„Die Finanzbranche will Frauen“

Constanze Hintze ist Finanzberaterin und Geschäftsführerin von „Svea Kuschel + Kolleginnen, Finanzdienstleistungen für Frauen“. Cash. hat mit ihr über die Männerdomäne Finanz- und Versicherungsvertrieb gesprochen.

Constanze Hintze, Svea Kuschel + Kolleginnen: „Es notwendig, dass sich seriöse, engagierte Frauen für diesen Beruf entscheiden.“

Haben Männer und Frauen grundsätzlich die gleichen Chancen in der Finanzbranche Karriere zu machen?

Hintze: Die Chancen sind sicher die gleichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen im großen Stile eine Finanzkarriere machen, sind aber noch recht dürftig.

Woran liegt das?

Das hat viele Ursachen, die sicher auch bei den Frauen selbst liegen: Teilzeitarbeit und Familienpausen sind nicht gerade karrierefördernd. Dennoch ist vielen Frauen die berühmte gläserne Decke ein Hindernis. Es beginnt sich aber zu verändern. Wer erst einmal Gelegenheit erhält, seine Kompetenz zu beweisen, hat zunehmend bessere Chancen, sich auch durchzusetzen. Denn wir werden gebraucht.

Warum sind Sie in die Finanzberatung gegangen?

Mir macht es Freude, Frauen – und Männer – dafür zu interessieren und sie für ihre finanzielle Unabhängigkeit zu begeistern. Leider verbinden ja noch immer viele Frauen mit Geld Unzufriedenheit, Stress und wenig Freude. Aber es weder langweilig oder unangenehm – im Gegenteil. Für mich ist der Beruf  „Finanzberaterin“ wirklich ein Stück weit Berufung, oder sagen wir besser: pure Leidenschaft.

Warum sind Frauen Ihrer Meinung nach im Vertrieb und auf der Führungsebene immer noch in der Minderheit?

Der Beruf hat seit dem Ausbruch der Krise Imageprobleme. Das Bild des Bankers in der Öffentlichkeit ist der „Verkaufsprofi“: wenig emphatisch, kalt und unter hohem Ertragsdruck stehend.

Mit diesen Eigenschaften gewinnt man keine Sympathie und Anerkennung, was aber vielen Frauen sehr wichtig ist. Dabei ist es wichtig, dass gute Charaktereigenschaften, wie Fürsorge, Bindung, Nachhaltigkeit wieder in die Finanzwelt zurückgelangen. Frauen sagt man diese Eigenschaften nach und deshalb ist es notwendig, dass sich seriöse, engagierte Frauen für diesen Beruf entscheiden! Der Bedarf ist da.

Wie könnten mehr Frauen für die Beratertätigkeit gewonnen werden?

Das Umfeld muss sich weiter ändern – aber auch die Frauen selbst. Viele entscheiden sich nach dem Abitur immer noch für typische Frauenberufe – etwa das Lehrfach oder soziale Berufe. Sie begnügen sich mit Jobs in der zweiten Reihe, etwa im Marketing, obwohl sie mehr drauf haben. Wenn sie ganz ehrgeizig sind, studieren sie Medizin.

Die Jungs studieren Volks- und Betriebswirtschaft – oder machen eine Banklehre. Ansonsten gilt, was für jeden Beruf gilt: Familie und Job müssen sich vereinbaren lassen – wir brauchen Kindergärten und kein Betreuungsgeld.

Sollte es eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote geben?

Ich gebe zu, ich war lange gegen eine Frauenquote bei Banken und Versicherungen. Inzwischen, stelle ich aber fest: Anders geht es wahrscheinlich nicht.

Schon die immer wieder entfachte Diskussion um dieses Thema ist hilfreich: Sie macht deutlich, dass Frauen ihren Anteil an der Macht haben wollen. Ob die Quote jetzt fix, statisch, dynamisch, befristet oder flexibel ist – das führt leicht zu einer akademischen Diskussion. Wichtig ist: die Finanzbranche will Frauen! Und tut einiges dafür!

Glauben Sie, dass Frauen anders beraten als Männer?

Viele Kundinnen berichten, dass sie von männlichen Beratern von oben herab behandelt wurden und keine vernünftigen Antworten auf ihre Fragen bekommen haben. Frauen machen auch Fehler. Aber sie verfügen meiner Meinung nach über ein höheres Maß an emotionaler Intelligenz.

Sie bringen einfach mehr Empathie mit und sind gute Kommunikatoren. Davon profitieren weibliche wie männliche Kunden. Allerdings: Frau sein – das reicht nicht. Die Kundinnen erwarten Kompetenz. Und natürlich gibt es auch sehr gute männliche Finanzberater! Umgekehrt ist ja nicht jede Frau eine gute Beraterin. Viel Erfahrung, viel Einfühlungsvermögen und Wissen sind erforderlich.

Beraten Sie lieber Frauen oder Männer?

Da sind mir beide gleich lieb – in dem Augenblick zählt der Mensch. Allerdings – eines muss ich zugeben: Es ist schon ein besonderes Vergnügen, einem Mann gegenüberzusitzen, der zunächst noch die Fassade bewahrt: Ich weiß schon, ich kenn mich aus – und sich dann langsam entspannt, nachhakt und tatsächlich zu verstehen beginnt, worum es bei seinem Anlage- oder Vorsorgethema geht.

Brauchen Kundinnen eine andere Beratung?

Frauen teilen gemeinsame Erfahrungen, sie kennen ihre Bedürfnisse und Sorgen. Generell gilt natürlich: Wer die Kundinnen ernst nimmt, verständlich und verantwortungsvoll berät, erreicht sie auch. Man sollte halt beim Erstkontakt nicht gleich mit dem Anlageprospekt ins Haus fallen, sondern muss zuhören können.

Und jetzt kommt die Überraschung: Für Männer gilt das Gleiche. Wenn sie ehrlich sind, ist es ihnen ist es auch lieber, nicht gleich nach Vorlage von ein paar Grafiken und auf Basis von schwer verständlichen Argumenten zu einem Abschluss gedrängt zu werden.

Welche Versicherungen / Finanzprodukte sollte frau heute haben?

Ganz besonders, wenn sie noch jünger ist: Unbedingt eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Denn wenn das Arbeitseinkommen ausfällt, dann fällt jeder Vermögenaufbauplan ins Wasser. Dann natürlich eine zusätzliche Altersvorsorge, etwa über eine private Rentenversicherung oder die staatlich geförderten Modelle. Eine Pflegeversicherung kann ebenfalls sinnvoll sein.

Und natürlich zur Vermögensbildung Aktien – auch wenn Frauen hier gerne etwas zurückhaltend sind. Aktiv geführte Mischfonds mit gutem Risikomanagement eignen sich auch für vorsichtigere Naturen.

 

Interview: Julia Böhne

Foto: Svea Kuschel + Kolleginnen

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