AG, über die Männerdomäne Finanzvertrieb gesprochen.
Warum sind Sie in die Finanzberatung gegangen?
Upgang: Es war Zufall, dass ich nach meiner Promotion die Gelegenheit zu einem Trainee bei einem unabhängigen Finanzberater erhielt. Mich hat vor allem gereizt, dass ich mich selbständig machen konnte und ein Unternehmen aufbauen durfte.
Haben Männer und Frauen die gleichen Chancen in der Finanzbranche Karriere zu machen?
Hier muss differenziert werden zwischen Angestellten und Selbständigen: Als selbständige Finanzmaklerinnen haben Frauen die gleichen Chancen, was ja auch an den sehr erfolgreichen Frauenfinanzdienstleistungsbüros deutlich wird. Bei den Angestellten in Versicherungen und Banken gibt es die gleiche „gläserne Decke“ wie in anderen Branchen.
Warum sind Frauen Ihrer Meinung nach in der Finanzbranche insbesondere im Vertrieb und auf der Führungsebene immer noch in der Minderheit?
Gerade der Vertrieb erwartet die „24-Stunden-Erreichbarkeit“ und das ist für ein Familienkonzept für Frauen (aber auch für Männer) belastend. Das wird Frauen sicherlich nicht motivieren in den Finanzvertrieb zu gehen.
Wie könnten mehr Frauen für die Beratertätigkeit gewonnen werden?
Motivierend wäre sicher ein Umdenken hinsichtlich der Verfügbarkeit der Arbeitskraft. Warum können sich nicht zwei Menschen eine Vertriebsstelle teilen? Hier müsste die Branche mehr Fantasie aufbringen um die Arbeitswelt familienfreundlicher zu gestalten.
Wäre eine gesetzliche Frauenquote für die Finanzbranche Ihrer Meinung nach zweckmäßig?
Ja, die sollte es geben um einen Anschub in die richtige Richtung zu geben.
Glauben Sie, dass der Frauenanteil in Beratung und Vertrieb in den nächsten Jahren zunehmen wird?
Da der Vertrieb stets engagierte und qualifizierte Mitarbeiter sucht, möchte man nun auch die Frauen gewinnen. Allerdings macht das „Schmuddel-Image“ die Branche für seriöse Mitarbeiter/innen nicht gerade attraktiv.
Inwieweit beraten Frauen anders als Männer?
Uns erzählen viele Kundinnen, dass sie die Beratungen von Frauen angenehmer empfinden, da sie das Gefühl haben, die Gespräche finden auf Augenhöhe statt und sie würden sich ernst genommen fühlen – auch bei vermeintlich „dummen Fragen“.
Wie unterscheiden sich die Beratungsgespräche mit männlichen und weiblichen Kunden?
Da Frauen im Schnitt immer noch deutlich weniger als Männer verfügen und in der Regel für die Kindererziehung zuständig sind, achten Sie vor allem auf Anlageformen, bei denen das Geld verfügbar ist und möglichst geringe Schwankungen aufweist. Das ist ein Unterschied zu den Männern.
Sie haben sich auf die Beratung von Frauen spezialisiert. Beraten Sie lieber Frauen oder Männer?
Ich berate am liebsten kritische und intelligente Menschen, völlig losgelöst vom Geschlecht.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Versicherungen / Finanzprodukte, die frau heute haben sollte?
Neben einer guten und umfassenden Privat-Haftpflichtversicherung benötigen die meisten eine gute uns ausreichende Absicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit. Manchmal ist auch eine Risikolebensversicherung essentiell. Erst dann sollte man sich den Themen Vermögensaufbau zuwenden.
Interview: Julia Böhne
Foto: Christian Daitche